Kreis Wesel. Ihre Behinderung machte es einer jungen Sonsbeckerin schwer, ihren Traumberuf zu erlernen. Die Agentur für Arbeit fand einen Weg
Ein Mädchen? Dazu noch eines mit Handicap? Für Sascha Müller, Inhaber der Kfz-Werkstatt „Kraftfahrzeugtechnik Sonsbeck“, war das Neuland. Er war zunächst unsicher, hat es dann aber betreten und Jana Antoczewski schließlich als Lehrling eingestellt, mit Unterstützung der Agentur für Arbeit Wesel. Heute ist die 20-Jährige im zweiten Lehrjahr zur Kfz-Mechatronikerin. Meister und Lehrling haben den Schritt nicht bereut und anlässlich der Woche der Menschen mit Behinderung auch den Mut gefunden, an die Öffentlichkeit zu gehen – um anderen Mut zu machen.
Was ist eine Einstiegsqualifizierung?
Eine Einstiegsqualifizierung ist ein sozialversicherungspflichtiges Praktikum zum gegenseitigen Kennenlernen.
Die Agentur für Arbeit leistet als Unterstützung der Arbeitgeber einen Zuschuss zur Praktikumsvergütung und zur Sozialversicherung.
Zwischen mindestens sechs Monaten und maximal einem Jahr kann eine Einstiegsqualifizierung dauern.
Dauert die Qualifizierung ein Jahr und haben die Absolventen die Berufsschule besucht, erkennen die Kammern das Jahr als erstes Lehrjahr an.
Jana leidet unter Hydrocephalus, in ihrem Gehirn sammelt sich zu viel Flüssigkeit an. Das ist in Deutschland gut zu behandeln, der jungen Frau ist ihre Behinderung nicht anzusehen. Und doch schränkt sie sie manchmal ein, Konzentrationsschwierigkeiten machen ihr mitunter zu schaffen. Den Schwung und den Willen zu lernen, sich in der klassischen Männerwelt zu behaupten, kann sie ihr nicht nehmen, im Gegenteil.
Einstiegsqualifizierung als Chance für beide Seiten
Mit dem Angebot einer Einstiegsqualifizierung hat die Arbeitsagentur es dem Inhaber der kleinen Kfz-Werkstatt leicht gemacht, neue Wege zu gehen. Martina Tück ist Ansprechpartnerin der Agentur für Arbeitgeber. Sie erläutert das Konzept: „Es ist ein einjähriges Langzeitpraktikum, das es Arbeitgeber und Bewerberin erlaubt, einander kennenzulernen.“
Ein verlorenes Jahr ist es nicht, denn wenn die Chemie stimmt, wird es als erstes Lehrjahr anerkannt, Jana hat wie andere Lehrlinge die Berufsschule in Moers besucht. Ihr Chef bekommt finanzielle Unterstützung für den höheren Aufwand, „der Gesetzgeber belohnt Engagement“, so Tück. Denn eigentlich müssten Müller und Mitinhaber Andi Furmanek niemanden mit Behinderung einstellen, „das sieht das Gesetz erst ab 20 Mitarbeitern vor“. Der kleine Sonsbecker Betrieb besteht aus drei Männern und jetzt einer Frau, die beiden Chefs mitgerechnet.
Jana hat ihren Platz in der Arbeitswelt gefunden, die junge Sonsbeckerin glänzt mit guten Noten und viel Fingerspitzengefühl, beim Löten macht ihr beispielsweise niemand etwas vor. Und Kfz-Mechatronikerin ist ihr Traumberuf: Ihr Vater hatte den gleichen und sie hat ihn als Kind häufig in die Werkstatt begleitet, verrät sie. Das alles ist aber keine Selbstverständlichkeit.
Menschen mit Behinderung bekommen häufig keine Chance
Auch der Fachkräftemangel hat das Problem von Menschen mit Behinderung, eine Arbeit zu finden, kaum verbessert, erläutert Stefan Schapfeld von der Agentur für Arbeit. 1424 Menschen mit schwerer Behinderung waren im Oktober arbeitslos gemeldet, das sind 8,7 Prozent aller Arbeitslosen und es ist nur eine marginale Verbesserung gegenüber dem Jahr 2018 mit 9,2 Prozent. Zwar suchen mit 53 Prozent mehr als die Hälfte der schwerbehinderten Arbeitslosen eine Helfertätigkeit, immerhin 33 Prozent möchten aber Fachkraft werden. Und scheitern häufig. Was für beide Seiten ein Verlust ist, „hier gibt es noch ein großes Potenzial für Arbeitgeber, gute Mitarbeiter zu finden“, sagt Schapfeld. Darauf will die Agentur für Arbeit aufmerksam machen, Jana und ihr Chef unterstützen das durch ihre Offenheit. Und Martina Tück bietet sich als Ansprechpartnerin der Agentur für interessierte Arbeitgeber an, 0281/9620-357.