Kreis Wesel. Neue Bioabfallanlage verwandelt Küchenreste in Energie und Kompost – nachhaltige Abfallwirtschaft im Kreis Wesel. Ein Rundgang.
Aus Grünabfall wird hochwertiger Kompost – das war bislang am Asdonskhof Standard. Nun aber geht es daran, zusätzlich Strom und Wärme aus der Biotonne zu produzieren. An der neuen, 40 Millionen Euro schweren Bioabfallbehandlungsanlage sind die Tage der Reden, Häppchen und Empfänge jetzt vorüber, der schmutzige Alltag wird getestet. Obwohl: Eigentlich geht es recht sauber zu, wie ein Rundgang zeigt.
Mike Karasch-Egelhof ist der Verantwortliche für die neue „Teilstromvergärungsanlage“ am Standort Kamp-Lintfort, und der Mann strahlt Begeisterung für diese moderne Art der Kreislauf-Abfallwirtschaft aus. Die Anlage hat die Kaltinbetriebnahme hinter sich, erläutert er, sie lief ganz ohne Müll. Die Warminbetriebnahme neigt sich dem Ende entgegen. Hier wird schon mit echtem Material aus den Biotonnen gearbeitet, nur mit geringeren Mengen. Aktuell, erläutert Karasch-Egelhof, geht es noch darum, ob die Anlage so funktioniert, wie sie bestellt ist. Demnächst beginnt der eigentliche Probebetrieb unter Alltagsbedingungen.
Es ist Winter, das zeigt sich auch in der großen Anlieferhalle: Hier bringen die Lkw aus den Kreisen Wesel und Viersen aktuell mehr Küchen- als Grünabfälle, die Gartenzeit hat noch nicht begonnen. Lkw fahren vor, werden gewogen, laden ab und Mitarbeiter schauen nach allem, was nicht in den Biomüll gehört. Fremdstoffe würden die Qualität des Kompostes mindern, denn: Der wird am Asdonkshof nach wie vor hergestellt und ist zertifiziert.
Problem kompostierbares Plastik: Die Tüten stören in der Anlage nur
Es riecht nicht unangenehm in der Halle, aber es ist sehr warm. Sobald sich eines der riesigen Tore öffnet, rauscht eine Luftschleuse, etwaige Gerüche sollen nicht nach außen dringen. Kaum abgeladen, bringen Mitarbeiter die Abfälle per Radlader auf ihren Weg. Der ist nicht kompliziert, dennoch eher etwas für Technikinteressierte, wie Karasch-Egelhof es allein durch seinen Beruf ist. Diverse Kameras überwachen die Halle, der Biomüll entwickelt enorme Wärme, Feuer soll nicht entstehen. Und falls doch, sofort entdeckt werden.
Ein zentrales Element der Anlage ist der Einwellenzerkleinerer. So wichtig, weil das Gerät nicht einfach mit Gewalt alles schreddert, was des Weges kommt: Das würde die Behandlung des Bioabfalls eigentlich vereinfachen. Doch Menschen werfen alles Mögliche in die braune Tonne. „Wir wollen nicht, dass die Anlage Plastiktüten zerkleinert“, erläutert Karasch-Egelhof. Das würde das Material unbrauchbar machen. Und ein Blick zeigt: Hier gibt es jede Menge Plastik, in der Regel kostspielige Tüten aus angeblich kompostierbarem Kunststoff, für recht viel Geld gekauft von Menschen, die alles richtig machen wollen. Hier am Asdonkshof ist das nur Störstoff, Bioplastik braucht sehr lange, um sich zu zersetzen. Zu lange für solche Anlagen. Wer seine Küchenabfälle nicht lose in die Tonne geben möchte, sollte sie mit Zeitungspapier umwickeln. Das kompostiert schnell, empfiehlt die Kreis Weseler Abfallgesellschaft (KWA).
Das Material geht seinen Weg. Unter dem Magnetabscheider hindurch – eine schöne Fundgrube für Gartenscheren und -schüppen – um über ein Förderband im Sternsieb zu landen. Das sortiert aus. Ist das Material bis zu 60 Millimeter dick, bis zu 100 oder gar darüber?
Mikroorganismen verwandeln Küchenabfälle in Gas
Rund um die Uhr holt sich ein Kran ganz automatisch das feinste Material und hievt es in einen Trichter. Und hier beginnt die moderne Abfalltechnik: Via Transportband wandern die schimmelig gewordene Mandarinen oder die vergammelten Nudeln in den Fermenter, Herzstück der Anlage, hier wandeln Mikroorganismen Müll in Gas um.
1800 Kubikmeter Biomüll werden mit Wasserzugabe zu einer breiigen Masse, Kuhfladen nicht unähnlich, wie ein Blick in die Anlage zeigt. Die Bakterien, die die ganze Arbeit vom Müll zum Gas leisten, mögen es kuschelig warm. 55 Grad herrschen in der rundum geheizten Kammer. Und dort zeigt sich schnell, was die winzigen Organismen leisten: Es blubbert, Gas tritt aus. Riesige Rührmaschinen helfen dabei, das Gas wird abgesaugt, entschwefelt, durchläuft eine weitere Aufbereitung und wird dann in zwei Blockheizkraftwerken (BHKW) zu Strom.
18 bis 21 Tage dauert dieser Prozess, die fleißigen Bakterien, die ihn in Gang setzen, kommen ganz ohne Sauerstoff aus. Die Wärme, die die BHK neben dem Strom produziert, heizt die Bürogebäude und die Rottetunnel, in denen Kompost entsteht.
Was übrig bleibt, sind Gärreste. Sie stellen die Anlage vor neue Herausforderungen, denn sie sind eine feste Pampe. Kompost aber muss luftdurchlässig sein. Und wieder kommt eine Maschine mit herausfordernder Bezeichnung zum Einsatz: Das Tunneleintragsgerät mischt die Gärreste aus dem Fermenter mit dem gröberen Bioabfall aus der Anlieferhalle, sodass in den 18 Rottetunneln binnen vier Wochen gut durchlüfteter Kompost entstehen kann. 14 Mitarbeitende sorgen im Schichtbetrieb dafür, dass das moderne Werk funktioniert.
67.500 Tonnen Bioabfall aus zwei Kreisen werden zu Strom und Kompost
Ausgelegt ist es laut KWA auf 67.500 Tonnen Bioabfall jährlich. 35.000 davon kommen aus dem Kreis Viersen, 32.500 aus dem Kreis Wesel. Der Fermentierer wird mit 23.000 Tonnen im Jahr gefüttert, um Abfall in Gas zu verwandeln, dast dann verstromt wird, die KWA rechnet mit rund sechs Millionen Kilowattstunden jährlich. Damit können rund 4000 Menschen ihren Strombedarf decken.