Hamminkeln. Bonita ist nach einer Sanierung auf einem stabilen Weg. Geschäftsführer Karsten Oberheide spricht im NRZ-Interview über Pläne für die Zukunft.
Die Modefirma Bonita mit Sitz in Hamminkeln blickt nach einigen schwierigen Jahren wieder optimistisch in die Zukunft. Mit Oliver Mölls hat das Unternehmen jüngst einen absoluten Finanzexperten ins Boot geholt. Bei der Ausrichtung der Unternehmensstrategie will sich Bonita wieder auf alte Stärken konzentrieren. NRZ-Redakteur Christian Schyma sprach mit Geschäftsführer Karsten Oberheide über den Standort, die Neuausrichtung auf dem Markt und künftige Ziele.
Herr Oberheide, viele Hamminkelner fahren tagtäglich am großen Bonita-Gebäude vorbei. Erklären Sie doch mal, was in dem Gebäude genau passiert, wie viele Mitarbeiter arbeiten dort gerade?
Karsten Oberheide: Das große Gebäude dort ist unser Logistikgebäude, im Jahre 2010 als Hochregallager gebaut. Es war damals und ist auch heute noch eines der modernsten Logistikzentren, die es in Deutschland gibt, mit viel automatisierter Technik. In dieser Halle wird jegliche Ware angeliefert, das sind um die vier Millionen Teile im Jahr, die dann an die Stores verteilt werden. Etwas weiter befindet sich unser Headquarter, die Verwaltung mit Design, Einkauf, Vertrieb und Marketing - quasi die Ideenschmiede. Alle Kollektionen entstehen dort. Hier arbeiten etwa 120 Mitarbeiter, im Logistikzentrum 45. Produziert hingegen wird in Asien und der Türkei.
Wie viele Filialen gibt es derzeit, wurde die Zahl verringert auch im Blick auf den Ausbau des Online-Handels? Welchen Anteil hat der heute?
Wir haben zurzeit 500 Verkaufspunkte, so genannte Point of Sales. Dazu zählen unsere rund 450 eigenen Stores in Deutschland, Österreich, der Niederlande und in der Schweiz, die wir selbst betreiben. Ein Franchisesystem nutzen wir nicht – wir wollen den direkten Kontakt zu unseren Kundinnen. Zudem haben wir noch 45 so genannte Concessions-Flächen bei Galeria Kaufhof, also eigene Flächen im Bereich des Kaufhauses, die wir im Übrigen auch mit eigenen Mitarbeitern betreiben. Dieses Verkaufsmodell bauen wir derzeit auf andere Waren- und Modehäuser aus. Im Vordergrund steht bei uns immer der direkte Kontakt zu den Kundinnen, der soziale Austausch. Im kommenden Jahr wollen wir 25 neue Stores eröffnen. Für uns ist der stationäre Handel nach wie vor immer ein Ankerpunkt. Wir müssen aber nicht in der 1a-Lage sein, sondern konzentrieren uns mehr auf die mittleren Stadtlagen – wir suchen die Nähe zu unseren Kundinnen, wir sind nah ... Wir haben vor zwei Jahren einen neuen Online-Shop implementiert. Derzeit beträgt der Umsatz im Onlinegeschäft etwa fünf Prozent des Gesamtumsatzes, aber mit deutlich steigender Tendenz. In den nächsten drei Jahren peilen wir zehn Prozent als Ziel an. Aber der stationäre Einzelhandel bleibt unser Hauptstandbein.
Mit welchen entscheidenden Veränderungen konnte die Firmenleitung die wirtschaftlichen Probleme beheben, gerade während der schwierigen Corona-Zeit?
Bonita ist eine Traditionsmarke, ist seit über 50 Jahren am Markt. Davon waren 40 Jahre sehr erfolgreich. Alle Stores waren mit um die 100 Quadratmeter etwa gleich groß, alles war sehr strukturiert. Nach dem Verkauf sind einige strategische Fehlentscheidungen getroffen worden. Man hatte das Qualitätsniveau verändert, billiger eingekauft, die Passform geändert und sich auf jüngere Kundinnen konzentriert. Aber die bisherigen Kundinnen fühlten sich nicht mehr angesprochen und die jüngeren Kundinnen blieben aus. Wir hatten kein Marken- oder Kundinnenproblem, sondern ein Produktproblem. Die Krise begann 2015/2016. Wir haben nach eingehender Analyse und der Planinsolvenz die Fehler korrigiert und den Fokus wieder auf die Best Ager ab 50 gelegt, die wir vernachlässigt hatten. Bei der Restrukturierung haben wir einige Stores geschlossen. Bei dem gelungenen Neustart wollen wir wieder ein Heimatpunkt in der Stadt sein. Unsere Kundinnen legen Wert auf Qualität, auf Passform und haben eine hohe Loyalität.
Es gab eine Insolvenz in Eigenverwaltung. Warum hat die Geschäftsführung diesen Weg gewählt?
