Kreis Wesel. Das Frühjahrsgutachten im Handwerk zeigt auch die Lage der Betriebe im Kreis Wesel. Womit haben sie zu kämpfen? Wie lang ist die Wartezeit?
Der Bausektor bleibt das große Sorgenkind. Immerhin: Das Ausbaugewerbe zeigt sich von der Baukrise noch nicht so stark betroffen. Es sei ordentlich unterwegs, viel mit energetischen Sanierungen im Bestand beschäftigt, weiß Holger Benninghoff, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Wesel, zu berichten. Nichtsdestotrotz: Das Handwerk auch hier in der Region sieht sich weiter mit vielen Herausforderungen und großem Druck von außen konfrontiert – Bürokratie, Nachwuchsmangel und hohe Preise spielen dabei etwa eine Rolle.
Handwerk im Kreis Wesel: Wartezeiten bis zu acht Wochen
In den vergangen Tagen hat die Handwerkskammer Düsseldorf Bilanz gezogen und ihr Frühjahrsgutachten zur Lage der Betriebe veröffentlicht. Im Kreis Wesel kletterte der Geschäftsklimaindex von 100 Punkten im Herbst auf nun 108, bleibt damit aber unter dem Vorjahreswert (120), im gesamten Kammerbezirk liegt der Index bei 112 Punkten (plus acht). „Die aktuelle Geschäftslage und insbesondere die Umsatz- und Auftragssituation haben sich bei der Mehrheit der Firmen gegenüber dem Herbst des Vorjahres zwar moderat verschlechtert. Optimistischere Zukunftserwartungen als noch vor einem halben Jahr bewirkten unterm Strich jedoch einen leichten Indexanstieg“, heißt es in einer Mitteilung der Handwerkskammer.
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Die Auftragsweite im Kreis liegt derzeit im Schnitt bei 7,9 Wochen, übersetzt: So lange müssen insbesondere Neukunden mitunter auf einen Termin beim Handwerksbetrieb warten. „Material muss bestellt werden, nicht immer ist alles auf Lager, das braucht schon diese Wartezeit“, so Benninghoff. Zum Vergleich: Im Kreis Kleve (10,4 Wochen) und Kreis Viersen (12,9 Wochen) liegt dieser Wert deutlich höher, länger warten müssen Kundinnen und Kunden auch in angrenzenden Ruhrgebietsstädten wie Duisburg und Essen, wie aus dem Frühahrsgutachten hervorgeht.
Leasingrückläufer bei E-Fahrzeugen sind großes Problem im Kfz-Bereich
Die konjunkturelle Lage bleibe im Frühjahr 2024 von der wenig dynamischen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der angespannten Lage im Neubausektor geprägt, schreibt die Handwerkskammer außerdem. Die Erkenntnisse aus dem Gutachten für den gesamten Kammerbezirk deckten sich auch mit der aktuellen Situation für die Region, erläutert Benninghoff im Gespräch. Allen voran nennt auch er die Krise im Bauhauptgewerbe, die deutlichen Umsatzeinbrüche und Auftragsrückgänge, zurückzuführen auf die hohen Zinsen und teuren Preise, ebenso auf die neuen Energiestandards der Politik. Die Konsequenz: Die Preise für den Kunden steigen, der sei aber nicht bereit, das zu bezahlen. Ebenso führt Benninghoff verknappte Ressourcen an, Stahl etwa, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.
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Schwierigkeiten hat auch das Kraftfahrzeuggewerbe. Ein großes Problem seien die Leasingrückläufer, insbesondere bei den E-Fahrzeugen, sagt Benninghoff, dafür gebe es keinen richtig großen Markt, „die Infrastruktur fehlt noch“. Nach wie vor halte zudem die Tendenz zum höheren Schulabschluss an, das verschärfe die Nachwuchssorgen im Handwerk. Im Lebensmittelgewerbe etwa, wo die Betriebe gerne mehr ausbilden würden. Laut Frühjahrsgutachten meldeten die Betriebe im Kreis wie zuletzt auch 39 Prozent offene Stellen, vergleichbar mit dem Wert für den gesamten Kammerbezirk (38 Prozent).
Die Konsequenz der derzeitigen Lage? Auch im Kreis Wesel seien die Betriebe mit Blick auf neue Investitionen zurückhaltend, „sie wollen erst mal beobachten und abwarten, wie sich die Lage entwickelt“, schielten mitunter auf die nächste Bundestagswahl, sagt der Geschäftsführer der hiesigen Kreishandwerkerschaft. „Klar halten die Betriebe ihr Geld zusammen.“
Handwerk im Kreis Wesel: Kritik am Wachstumschancengesetz
Die Bundesregierung will mit dem Wachstumschancengesetz, das im März verabschiedet wurde, gegensteuern und Unternehmen wettbewerbsfähiger machen. Gute Idee, so Benninghoff, dem dennoch „Wachstum“ und „Chancen“ dabei fehlen, „das Gesetz hat seinen Namen nicht wirklich verdient“, findet er. Er wünscht sich insbesondere mehr Bürokratieabbau. Warum müsse ein Betrieb beispielsweise regelmäßig eine Gefährdungsbeurteilung für Schwangere vorhalten, wenn dort keine Frauen arbeiteten, die Nachwuchs erwarten, mitunter sogar gar keine Frauen im Unternehmen beschäftigt seien? Benninghoff nennt zudem viele und äußerst komplizierte Vorschriften im Steuerrecht, „da braucht der Betrieb die Hilfe vom Steuerberater“, das führt zu mehr Arbeit am Schreibtisch, also „unproduktiver Belastung“.