Moers. . Ende Dezember ist bei der Metzgerei Bögner in Moers Schluss. Dabei hätte in wenigen Monaten das 120-jährige Bestehen gefeiert werden können.
- Annemarie und Karl Bögner schließen ihre Firma an der Uerdinger Straße Ende Dezember
- Gegründet wurde die Metzgerei 1897 von Großvater Carl im schlesischen Patschkau
- Die Filiale in Eick und die Marktwagen werden übernommen
Ganz so sentimental sind die Bögners denn doch nicht. Nur ein paar Monate noch, dann hätten sie das 120-jährige Bestehen ihrer Metzgerei groß feiern können. Aber so lange will das Ehepaar nicht mehr warten. Ende Dezember ist Schluss. Annemarie und Karl Bögner schließen ihre Firma an der Uerdinger Straße. Und die Kunden trauern schon jetzt der berühmten Bögnerschen schlesischen Bratwurst hinterher.
44 Jahre sind Annemarie und Karl Bögner selbstständig, und wie das so nach einem langen arbeitsreichen Leben ist, sehen die beiden der vielen Freizeit, die auf sie zukommt, mit einer gewissen Erleichterung, aber auch mit gemischten Gefühlen entgegen. Karl ist inzwischen 77 Jahre alt, Rücken und Knie plagen ihn, das Laufen fällt ihm schwerer. Ohne die täglichen Verpflichtungen, den Druck des Geschäftes wird der Alltag leichter.
Der Wecker von Annemarie Bögner klingelt um 3.15 Uhr
Bei Annemarie Bögner (68) klingelt seit Jahrzehnten der Wecker von montags bis samstags morgens um viertel nach drei: „Demnächst kann ich also mal abends einen schönen Film im Fernsehen angucken“, glaubt sie, und fügt schmunzelnd hinzu: „Aber ich weiß gar nicht, ob ich es wirklich schaffe, morgens länger als bis viertel nach drei im Bett zu bleiben.“
Doch der Entschluss aufzuhören steht fest. Die beiden Kinder können, beziehungsweise wollen den Betrieb nicht übernehmen, die Gesellen, seit vielen Jahren bei den Bögners beschäftigt, sind allesamt in einem Alter, in dem man sich nicht mehr mit einem solchen großen Unternehmen selbstständig macht. Hinzu kommt, dass in dem Haus, das die Familie 1960 gebaut hat, Arbeiten und Wohnen kaum voneinander zu trennen sind: „Geht hier der Betrieb weiter, müssen wir wegziehen“, sagt Karl Bögner. „Und das wollen wir nicht.“
Ein Wandbild aus Glogow hängt im Geschäft
Gegründet wurde die Metzgerei 1897 von Großvater Carl im schlesischen Patschkau. Wenig später eröffnete die Familie ein beeindruckendes Geschäft in Glogau (heute Glogow), besichtigen kann man es noch heute auf dem Wandbild im Laden an der Uerdinger Straße. 1935 übernahmen Sohn Ewald und seine Frau Erna den Betrieb.
Die Flucht nach dem Krieg spülte die Familie nach Rheinhausen, wo das Paar seit 1952 zunächst mit einem eigenen Marktwagen Wurst verkaufte. Wenige Jahre später entstand die erste eigene Metzgerei in Meerbeck, wo Karl seine Metzgerlehre absolvierte. Dann kam das Haupthaus an der Uerdinger Straße dazu, später komplettierten die Filiale in Eick, Marktstände in Moers und Rheinhausen sowie von 1989 bis 2007 das Geschäft an der Steinstraße das Unternehmen mit zeitweise rund 50 Beschäftigten. 1972 übernahm Karl Bögner, zu diesem Zeitpunkt seit zwei Jahren mit Annemarie verheiratet, die Metzgerei von den Eltern.
Der Laden läuft – der wachsenden Konkurrenz von Supermärkten und Discountern zum Trotz. „Vor allem bei der Wurst macht uns so schnell niemand ‘was vor“, sagt Annemarie Bögner. „Die Kunden sind uns treu und geben auch einen Euro mehr für gute Ware aus.“
Der Geselle führt die Filiale in Eick weiter
Nach wie vor sind Produkte nach schlesischen Rezepten wie Grütz- und Wellwurst oder das Schmalz mit Äpfeln, Zwiebeln, Knoblauch und Speck nach „Mutters Rezept“ gefragt. Für die aus Kalbfleisch hergestellte weiße schlesische Bratwurst kommen die Kunden aus dem Ruhrgebiet und Düsseldorf nach Moers: „Vor Weihnachten reicht die Schlange bis hinaus auf den Bürgersteig“, sagt Karl Bögner stolz.
Damit ist es bald vorbei. Immerhin, Geselle Manuel Vervuurt führt die Filiale im Eicker Grund weiter, die Metzgerei Boruta aus Kamp-Lintfort übernimmt die Marktwagen auf dem Neumarkt und in Rheinhausen.
Ob es irgendwann an der Uerdinger Straße doch weitergeht? Die Bögners haben die Hoffnung nicht aufgegeben. Der Enkel, sagen sie, könnte ein Typ für ein solches Geschäft sein. Aber er ist erst 14 Jahre alt: „Warten wir’s ab.“
Insofern können Annemarie und Karl Bögner ab Januar ausschlafen und ihre Tage später beginnen – theoretisch jedenfalls.