Kreis Wesel. Es ist Erkältungszeit und die Arztpraxen im Kreis Wesel sind voll. Zieht das Infektionsgeschehen nach den Karnevalstagen noch mal an?
- Die Arztpraxen im Kreis Wesel sind derzeit voll, wie jedes Mal im Winter, berichtet Dr. Reinhard Spicker, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung im Kreis Wesel
- Und jetzt stehen auch noch die Karnevalstage bevor. Zuletzt zog das Infektionsgeschehen dann an
- Corona, Grippe, RS-Virus: Kreisgesundheitsamt und Ärzte berichten, welche Erkrankungen derzeit dominieren
Krankheitserreger haben in dieser Jahreszeit bekanntlich leichtes Spiel. Es ist in der Regel noch kalt und ungemütlich, das Immunsystem ist nicht so gut in Schuss wie in den Sommermonaten. Und dann wird in den kommenden Tagen beim Karneval auch noch kräftig geschunkelt und in geschlossenen Räumen ausgelassen gefeiert. Erfahrungsgemäß dürften danach noch mehr verschnupfte Menschen in die Apotheken kommen, vermutet Nils Hagedorn, Sprecher der Apotheker in Wesel und Umgebung. Dr. Reinhard Spicker, HNO-Arzt aus Moers und Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung im Kreis, sieht das Risiko bei Veranstaltungen im Saal, weniger beim Straßenkarneval – und Unterschiede je nach Region.
Doch wie liest sich die aktuelle Krankheitswelle im Kreis Wesel in Zahlen? Meldepflichtig ist zum Beispiel der direkte Nachweis von Influenza- sowie Coronaviren. In der aktuellen Grippesaison – sie dauert von Anfang Oktober 2023 bis April/Mai 2024 – sind dem Kreisgesundheitsamt bis Ende Januar 285 Fälle gemeldet worden, im gleichen Zeitraum im Vorjahr waren es allerdings noch deutlich mehr: 654 Fälle. Insgesamt stieg die Zahl bis zum Ende der vergangenen Grippesaison im Kreis auf 824 Erkrankungen. „Da nur der direkte Erregernachweis bei Influenza meldepflichtig ist, wird die Anzahl der wirklichen Influenzafälle deutlich unterschätzt“, ordnet das Gesundheitsamt ein. Nicht jeder gehe auch zum Arzt.
Coronavirus: Zahlen längst nicht so hoch wie im vergangenen Jahr
Das Kreisgesundheitsamt beobachtet in den vergangenen Wochen allerdings einen kontinuierlichen Anstieg der Grippeerkrankungen. Waren es im Dezember noch 31 Fälle, so wurden im Januar 204 registriert. Nicht ungewöhnlich: „Der Anstieg der Inzidenzen nach dem Jahreswechsel konnte auch in allen Vorjahren beobachtet werden und geht wahrscheinlich auf die wieder vermehrten Kontakte nach den Feiertagen und Ferien zurück und war erwartbar“, heißt es in einer Antwort aus der Pressestelle.
Anders sieht es beim Coronavirus aus, das in diesem Jahr eine weniger wichtige Rolle zu spielen scheint: Im vergangenen Dezember wurden 739 Fälle gemeldet, im Januar waren es 137. Deutlich höher lagen die Fallzahlen im Vergleich dazu im Vorjahr, zeitweise sogar noch im fünfstelligen Bereich (Dezember 2022: 10.665, Januar 2023: 4115). „Corona geht mit in das normale Infektionsgeschehen über“, so der Eindruck von KV-Sprecher Dr. Spicker. Die Menschen seien sehr selbstständig, „sie machen einen Test und kommen nur zum Doktor, wenn es schlimm ist“.
Typisch für die Wintermonate: Arztpraxen im Kreis Wesel sind voll
Das ist auch gut, denn die Arztpraxen in der Region seien „zu bis über beide Ohren“, ganz typisch für das erste Quartal. So komme es auch vor, dass kranke Kinder die HNO-Praxis aufsuchten, weil es schwierig sei, einen Termin beim Kinderarzt zu bekommen, denn auch die seien am Limit, sagt Dr. Spicker. Was ihm auffällt: Es dauere oft, bis die Infekte abheilten. Es helfe nur das wärmere Wetter. Und ebenfalls eine Herausforderung für die Mediziner: die fehlenden Medikamente.
Auch interessant
Eine große Rolle bei den Kinderkrankheiten spielt erneut das RS-Virus, für die Mediziner nicht neu, aber „in dieser und der vergangenen Saison mit echt schweren Verläufen“, berichtet Dr. Christian Schmidt, Chefarzt für Kinder- und Jugendmedizin am St. Vinzenz-Hospital in Dinslaken. Es treffe insbesondere die ganz Kleinen und Neugeborenen. Die Folge: Manche Kinder mussten zuletzt stationär beatmet werden, und nicht insbesondere die Frühgeborenen oder Kinder mit Herzfehler, „sondern welche, die ansonsten gesund waren“. Häufig haben Kinder laut Robert-Koch-Institut Fieber, betroffen sind zunächst die oberen Atemwege ehe sich die Erkrankung auf die unteren Atemwege ausweiten kann. Wann das RS-Virus aufkomme, sei ganz unterschiedlich – mal im September, mal im Dezember. Hilfreich sind für den Mediziner bei aufkommenden Infektionswellen die Erfahrungen und Beobachtungen im Ausland, „mit Corona haben wir den Blick international ausgeweitet“, betont er das Nutzen.
Ansonsten spiele auch die Grippe eine Rolle – aktuell insbesondere Typ A. Mit Blick auf die Therapie unterscheide sie sich nicht so stark vom RS-Virus. Ein Antoibiotikum werde nicht verabreicht, anders sei das bei den bakteriellen Erregern, in diesem Jahr hierbei auffällig: Atemwegserkrankungen, die durch Mykoplasmen ausgelöst werden und mitunter langwierig verlaufen, da das Antibiotikum nicht sofort anschlage, so Dr. Schmidt. Immerhin: Aktuell klinge die Krankheitswelle etwas ab.