Kreis Wesel. Abwassermonitoring ist hilfreich bei der Einschätzung der Pandemie-Lage. Auch im Kreis Wesel findet das statt. Es geht aber nicht nur um Corona.

Seit Beginn der Corona-Pandemie geht es um Daten und Zahlen, die etwas über das Infektionsgeschehen aussagen, um entsprechend zu handeln. Wann trifft uns die nächste Welle? Wo sind Hotspots? Gibt es neue Virusvarianten? In diesem Zuge haben Begriffe wie Sieben-Tage-Inzidenz und Hospitalisierungsrate Einzug erhalten, doch wie aussagekräftig sind diese Werte überhaupt noch, zumal inzwischen längst nicht mehr so viel getestet wird?

Antworten können Betreiber der Kläranlagen liefern – denn in Ausscheidungen, die ins Abwasser fließen lässt sich das Virus nachweisen. Sogar frühzeitig. Amtsärzte forderten daher kürzlich einen flächendeckenden Einsatz. In anderen europäischen Ländern wird dieses Verfahren schon angewandt. Auch die Wasserwirtschaft im Kreis Wesel hat schon erste wichtige Erkenntnisse gesammelt, es laufen dazu Projekte.

Viruslast und Variantenbestimmungen: Dazu laufen Projekte im Kreis Wesel

Bei Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV), die rechtsrheinisch Kläranlagen betreiben, sind das derzeit genau drei. Im Fokus der Forschung stehen unter anderem zwei Kläranlagen aus Dinslaken – die Anlage Emscher-Mündung an der Grenze zu Duisburg und Oberhausen und die Anlage im Hagenbezirk. Letztere ist eine von 20 Pilotstandorten deutschlandweit – die Kernfrage hier: Wie hoch ist die Virenlast und somit das Infektionsgeschehen?

Denn in Dinslaken kann das Abwasser sehr lokal der Stadt und ihren Einwohnern zugeordnet werden. Zwei Mal die Woche werden dafür Proben genommen, das Coronavirus ist zwar darin nachweisbar, aber nicht mehr ansteckend. Die Daten werden laut Angaben von EGLV in einem hausinternen Labor ausgewertet. „So sind wir in der Lage, die Ergebnisse in weniger als 16 Stunden vorliegen zu haben“, sagt Pressesprecher Ilias Abawi.

In der Kläranlage Moers-Gerdt der Lineg wurden 2020 Untersuchungen zur Virenlast im Abwasser durchgeführt.
In der Kläranlage Moers-Gerdt der Lineg wurden 2020 Untersuchungen zur Virenlast im Abwasser durchgeführt. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Zwei weitere Projekte von Emschergenossenschaft und Lippeverband zielen derweil vor allem auf die Sequenzierung ab: Mit welcher Variante haben wir es derzeit zu tun und welchen Anteil macht sie aus? Bei Emschergenossenschaft und Lippeverband ist so der erste Omikron-Subtyp festgestellt worden, wie Abawi berichtet. Erstes Fazit aller Projekte: „Wir sehen, dass es grundsätzlich eine gute Korrelation zwischen Virenlast und Infektionsgeschehen gibt“, so Abawi, der auch auf die inzwischen eingetretene Corona-Testmüdigkeit verweist.

Lineg: Infektionsgeschehen sogar stadtteilscharf nachweisbar

Auch die Linksrheinische Entwässerungs-Genossenschaft (Lineg) hat das Abwassermonitoring mit PCR-Technik auf der Agenda. Bei einer Studie 2020 sei in Kooperation mit der Rheinisch-Westfälischen-Technischen Hochschule in Aachen die Machbarkeit dieser Analyse in der Kläranlage Moers-Gerdt im Vergleich zu anderen Anlagen in NRW untersucht worden, sagt Laborleiter Dr. Fabian Itzel.

Was zwar 2020 nicht untersucht wurde, aber machbar ist: Diese Moerser Anlage verfüge über gute Zwischenstationen, so lasse sich das Infektionsgeschehen gar Stadtteilen zuordnen. Noch habe die Lineg kein eigenes Labor, um das PCR-Verfahren durchführen zu können. „Das wollen wir aber machen“, sagt Dr. Itzel. Zusammen mit der Hochschule Rhein-Waal werde ein Förderantrag vorbereitet.

Lineg sowie Emschergenossenschaft/ Lippeverband betonen, dass es bei diesen Untersuchungen nicht allein um das Coronavirus geht: Die PCR-Technik im Abwasser biete vielfältige Einsatzmöglichkeiten, so Dr, Itzel. Es geht auch um Prävention: „Das kann Modell für etliche andere Krankheiten und Viren sein“, sagt Ilias Abawi, der deswegen auch vom „gesundheitsbasierten Abwassermonitoring“ spricht.

Die Wasserwirtschaft, die bei diesem Thema im engen Austausch ist, würde gern die Infrastruktur für solche Verfahren aufbauen, die Methoden etablieren. Es geht aber auch um die Frage nach Organisation und Finanzierung. Abawi spielt den Ball daher auch weiter: „Die Politik und der gesamte Gesundheitssektor sind gefragt.“