Düsseldorf. Agentur für Arbeit appelliert an Unternehmen, mehr schwerbehinderte Menschen einzustellen. Warum die es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben.
Torsten Withake würde sicher gerne zur Woche der Menschen mit Behinderung etwas anderes vermelden. Aber auch wenn in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung kontinuierlich gestiegen ist, „worüber wir uns freuen“, wie der Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in NRW bekundet, so muss er auch sagen: „Schwerbehinderte Menschen profitieren weniger von positiven Entwicklungen am Arbeitsmarkt.“ Und das war auch schon vor Corona während des Beschäftigungsbooms von 2015 bis 2019 so. „Dadurch verlieren wir am Arbeitsmarkt an Knowhow und Potenzial“, appelliert Withake an die Arbeitgeber, Menschen mit einer Schwerbehinderung einzustellen: „Inklusion ist eine Chance für Unternehmen und Betriebe, die qualifiziertes Personal suchen.“ Viele dieser Menschen seien gut qualifiziert.
Ende 2019 hatten in NRW über 1,9 Millionen Menschen (10,6 Prozent der Gesamtbevölkerung) einen anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 50 und galten damit als schwerbehindert (2017 waren es 92.300, 5,1 Prozent weniger). 782.424 Männer und Frauen davon sind zwischen 15 bis 65 Jahre alt. Nur 3,6 Prozent der schwerbehinderten Menschen werden mit einer Behinderung geboren. „Bei den meisten Menschen tritt eine Schwerbehinderung als Folge einer Krankheit ein“, weiß Torsten Withake.
Hoch qualifiziert
Schon vor der Pandemie war es für schwerbehinderte Menschen nicht leicht, einen Job zu finden – selbst bei einer guten Ausbildung. Rund die Hälfte (47,9 Prozent) der arbeitslosen schwerbehinderten Menschen haben eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine akademische Ausbildung. Bei den Arbeitslosen ohne Schwerbehinderung suchen etwa 37 Prozent eine Tätigkeit als Fachkraft oder mit höherer Jobbeschreibung.
Auch interessant
Durch Corona verschärft sich die Lage. Die Zahl der schwerbehinderten Arbeitslosen stieg zum Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 stark an. Der Höchststand wurde im August 2020 mit 53.571 erreicht. Zwar sank mit der wirtschaftlichen Erholung auch die Zahl schwerbehinderter Arbeitsloser, dies aber im Vergleich zu allen Arbeitslosen zögerlich. Die Arbeitslosigkeit von Arbeitnehmern ohne Behinderungsgrad sank im Frühjahr 2021 um 11,9 Prozent zum Vorjahresvergleich, von den schwerbehinderten Menschen meldeten sich nur 2,3 Prozent weniger arbeitslos.
Dabei ist die Zahl der Arbeitgeber, die verpflichtet sind, schwerbehinderte Menschen einzustellen, in NRW um 760 Betriebe auf 35.611 Unternehmen gestiegen.
Rund 60.000 Pflichtarbeitsplätze sind unbesetzt
Arbeitgeber mit 20 Arbeitsplätzen müssen auf fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze schwerbehinderte Mitarbeiter beschäftigen. Firmen, die dem nicht nachkommen, müssen eine Abgabe von monatlich bis zu 320 Euro zahlen. Insgesamt wurden nach Angaben der Agentur für Arbeit jahresdurchschnittlich 293.500 Pflichtarbeitsplätze in NRW als besetzt angerechnet, 60.051 blieben allerdings unbesetzt. Der Landschaftsverband Rheinland hat durch die Pflichtabgabe 88 Millionen Euro in 2019 eingenommen. Geld, das in die Förderung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben fließt.
Auch interessant
Dabei geht es auch anders. Einmal im Jahr zeichnet das Inklusionsamt des Landschaftsverbandes Rheinland Arbeitgeber für ihre „vorbildliche Umsetzung eine betrieblichen Eingliederungsmanagements von schwerbehinderten Mitarbeitern“ aus. Zumeist geht der Preis an Einrichtungen aus dem Sozialen Bereich, wie diesmal an den „Pro Familia“-Landesverband oder den Caritasverband im Rheinkreis Neuss. Mit Teijin Carbon Europe GmbH und Fiege Logistik sind auch zwei Firmen aus der Privatwirtschaft dabei. Fiege Logistik hat an seinem Standort in Mönchengladbach mit 330 Beschäftigten eine Quote von 5,36 Prozent schwerbehinderter Mitarbeiter. Personalreferentin Alexandra Bojcun erklärte zur Preisübergabe, man setze auf den Dialog, „um berufliche Kompetenzen zu erhalten oder neue zu schaffen.“ Die 10.000 Euro Preisprämie werde man in weitere Maßnahmen stecken, „um motivierte und gesunde Mitarbeitende zu erhalten.“