Moers/Rheinberg. Michael Welschen vermutet, dass er sich im Skiurlaub mit Corona angesteckt hat. Er fühlte sich jeden Tag schlapper und kam ins Bethanien Moers.

Es ist der Montag der vergangenen Woche. Zum ersten Mal seit fast zwei Monaten sitzt Michael Welschen wieder an seinem Schreibtisch im Technischen Dezernat der Stadt Duisburg. Normalerweise nimmt der 62-Jährige die Treppe, um zu seinem Büro im zweiten Stock zu kommen. Jetzt nutzt er den Aufzug. Denn die alte Fitness hat er längst nicht zurück, er spürt noch die Krankheit im Körper. Michael Welschen war an Covid-19 erkrankt. Genesen ist er, aber die Erkrankung und ihre Folgen beschäftigen ihn weiter.

Michael Welschen geht davon aus, dass er sich mit dem Coronavirus angesteckt hat, als er mit seiner Partnerin zum Skifahren in Tirol war. Als die beiden am 15. März nach Rheinberg heimkommen, sind im Kreis Wesel 89 Corona-Infektionen nachgewiesen.

Welschen hat schon beim Skifahren häufiger husten müssen, zu Hause wird es schlimmer. Er treibt regelmäßig Sport, ist eigentlich ziemlich fit, jetzt fühlt er sich mit jedem Tag schlapper. Er lässt einen Corona-Abstrich machen, das Ergebnis ist negativ. Eine Ärztin, die er drei Tage später konsultiert und der er vom Test berichtet, geht davon aus, dass er eine Bronchitis hat und verschreibt Antibiotika.

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Aber es wird in den folgenden Tagen nicht besser, im Gegenteil. „Der Husten wurde heftiger“, erzählt Welschen, „ich hatte immer wieder mal Blut im Auswurf. Und dieses Husten kostet unglaublich viel Kraft. Mein Antrieb war futsch, ich hatte keinen Appetit und wollte vor allem liegen und schlafen.“

Das Atmen fällt dem Patienten schwer

Ihm fällt das Atmen schwerer, das Fieber ist in seinem Fall zwar nicht so hoch, 38,2 Grad an zwei Tagen, aber er schwitzt extrem und nimmt Schmerzmittel gegen die Gliederschmerzen.

Als sein Hausarzt aus dem Urlaub zurückkehrt, geht Michael Welschen in dessen Praxis. Es ist der 3. April, im Kreis Wesel ist die Zahl der nachgewiesenen Coronafälle auf 267 gestiegen. Drei Menschen sind an den Folgen der Infektion gestorben. Welschens Arzt diagnostiziert eine Lungenentzündung bei seinem Patienten und weist ihn ins Krankenhaus Bethanien in Moers ein. Beim Lungen-CT wird die Diagnose bestätigt.

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Den Gang von der Pforte bis zum Zimmer auf der Coronastation schildert der 62-Jährige als sehr mühsam, so schwer fällt ihm mittlerweile das Atmen. Dort wird er zum zweiten Mal auf das Virus getestet: diesmal positiv.

Welschen macht die Gewissheit schwer zu schaffen, dass er zu denjenigen gehört, die das Virus in sich tragen: „Ich wusste ja nicht, wo das endet“, sagt er. „Mein Zustand hatte sich bis dahin ständig verschlechtert, diese ewige Husterei, dieser komische braune Auswurf, dieses Schlappsein. Ich bin ehrlich, ich habe mich gefragt, ob ich da lebend wieder rauskommen würde.“

Auf der Coronastation geht es schnell aufwärts

Dazu plagen ihn Träume, schon seit den Tagen, als er zu Hause krank liegt. „Gruselig“ seien die gewesen, mehr sagt er heute nicht dazu, aber er erwähnt sie im Gespräch mehrfach. Über die Träume und seine Todesangst sagt er im Krankenhaus kein Wort: „Ich habe das mit mir selber ausgemacht.“

Auf der Coronastation geht es für Michael Welschen dann relativ schnell aufwärts. Er bekommt in den ersten Tagen zwar Luft zugeführt, aber die Krankheit ist bei ihm nicht so schlimm, dass er zu irgendeinem Zeitpunkt seines Bethanien-Aufenthaltes mit einer Maske beatmet werden müsste, was alles erleichtert, auch die Psyche.

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Er fühlt sich gut versorgt, das Inhalieren hilft, er trainiert Atmung und Lunge, indem er in ein Gerät gegen einen Widerstand „anpustet“, er sieht fern, sitzt auf dem kleinen Balkon seines Zimmers in der Sonne und geht unzählige Male in dem Raum auf und ab: „Ich wollte etwas für meine Fitness tun“, erklärt er und flachst: „Außerdem musst du den Tag irgendwie rumkriegen. Der ist sehr lang da.“

Der Reinberger bleibt fünf Tage im Isolierzimmer

Fünf Tage verbringt er abgeschottet in dem Isolierzimmer, nur Ärzte und Krankenschwestern und -pfleger dürfen – stets in Schutzkleidung – zu ihm. Mit seiner Partnerin telefoniert und chattet er viel. Sie hat sich mit einiger Wahrscheinlichkeit ebenfalls mit dem Virus infiziert, spürt aber zu keinem Zeitpunkt ein Symptom, so dass sie erst gar nicht auf das Virus getestet werden muss.

Häufig geschilderte Symptome wie Kopfschmerzen und der Verlust des Geschmacks bleiben Michael Welschen erspart.

Am 13. April meldet der Kreis Wesel 396 bekannte Coronavirus-Infektionen, neun Menschen sind an Covid-19 verstorben. Michael Welschen darf an diesem Tag nach Hause. Kaum angekommen, meldet sich am Telefon das Kreisgesundheitsamt und teilt mit, dass soeben seine zweiwöchige Quarantäne begonnen hat.

Er bleibt mit dem Bethanien im Gespräch

Der Rheinberger bleibt daheim, es geht ihm zwar besser, aber geschwächt ist er immer noch und weit entfernt von seiner früheren guten körperlichen Verfassung. Langsam kommt der Appetit zurück und Welschen mag wieder essen. Acht Kilo hat er seit Mitte März abgenommen. Er ist froh, dass es aufwärts geht.

Mit der Bethanien-Klinik befindet er sich im häufigen Chat-Austausch, die Ärzte vergewissern sich, dass er Fortschritte macht.

Am 22. April berichtet der Kreis über 468 Infizierte und 17 Todesfälle. Michael Welschen gehört in die dritte Gruppe dieser täglichen Statistik: zu den Genesenen. Er ist einer von 306. An diesem Tag endet seine Isolierung zu Hause.

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Was er zuerst gemacht hat? „Ich bin tatsächlich einkaufen gegangen“, sagt er und lacht sich dabei kaputt. Spazieren gehen mit seiner Partnerin und ein wenig Nordic Walking gehören jetzt zum Alltag. Ob er wieder ganz der „Alte“ wird, weiß er nicht. Wie krank er war, ist ihm noch einmal deutlich geworden, als ihm ein Arzt sagt, Covid-19 könne in der Lunge „verbrannte Erde“ hinterlassen. In zwei Monaten folgt das nächste CT: „Dann wird nachgeschaut, ob sich meine Lunge erholt. Ich will mein altes Lungenvolumen zurück.“ Geht der Wunsch in Erfüllung, kann Michael Welschen zu seinem Büro in der zweiten Etage des Stadthauses wieder die Treppe nehmen.