Kreis Wesel. Sorgt der Regionalplan für einen höheren CO2-Ausstoß? Ein Unternehmen sieht bei den Abgrabungsflächen im Kreis eine ökologische Schieflage.
Der Regionalplan Ruhr ist rechtskräftig. Die Klage dagegen liegt bereits beim OVG Münster. An der Anwendungspflicht des Kreises ändert das aber nichts. Er befindet sich damit in der merkwürdigen Situation, mit einem Planwerk zu arbeiten, das er entschieden ablehnt. Die vergangene Woche müsste deshalb bei den im Kreis Wesel tätigen Kiesunternehmen für Jubelschreie gesorgt haben – eigentlich. Ganz so eindeutig stellt sich die Situation aber nicht dar.
Die Kies- und Sandinitiative „Zukunft Niederrhein“ freut sich zwar über die gewonnene Rechtssicherheit für ihre Mitgliedsunternehmen. Das Inkrafttreten des Regionalplans Ruhr sei „ein enorm wichtiger Schritt für die Rohstoffsicherung“ in der Metropolregion Ruhr mit mehr als fünf Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern.
Die im Kreis Wesel aktiven Kiesunternehmen betrachten den Regionalplan, der ihnen Rechtssicherheit gibt, aber in Teilen weitaus nüchterner, als man denken könnte. So bemängelt das Unternehmen Holemans auf Nachfrage ein vermeintliches Ungleichgewicht zwischen Erweiterungsflächen und Neuaufschlüssen, also Flächen, die an bereits bestehenden Abgrabungsflächen anschließen und solcher Flächen, die an komplett anderer Stelle neu erschlossen werden müssen.
Kiesfirma im Kreis Wesel: Neue Flächenausweisung führt zu mehr Umweltverschmutzung durch Abgase
Diese Tatsache sei „ökologisch und ökonomisch unglücklich“, teilt Holemans mit und zählt die Nachteile von Neuaufschlüssen auf: hohe Investitionskosten für den Aufbau der Infrastruktur, die Schaffung neuer Betroffenheiten bei Anwohnern, „wohingegen bei bestehenden Abgrabungen Anwohner und Gewinnungsbetriebe in der Regel zu einem guten nachbarschaftlichen Verhältnis gefunden haben“ sowie eine hohe Umweltbelastung durch längere Anfahrtszeiten.
Der Regionalplan weist laut RVR noch immer einen Überhang von Erweiterungsflächen im Vergleich zu Neuaufschlüssen aus. „Der Regionalplan Ruhr legt für Kies/Kiessand zwölf Abgrabungsflächen als Erweiterungen mit einer Fläche von 568 Hektar fest. Zusätzlich werden fünf Abgrabungsflächen als Neuaufschlüsse mit einer Fläche von 364 Hektar festgelegt“, teilt der RVR auf Nachfrage mit. Und nur wenn eine Erweiterung nicht mehr möglich sei, würden Neuaufschlüsse festgelegt.
Vor allem aber die geografische Lage der Flächen führt laut Holemans zum ökologischen Ungleichgewicht. Durch die Konzentration neuer Flächen im Südwesten des Kreises Wesel finde die Versorgung „der wichtigen Beton-Werke des Westmünsterlands und des nördlichen Ruhrgebiets“ keine Berücksichtigung, so Holemans. Vielmehr werde die neue räumliche Situation „kurz- bis mittelfristig dazu führen, dass ein Teil der Kunden im Plangebiet nicht mehr beliefert werden kann, wenn die im Nord-Osten aktuell betriebenen Anlagen auslaufen“. Diese Verlagerung führe zu einem erhöhten Transportaufwand von etwa 30 bis 40 Kilometer pro Tour.
Strunk: Flächenanträge noch in diesem Jahr
Hülskens-Geschäftsführer Christian Strunk bestätigt im Gespräch mit der Redaktion die Abgrabungspläne für die Flächen in Rheinberg-Millingen und in Neukirchen-Vluyn an der Halde Norddeutschland. Die Fläche in Alpen-Drüpt werde man dagegen eventuell später in den Blick nehmen wollen. Für die beiden anderen Flächen sollen laut Strunk nach Möglichkeit noch in diesem Jahr Anträge auf Abgrabung auf den Weg gebracht werden. Grundsätzlich werde es aber noch lange dauern, bis an den Flächen die Bagger anrollen. Realistisch, so Christian Strunk, seien „vier bis fünf Jahre“.
Die Umweltfolgen daraus erklärt Holemans anhand einer ziemlich drastischen Beispielrechnung: Allein die Versorgung von vier Kunden im nördlichen Ruhrgebiet und im Westmünsterland, die aktuell vom Standort Wesel aus beliefert würden, führten zu jährlich knapp „500.000 Mehr-Kilometern also zu einem zusätzlichen Ausstoß von circa 1500 Tonnen CO2 pro Jahr“, wenn diese beispielsweise von Kamp-Lintfort aus beliefert werden müssten.
Auch Hülskens-Geschäftsführer Christian Strunk sieht ein Abrücken der Abgrabungsflächen vom Rhein als wichtigen Transportweg. Letztlich aber sei der gesamte Regionalplan ein Kompromiss und der „Prozess ohnehin schon schwierig genug“ gewesen. Und er wird sich bekanntlich noch fortsetzen. Darüber ist sich auch Christian Strunk im Klaren, der davon ausgeht, dass es in dem Verfahren vor dem OVG nicht nur um den Teilbereich Kies gehen wird. Am Ende des Verfahrens werde es darauf hinauslaufen, ob der gesamte Regionalplan Gültigkeit besitze oder nicht.