Moers. Tim Isfort lieferte zum Jubiläum ein Programm mit vielen Bezügen zu den Wurzeln ab. Und es gab neue Hörerlebnisse - partytauglich bis liturgisch.

Im Kreis tanzen, das bekommt beim Moers Festival unter Pandemiebedingungen eine ganz neue Bedeutung: Als die ugandische Truppe Nihiloxica am Rodelberg in bester African-Dance-Night-Manier loslegte, da hielt es die wenigsten Zuschauer auf ihren Decken oder Europaletten. Aber so zwanglos abzappeln wie früher – nein, da war die Coronaschutzverordnung vor. Und deshalb waren für jeden Kreise auf der Wiese mit den nötigen Abständen eingezeichnet, und darin hatten sich die Tänzer zu bewegen. Damit es da keine Missverständnisse gab, streiften Ordner durch die weitläufigen Reihen.

Tim Isfort hat -- im Rahmen der Möglichkeiten, die ihm bei dem Hin und Her der Vorschriften und

Tanzbar: Musik von Nihiloxica.
Tanzbar: Musik von Nihiloxica. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Reisemöglichkeiten blieben – ein Jubiläumsfestival abgeliefert mit vielen Bezügen zu den Anfängen. Frickelige Avantgarde trifft Jazz. Stehengeblieben ist Isfort mit seiner Auswahl nicht. Das zeigten schon Nihiloxica, die sich zwar traditioneller Musik bedienten, aber mit den heute gängigen Elektrosounds vermengten und mit dem Niederländer Han Bennink einen kongenialen Mitstreiter fanden.

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Noch deutlicher wurde das bei Fendika aus Äthiopien, dem Land, das eigentlich den Schwerpunkt des diesjährigen Festivals ausmachen sollte. Traditionelle Instrumente, sicher, aber bitteschön elektrisch verstärkt. Diese Mixtur groovt wie Hölle. Wenn denn Publikum diesen Auftritt in der Eventhalle hätte verfolgen können, es hätte getobt. Und den traditionellen Tanz, den Melaku Belay auf der Bühne hingelegt hat, als Hip-Hop durchgehen lassen.

Jede Menge Drama und volles Brett

Definitiv zugabeverdächtig wäre auch der Auftritt von Schime & Muzikon aus Belgrad gewesen. Mehr Drama geht kaum. Es gab das volle Brett mit reichlich schmusigen Streichern, die den Gegenpol zum Avantgarde-Quartett Schime bildeten. Ein Konzert auf den Punkt zwischen schön und schräg. Die Hütte hätte gebebt. Ein Jammer.

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Zurück zu den Wurzeln hieß es beim Solo mit dem Gitarristen John Scofield, der sich auf der neuen Außenbühne anscheinend gleich so heimisch fühlte, dass er erstmal die Schuhe auszog. Von ihm gab es viel Lob für den Rodelberg: „Musik in einer tollen Situation. Gratulation, das passt perfekt.“ Auch die Auftritte von David Murray, der dem Regen nicht ganz entkommen konnte, und dem farbenfrohen, sonnigen Jamaaladeen Tacuma waren Retrospektiven auf alte Zeiten.

Ein ganz neues Hörerlebnis verschaffte die ungewöhnliche Kooperation zwischen Seicento vocale und Richard Scott. „Das Festival hat uns zusammen gebracht“, erklärte der Leiter des mit 20 Sängern

Selten in Moers: Liturgischer Gesang, elektronisch unterstützt.
Selten in Moers: Liturgischer Gesang, elektronisch unterstützt. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

angetretenen Chores. Dieser kümmert sich normalerweise sehr ernsthaft um liturgische Werke des 17. Jahrhunderts und traf nun auf den Elektroniker Scott. Eine Begegnung, mit der dem Gesang „die Heiligkeit genommen wird“, sagte er. Schien aber allen Spaß zu machen, wenn zwischendurch ein bisschen Gershwin durch die Liturgie galoppierte, Textfetzen eingestreut wurden oder Kuhglocken erklangen.

Eine neue Erkenntnis bescherten auch die Franzosen Ensemble 0 and AUM grand ensemble, die sich John Eastmann widmeten: Mit einem winzigen Motiv in Endlosschleife in immer neuen Variationen, die sich verlieren und wieder zusammen finden, kann man eine Stunde spannendes Konzerterlebnis entfachen.