Neukirchen-Vluyn. Christine Roßkothen leitet die Marketing-Abteilung bei der Firma Trox in Neukirchen-Vluyn. Ein Gespräch über Kinder und die Bedeutung von Quoten.
Christine Roßkothen hat es geschafft. Die 54-Jährige hat eine leitende Position bei einem international agierenden Unternehmen. Sie hat zwei Kinder, ist glücklich verheiratet, mit allen Höhen und Tiefen. Und: Sie ist zufrieden. Mit sich und der Situation. Es wird ein Gespräch über Kinder, Quoten, Kleidung. Früher gehörte Christine Roßkothen zu jenen jungen Frauen, für die eine Quote ein No Go war, wie es Neudeutsch heißt. Quote? Ging gar nicht. Um Himmels Willen, nur nicht als Quotenfrau verschrien sein.
„Ich setze mich schon durch“, habe sie damals gesagt. Das hat sie dann auch getan. Überzeugend erzählt sie von Situationen, in denen sie früher zu Beginn ihrer Berufstätigkeit in Männerrunden sexistischen Ansprachen ausgesetzt war, die sie allerdings schlagfertig kontern konnte. Am Ende hatte sie die Lacher auf ihrer Seite.
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Und heute? Hat sich ihre Sicht der Dinge geändert. Klare Ansage: „In den letzten 30 Jahren hat sich nicht viel bewegt, daher befürworte ich eine Quote, weil wir sonst nicht dort hinkommen, wo wir hinwollen.“ Eine Quote in großen Unternehmen habe durchaus eine Signalwirkung, sagt sie jetzt und schlüsselt die Dinge auf.
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Ein Problem aus ihrer Sicht: Frauen haben zu wenig Vorbilder. Männer haben reichlich. Ihre Berufsschullehrerin war ein solches Vorbild („die hatte eine Haltung“). Und eine Abteilungsleiterin; damals, als sie noch als Industriekauffrau bei Didier in Rumeln gearbeitet hat. Das war’s auch schon. Christine Roßkothen ist nicht stehengeblieben. Sie hat studiert, hat ein Prädikatsexamen als Diplomkauffrau, zudem das Erste Staatsexamen fürs Lehramt Sek II.
Was können Frauen nicht, was Männer können? Das ist die zweite Frage, die zu stellen sei. In der Theorie sind grundsätzlich keine Grenzen gesetzt. In der Praxis schon.
Die Marketingfrau ist eine Freundin offener Worte
Ein Blick zurück. In den 1990er Jahren hieß es immer, dass sie sich entscheiden müsse zwischen Kindern und Karriere. „Das hat mich genervt“, sagt Christine Roßkothen. Die Umstellung beginnt im Kopf. „Ich wollte immer beides.“
Es gibt wohl viele Frauen, die das kennen: Wenn in Vorstellungs- und Mitarbeitergesprächen gefragt wird, wie die Ziele sind. Und dabei der Subtext immer mitklingt: Wann und wie viele Kinder wollen Sie und wie lange fallen Sie dadurch für das Unternehmen aus? Heute sind solchen Fragen rechtliche Grenzen gesetzt. Aber dennoch: Derartige Situationen gehören zur Lebenswirklichkeit von vielen Frauen.
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Auch, dass sie aus den After-Work-Runden oftmals ausgeschlossen sind. Männer unter sich reden nun mal anders, verwenden andere Opener für schwierige Geschäftsgespräche. „Die gläserne Decke“ gilt es laut der Frau aus Niep immer noch zu durchstoßen. Christine Roßkothen war schon damals sehr für offene Worte. Als sie 2005 die Chance hatte, bei Trox die Abteilung für Marketing aufzubauen, hat sie bereits ein Kind gehabt, sich aber noch ein zweites gewünscht.
Also ging sie in die Offensive. Die Geschäftsführung könne ein halbes Jahr auf die Suche nach einem Mitarbeiter gehen und diesen zwei Jahre lang einarbeiten. Oder: Man nehme sie und müsse womöglich mal ein halbes Jahr auf sie verzichten, wisse dafür aber, dass sie als treue Angestellte einen guten Job macht.
Das Ergebnis ist bekannt. Heute sind in ihrer Abteilung 19 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Es gibt fortwährend innovative Entwicklungen, in den vergangenen Jahren ist die Digitalisierung enorm vorangeschritten. Digital Marketing heißt so was heute.
Sie hat die Verantwortung für den Außenauftritt
Christine Roßkothen ist verantwortlich für den gesamten nationalen und internationalen Außenauftritt von Trox. Für alle Kanäle, alle Inhalte. Für die interne und externe Kommunikation. Den 31 Tochtergesellschaften werde das Portfolio angeboten, erklärt die Marketingexpertin. Sofern Teile gewünscht seien, wird in bis zu 16 Sprachen übersetzt.
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Die 54-Jährige streicht ihr Kleid zurecht. Das ist neu. In den ersten dreißig Jahren ihres Berufslebens habe sie nur Hosenanzüge getragen, erzählt sie. „Ich wollte als menschliches Neutrum wahrgenommen werden“, sagt sie weiter. Sofort schleichen sich die Bilder der Kanzlerin vor das innere Auge, die Diskussionen, als diese im Kleid bei den Festspielen erschien und den Deutschen vor Auge geführt wurde, dass ihre Kanzlerin tatsächlich eine echte Frau ist.
Warum heute die Röcke? Das habe wohl mit innerer Sicherheit zu tun. Und einfach mit der Freude an der Kleidung. Heute ermutigt Roßkothen junge Frauen in ihrem Unternehmen, ihren Weg zu gehen.
Bei Roßkothens zuhause sind die Rollen übrigens getauscht: Die Frau arbeitet, der Mann schmeißt den Haushalt. Das hat die kernige Marketingfrau auch erst lernen müssen: Dass sie in der heimischen Küche nicht das Sagen hat.