Bei dem gewählten Weg der Eigenverwaltung behalten wir den Hut auf und haben die Kontrolle über das Unternehmen. Dennoch können wir die Instrumente des Insolvenzrechts nutzen und sanieren. Wir haben in dieser Phase die Chance wahrgenommen und haben rigoros saniert. Wir sind unser Filialportfolio durchgegangen und haben uns im Zweifel auch gegen einen Store entschieden. Ziel war, dass wir uns stabil und robust aufstellen wollten, um in Zukunft neu durchzustarten. Dazu mussten wir uns frei von verlustträchtigen Posten machen und den positiven, profitablen Kern behalten. Wir haben stets unser Ziel und ein klares Fortführungskonzept vor Augen gehabt. Denn wir waren und sind überzeugt, dass Bonita mit diesem Geschäftsmodell profitabel ist.
Sie haben mit Oliver Mölls einen neuen Finanzexperten an Bord geholt. Welche besonderen Aufgaben hat er?
Das ist eine Nachbesetzung. Wir hatten das große Glück, einen Finanzexperten zu gewinnen, der seit mehr als 20 Jahren Erfahrung im Textileinzelhandel hat. Mit ihm können wir die nächste Stufe gehen - uns wieder auf das Wachstum und die Expansion konzentrieren. Und es ist ein Zeichen dafür, dass Bonita auch als Arbeitgeber wieder attraktiv ist. Er verantwortet das Thema Finanzen, IT und Logistik. Mit ihm sind wir sehr froh, er kennt das Business dank seiner langjährigen Mitarbeit bei Galeria Kaufhof in- und auswendig.
Das Thema Nachhaltigkeit nimmt eine immer größere Rolle ein – wie sieht das bei Bonita aus?
Wir stecken da noch in den Kinderschuhen. Aber wenn man in der Restrukturierung war und einem das Wasser bis zum Hals steht, macht ein Unternehmen viele andere Dinge, aber man kümmert sich nicht als erstes um Nachhaltigkeit, das muss ich offen zugeben. Allerdings haben wir im letzten Jahr angefangen, uns intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Das reicht von Müllvermeidung in der Logistik, im Transport bis hin zu festen Vereinbarungen mit den Lieferanten. In 2024 wird das Thema für uns eine deutlich größere Rolle spielen.
Welche Faktoren werden in den kommenden Jahren entscheidend sein, um sich auf dem Markt zu behaupten? Ist das Unternehmen wieder gesund?
Wir sind auf einem guten Weg. Ich bin sehr stolz darauf, was wir – das ganze Bonita-Team – in den letzten zweieinhalb Jahren geschafft haben und wo wir mit dem Unternehmen im Vergleich zu vielen anderen Mitbewerbern stehen. Wir haben eine stabile Grundlage, eine ausreichende Liquidität, benötigen keine Kredite und können so selbstständig in unseren Entscheidungen bleiben. Auf diesem guten Fundament wollen wir weiter aufbauen. Wir haben alle gelernt, dass es immer neue Herausforderungen gibt, dass sich die Welt immer schneller dreht, weiter dreht, dass es Inflation, den Ukraine-Krieg gibt. Letztlich wollen wir einen Bonita-Boom erzielen, eine Bonita-Welt kreieren, dass die Kundin gerne zu uns kommt, auch wenn die Welt draußen nicht so schön ist. Wichtig wird sein, künftig die passenden Fachkräfte zu finden. Wir könnten bereits heute sicherlich mehr Stores eröffnen, aber die Mitarbeitersuche ist eine große Herausforderung. Wir schauen uns übrigens auch Standorte an, die wir zuvor geschlossen hatten, weil an manchen Standorten die Höhe der Miete nicht zu den Umsätze vor Ort passte und die Vermieter nun die Mieten aufgrund neuer Rahmenbedingungen realistischer einschätzen.
Es gibt im Gewerbegebiet in Hamminkeln einige Veränderungen, auch auf der Fläche jenseits der Autobahn 3. Hat auch Bonita Pläne für eine Expansion/Veränderung am Standort?
Wir kennen die Pläne und freuen uns für die Stadt, aber wir selbst haben vor Ort keine Expansionspläne, da wir mit den Flächen, die uns zur Verfügung stehen, zufrieden sind. Das Logistikzentrum und Headquarter sind für uns groß genug. Wir sind in Deutschland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz vertreten und wollen da noch weitere Stores eröffnen und expandieren. Der Expansionsplan umfasst alle vier Länder. Speziell in Österreich und der Schweiz ist die Steigerung des Umsatzes derzeit am größten.
Hintergrund zum Unternehmen: Das ist Bonita
Im Jahre 1989 zog Bonita von Bocholt nach Hamminkeln. 2010 wurde am Standort das neue Logistikzentrum in Betrieb genommen. 2012 übernahm Tom Tailor die Marke Bonita von Barbara und Günter Biegert. Ende 2016 gab Interimsvorstand Heiko Schäfer bekannt, dass bis Jahresende 2017 insgesamt 300 Bonita- und Tom-Tailor-Filialen im In- und Ausland geschlossen werden sollten. Ende 2020 übernahmen der seit 2018 bei Bonita tätige Geschäftsführer Karsten Oberheide und ein Investorenteam Bonita im Rahmen eines Management-Buy-Outs, trennten sich von Tom Tailor. Die neuen Eigentümer führten eine Insolvenz in Eigenverwaltung durch. Heute hat Bonita 450 eigene Stores und rund 50 Verkaufsflächen in großen Modehäusern, so genannte Shop in Shops.