Kreis Wesel. Vier Tage arbeiten bei gleicher Bezahlung, das wollen immer mehr Menschen. Doch setzen die großen Firmen im Kreis wie Bonita oder Altana es um?
81 Prozent der deutschen Arbeitnehmer wünschen sich die Vier-Tage-Woche, das geht aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem vergangenen Jahr hervor. Die Beratungsagentur Intraprenör bereitet in Zusammenarbeit mit der neuseeländischen Initiative Day Week Global jetzt „Deutschlands größtes Experiment zur Vier-Tage-Woche“ vor. Ein Modell auch für die Unternehmen im Kreis Wesel?
Kreis Weseler Unternehmen äußern sich zur Vier-Tage-Woche
„Wir beobachten die Entwicklungen zur Vier-Tage-Woche und sind bei Bonita grundsätzlich offen für neue Arbeitszeitmodelle“, heißt es von dem Hamminkelner Einzelhandelsunternehmen. Jedoch wird die Umverteilung der Arbeitsstunden kritisch beäugt, denn die Arbeitszeit des wegfallenden Tages müsse nun auf vier Tage verteilt werden, sagt das Unternehmen. Das bedeutet: „Für die Beschäftigten hätte dies deutlich längere Arbeitszeiten pro Tag zur Folge. Pauschal gesehen wäre dies sicher nicht für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine attraktive Option“, so Bonita. Längere Arbeitszeiten seien beispielsweise mit familiären Verpflichtungen schwierig zu vereinbaren.
Außerdem wäre die Einführung einer Vier-Tage-Woche mit höheren Personalkosten verbunden, so das Unternehmen. „Denn wir müssten entweder mehr Personal einstellen oder die Öffnungszeiten in den Stores reduzieren.“ Generell sei es für Unternehmen ohnehin derzeit schwierig, gute und qualifizierte Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt zu finden, so Bonita weiter.
Norgren: Ja, zu einer flexibleren Vier-Tage-Woche
Ebenfalls skeptisch blickt das Unternehmen Norgren in Alpen auf das Konzept der Vier-Tage-Woche. Der Entwickler für Antriebs- und Fluidtechnik erläutert seine Skepsis wie folgt: „Bei unseren Kunden steht neben Preis (Kosten) und Qualität auch immer mehr ein erweiterter Service im Fokus. Es gibt schon Marktbegleiter, die bei Bestellung am Sonntag bis 17 Uhr bereits am folgenden Montag zum Kunden ausliefern.“ Von daher sehe man eine grundsätzliche Reduzierung der Betriebsnutzung auf vier Tage in der Woche als undenkbar an.
„Ferner setzen wir in unseren Produktionsprozessen sehr kapitalintensive Betriebsmittel ein, die ihren Beitrag zum Unternehmensprofit in Abhängigkeit der Einsatzzeit erwirtschaften“, lautet das kompliziert klingende Argument von Norgren. Einfach formuliert heißt das: Es würden teure Geräte genutzt, deren Produktivität von der Dauer ihrer Nutzung abhängt. „Dieser Sachverhalt erfordert unserer Überzeugung nach eher eine Ausweitung der Betriebsnutzung denn einer Reduzierung“, so das Unternehmen weiter.
Norgren käme mit einer flexibleren Version der Vier-Tage-Woche besser zurecht: „Unter den oben genannten Aspekten sehen wir eine Vier-Tage-Woche als Möglichkeit, Arbeitszeit in allen Bereichen flexibler zu gestalten, zum Beispiel mit zusätzlichen Ausgleichstagen“, heißt es.
Keine Vier-Tage-Woche bei der Kreisverwaltung
„Generelle Regelungen für eine Vier-Tage-Woche stehen in 2024 nicht auf der Agenda, wobei die Kreisverwaltung die allgemeinen Entwicklungen und Erfahrungen hierzu im Arbeitsmarkt beobachtet“, heißt es von der Kreisverwaltung Wesel auf Anfrage. Diese sehe, aufgrund bereits bestehender vielfältiger und weitreichender sowie flexibler Arbeitszeitregelungen, keinen Bedarf, die Vier-Tage-Woche einzuführen.
Altana über die eigenen Arbeitsverhätnisse
Das Entwicklungs- und Produktionsunternehmen für Chemie-Produkte Altana in Wesel hat sich nicht direkt zur Vier-Tage-Woche geäußert, jedoch eine Beschreibung der eigenen Arbeitsverhältnisse geliefert. „Altana bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, um Berufliches und Privates zu vereinbaren“, so das Unternehmen. Dabei orientiere sich das Angebot an den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Flexible Arbeitszeitmodelle, wie beispielsweise das Arbeiten in Teilzeit oder die Nutzung von Gleitzeit, biete das Unternehmen seit Längerem seinen Mitarbeitern an. Auch mobiles Arbeiten sei möglich, soweit die Arbeitsinhalte eine Präsenz am Standort nicht voraussetzen. „Das mobile Arbeiten als weiteres Instrument der Flexibilisierung wird sehr gut angenommen“ so Altana.
Vier-Tage-Woche nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich
Eine Vier-Tage-Woche kann laut Unternehmerverband nur unter folgenden Voraussetzungen funktionieren: „Die Unternehmen müssen die Organisation der Arbeitszeit so gestalten können, wie es für die betrieblichen Erfordernisse – insbesondere eine optimale Betriebsnutzungszeit – am besten ist.“ Hierzu würden gleichmäßige Auslastung der Anlagen, eine schnelle Lieferfähigkeit oder das Erbringen von Dienstleistungen zu festen Zeiten, etwa im Einzelhandel gehören.
Pilotprojekt Vier-Tage-Woche
Klar ist: Laut Umfragen des Marktforschungsunternehmens Ipsos aus dem Jahr 2022 fühlt sich eine Mehrheit der Deutschen regelmäßig gestresst. Ebenso klagen viele Berufsbranchen über einen Fachkräftemangel. Mit der Vier-Tage-Woche soll dem entgegengewirkt werden. Doch bevor das Konzept kollektiv in Deutschland eingeführt wird, soll es in einem Zeitraum von sechs Monaten getestet werden.
Dafür konnten sich vom 1. September bis 30. November 2023 Unternehmen aus ganz Deutschland für die Teilnahme an der Studie anmelden. Seit Dezember 2023 und bis Ende Januar diesen Jahres laufen die Planungsphase sowie die Einarbeitung (Onboarding). Ab Februar geht es bis August in die sechsmonatige Testphase, in der die Unternehmen eine Arbeitnehmer-Gruppe ihrer Wahl vier Tage in der Woche arbeiten lassen, bei gleichem Lohn.