Kreis Wesel. Beleidigungen und Übergriffe nehmen nicht zu, Anspruchshaltung und Anmaßung gegenüber Polizei und Feuerwehr dagegen sehr wohl.
Fast jeder Zweite und jede Zweite bei der Freiwilligen Feuerwehr war laut einer Umfrage des Deutschen Feuerwehrverbandes bereits Gewalt ausgesetzt. Verbal, mitunter aber auch körperlich. Erfahrungen, die auch Polizisten, hauptamtliche Feuerwehrleute und Mitarbeiter der Rettungsdienste im Kreis Wesel mitunter machen. Auch der Umgangston ist ruppig geworden, und das nicht erst neuerdings.
Polizei rät: Beleidigungen unbedingt zur Anzeige bringen
Björn Haubrok, Pressesprecher der Kreispolizei Wesel, umschreibt die Lage so: „Ältere Kollegen erinnern sich daran: Früher, wenn die Polizei auf dem Bild erschien, trat Ruhe ein.“ Das sei heute längst nicht mehr so. „Im Dienst beschimpft und bespuckt zu werden, das kommt vor“, sagt er. Jüngster unrühmlicher Tiefpunkt dürfte das „Scheiß-Bullen-Ausländer-Schwein“ sein, das sich ein Polizeibeamter am 14. Dezember in Moers von einem betrunkenen 31-Jährigen anhören musste. Wer so mit Ordnungshütern umgeht, muss sich auf Ärger einstellen, „wir bringen alles konsequent zur Anzeige und empfehlen das der Feuerwehr und den Rettungsdiensten auch“, sagt Haubrok. Die Polizeistatistik verzeichnet über die Jahre einen stetigen leichten Anstieg der Übergriffe, im Jahr 2022 sind 143 Anzeigen geschrieben worden, 2013 und 2015 waren es noch 95.
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Aktenkundig sind solche Fälle beispielsweise bei der Berufsfeuerwehr in Moers ganze drei Mal im vergangenen Jahr. Das ist nur die offizielle Statistik. Zeigen die Retter die Beleidigungen an? Zeigen die Retter die Beleidigungen an? Christoph Rudolph, Leiter der Feuerwehr in Moers betont, dass es eine „Null Toleranz-Strategie“ gebe. „Gewalt, aber auch psychische Gewalt zeigen wir an, wenn die Mitarbeiter das melden“, so Rudolph. Besonders betroffen sei häufig der Rettungsdienst. Allerdings sei die Grauzone groß, räumt er ein, viele scheuten den Schreibkram. Sein Kollege Marc Braun sieht es auch so. „Meist wird es hingenommen, ein Strafantrag lohnt sich nicht und würde nur für Aufwand sorgen.“ Von direkten Angriffen abgesehen, habe sich der Umgangston geändert, da sind sich Braun und seine Kollegen aus Wesel, Dinslaken und der Kreisleitstelle einig.
Unfreundliche Atmosphäre an den Einsatzorten
Einen deutlichen Anstieg von Beleidigungen in jüngster Zeit machen die Feuerwehrleute nicht aus, nur eine stetige, unfreundliche Atmosphäre, die dichter werde. „Man spürt schon die schlechte Stimmung in der Bevölkerung“, sagt Ulrich Borgmann, Leiter der Feuerwehr in Dinslaken. „Verbale Attacken bis hin zur Drohung zeigen wir rigoros an.“ Da fallen schonmal Sprüche wie „ich werde Dich finden“. Im Rettungsdienst stellt er fest, dass die Umstehenden eines Einsatzortes „einfach besser wissen, wie es geht, sie stellen sich eine bestimmte Art der Hilfe vor.“ Wenn dann die Rettungskräfte einen Patienten in Ruhe checken und versorgen, komme schonmal Unmut auf. „Die Leute meinen: Die kommen, bringen die Verletzten zack ins Auto und rasen zum Krankenhaus.“ Ist das nicht der Fall, werden sie mitunter übergriffig.
Generell, sagt der Moerser Kollege Marc Braun, seien die Leute schnippischer geworden, „sie wollen dem Rettungsdienst Befehle erteilen, treten mit Anspruchshaltung auf“. Das bekommen auch die Mitarbeitenden der Leitstelle zu spüren. „Die Leute rufen an und wollen sich einen Rettungswagen ‚bestellen‘. Wenn sie feststellen, dass sie ihren Willen nicht bekommen, werden sie kiebig. Dann schimpfen und drohen manche“, sagt Arno Hoffacker, Chef der Leitstelle. Das sei seiner Wahrnehmung nach quer durch die Gesellschaft so. Thomas Verbeet, Leiter der Feuerwehr Wesel, attestiert, „das Anlabern wird immer mehr, es ist ähnlich wie beim Schiedsrichter auf dem Fußballplatz“. In bestimmten Situationen gesteht sein Stellvertreter Christoph Hegering den Leuten auch schwache Nerven zu, bis zu einer gewissen Grenze gibt es auch bei der Feuerwehr Verständnis für Stress in Notlagen.
Was macht das mit den Rettern? „Feuerwehrleute bewegt sehr stark der Antrieb, anderen Menschen helfen zu wollen. Das ist ihre persönliche Priorität. Sie rücken nicht aus, um sich anpampen zu lassen“, sagt Marc Braun. Solche Situationen frustrieren. Christoph Rudolph bringt noch einen anderen Schwerpunkt ein: „Gut, ein dummer Spruch von Angehörigen am Einsatzort nervt“, sagt er. Und relativiert: Das sei nicht die Mehrheit der Menschen. Immer wieder auch begegneten die Einsatzkräfte Dankbarkeit, bekommen Briefe oder werden an größeren Einsatzorten mit Kaffee, Brötchen und Herzlichkeit versorgt. Das heilt manche unangenehme Erfahrung in diesem fordernden Beruf.