Moers/Kamp-Lintfort. Frederike Güths und Jenny Justen arbeiten in Moers und Kamp-Lintfort in der Gastronomie. Sie vermissen ihren Job. Die Chefin unterstützt sie.

Es wirkt fast ein bisschen surreal, dieses Treffen im Gastraum von Wellings Parkhotel in Kamp-Lintfort. Alles leer an diesem Morgen, unbewohnt, seit Monaten sind im Lokal keine Gäste mehr normal ein- und ausgegangen. „Ich habe das erste Mal nach fünf Monaten wieder eine Menübesprechung gemacht“, sagt die Chefin Eva Welling. Das Parkhotel darf Geschäftsreisende beherbergen, immerhin das. In Moers ist das Hotel zur Linde derzeit ganz zu. Fürwahr keine einfache Zeit für Gastronomen – und für deren Angestellten.

Ein Problem: Es wird zwar Kurzarbeitergeld für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezahlt. Das bemisst sich aber am Nettoentgelt. Eva Welling: „Wichtig ist, bei der Unterstützung anzusetzen, wo der Ausfall einsetzt.“ Hotel und Gastronomie seien ja nicht die einzigen Branchen, in denen es Nachtzuschläge und Sonntagsdienste gebe.

Abgesehen davon ist insbesondere für die Servicekräfte im Restaurant das Trinkgeld oft schon so etwas wie ein kleiner zweiter Lohn. Das fehlt jetzt umso mehr. „Am Anfang haben wir die Zusatzleistungen weitergezahlt“, sagt Eva Welling. „Von unseren Betrieben leben 200 Familien.“ Seit Ende des vergangenen Jahres seien diese Zuzahlungen aber nicht mehr möglich.

Der Januar war hart für die Kellnerin

Das hat zum Jahreswechsel auch Frederike Güths gemerkt. „Im Januar ist das richtig aufgefallen“, sagt die 26-Jährige. „Das war der erste krasse Monat.“ Zwei Drittel des Kurzarbeitergeldes seien für die Miete draufgegangen, ein Drittel für eine Autoinspektion. Da war gleich am Anfang des Jahres Ebbe in der Kasse. „Die Fixkosten kann ich decken, den Lebensunterhalt finanziere ich durch Erspartes“, sagt sie.

Etwa 30 Prozent zusätzlich mache das Trinkgeld in der Regel aus. Vor Corona habe sie nie Geld am Automaten abgehoben, sagt die gelernte Hotelfachfrau. „Das ist klassisch in der Gastro“, erklärt Eva Welling: Der Lohn werde für die Fixkosten verwendet, die Zusatzeinnahmen für alles andere.

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Frederike Güths hat schon die Ausbildung bei Wellings gemacht, ist 2018 von Schaephuysen nach Moers-Repelen gezogen. Für den Job war das praktisch. Die junge Frau arbeitet in der Linde im Teildienst – wenn es Corona zulässt. Heißt: Ihre Schichten dauern von 12 bis 15 Uhr und von 18 bis 23.30 Uhr, beziehungsweise nach Bedarf. Die Arbeitszeiten sind flexibel.

Es ist der Traumjob für die Moerserin

Frederike Güths hat ihren Traumjob gefunden. Sie ist Stationskellnerin im A-la-carte-Geschäft, also die erste Ansprechpartnerin für die Gäste im Restaurant. Wie ihre Kolleginnen und Kollegen in der Branche ist sie stresserprobt. Wenn es zu Stoßzeiten hoch hergeht, muss sie ruhig bleiben. Dieses Gefühl kennt sie aber kaum noch. Das gab es allenfalls ein paar Wochen im Sommer.

Der finanzielle Ausfall ist das eine. Der über den Haufen geworfene Tagesablauf das andere. „Im vergangenen Jahr habe ich viel gepuzzelt“, sagt Güths. Aber irgendwann sind alle Teile doppelt umgedreht und die Motive fertig. Bleibt das Putzen. Die junge Frau lächelt. „Meine Fenster und mein Auto waren noch nie so sauber.“

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Eine Dauerlösung kann das aber nicht sein. Zumal ihr auch die Bewegung fehlt. „Das darf man nicht unterschätzen“, betont ihre Chefin. Die Servicekräfte sind schließlich den ganzen Tag auf den Beinen. Wie sie sich dabei fühlt? Müde? Traurig? Frustriert? Die junge Hotelfachfrau muss nicht lange überlegen: „Alles.“ Je nach Tagesform.

An jenem Tag im Parkhotel hat die 26-Jährige seit langer Zeit ihre Kollegin Jenny Justen wiedergetroffen. Die beiden kennen sich aus dem Hotel zur Linde; die 39-Jährige aus Krefeld hat die quirlige Wahl-Moerserin mit ausgebildet.

Die Frau aus Krefeld hat viel über Homeschooling gelernt

Seit zweieinhalb Jahren arbeitet die gelernte Restaurantfachfrau nun im Parkhotel in Kamp-Lintfort. Im Frühdienst. „Damit wir mehr Zeit für die Familie haben.“ Sie hat einen 13-jährigen Sohn. Insofern hat sie in den vergangenen Monaten viel darüber gelernt, was beim Homeschooling und der damit verbundenen Technik alles falsch laufen kann. „Mein Sohn hat sich mittlerweile gut organisiert“, sagt sie.

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Früher war ihr Mann Koch, hat umgelernt und arbeitet jetzt als Lebensmitteltechniker. „Ich bin froh, dass mein Mann der Hauptverdiener ist“, betont sie. Als im Januar die steuerfreien Zuschläge weggefallen seien, habe das „richtig weh“ getan. Jenny Justen: „Ohne meinen Mann wäre ich aufgeschmissen.“ Es hieß immer, man müsse Rücklagen schaffen, sagt sie und fragt: „Aber wie soll das gehen?“ Das Auto musste in die Werkstatt. Der Urlaub am Chiemsee wurde dann auf eine Woche gekürzt.

Im Sommer gab es bedingt durch die Laga noch gut zu tun. „Und viele Leute haben Urlaub in Deutschland gemacht.“ Im Herbst dann der zweite Lockdown. Momentan kann die 39-Jährige immerhin an drei Tagen pro Woche arbeiten, bereitet unter anderem das Frühstück für die Businessgäste – in der Hoffnung auf bald wieder bessere Zeiten.