Kreis Wesel. Sabine Kluth ist Behindertenbeauftragte im Kreis Wesel. Manchmal fehle der genauere Blick für Menschen mit Handicap, sagt sie. Wie sie das meint:

Manchmal fehlt nicht viel, um den Blick zu weiten. Nur ein kleiner Impuls. Den möchte Sabine Kluth liefern. Sie ist die neue Behindertenbeauftragte des Kreises Wesel. Und sie sagt: „Die Bereitschaft, Menschen mit Behinderungen zu helfen, ist groß.“ Sie sagt aber auch: „Das gesellschaftliche Bewusstsein dafür muss sich noch weiter öffnen.“ Das fängt schon bei den vielen Treppen im öffentlichen Raum an, die noch immer ein Hindernis für die Inklusion sind.

Dabei, so Sabine Kluth, die den Posten von Erika Morsch übernommen hat, sei schon viel getan worden. Aber manchmal fehle einfach der genauere Blick. Das weiß sie aus Erfahrung. Sie sei mit einem schwerst-mehrfach-behinderten Bruder aufgewachsen. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, mit welchen Problemen und unbeabsichtigten Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung sich Menschen konfrontiert sehen.“ Vieles sei bereits geändert worden, man müsse aber noch viel mehr tun, sagt Sabine Kluth.

Inklusion im Kreis Wesel: So gut ist die Kreisverwaltung aufgestellt

Seit April ist sie im Amt, bei den neuen Berufskollegs in Wesel und Dinslaken werde sie bereits gut eingebunden, etwa wenn es um die Innengestaltung gehe. Eine hohe Kontrastierung sei zum Beispiel wichtig für sehbehinderte Menschen, die richtige Anordnung der Türöffner ebenso. Mehrere Themenfelder kommen noch hinzu.

„Es sind ganz viele kleine Baustellen, die ein Gesamtbild ergeben“, sagt Sabine Kluth, die sich selbst gerne Fragen stellt, um ein Problem zu erfassen. Beispiel Mobilität: „Wie weiß ein blinder Mensch, dass er im richtigen Bus sitzt?“ Der Weg von der Haltestelle bis zum Bus müsse körperlich schaffbar und kognitiv erfassbar sein. Und zwar für alle. „Barrierefreie Haltestellen sind wichtig, aber die schönste Haltestelle nutzt nichts, wenn in den Bus nur ein Rollstuhl oder ein Kinderwagen passt.“

Eine gute Zusammenarbeit mit den Verwaltungen, die selbst über Behindertenbeauftragte und in einzelnen Fällen auch über Beiräte verfügen, und mit der Niag sind ihr dabei wichtig. Schließlich müssten alle etwas tun, um eine gesamtheitliche Lösung anzubieten.

Dass der Kreis Wesel Mitglied im Zukunftsnetzwerk Mobilität ist, sei gut, sagt Sabine Kluth, dass in diesem Zukunftsnetzwerk die Barrierefreiheit im Nahverkehr aber nicht mit in den Mittelpunkt gerückt werde, habe sie überrascht. Da fehlt ihr das gesellschaftliche Bewusstsein – noch, muss man sagen. Schließlich bemühe man sich, so Kluth, die in ihrer Arbeit als Behindertenbeauftragte vor allem auf Kommunikation setzt. Das Gespräch mit Selbsthilfegruppen zum Beispiel werde sie suchen, diese seien schließlich „Experten in eigener Sache“.

Die Kreisverwaltung sieht Sabine Kluth gar nicht schlecht aufgestellt, die barrierefreien Aufzüge seien zum Beispiel bereits vor Jahren eingebaut worden. Aber auch hier fehle das letzte Bewusstsein. Zum Beispiel bei der Internetseite des Kreises, die noch ein großes Hindernis für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen sei. Schachtelsätze, komplizierte Verlinkungen oder schlecht nachzuvollziehende Suchpfade. Doch auch dort setzt die Kreiserverwaltung bereits an und beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, wie man einfach, aber rechtssicher formulieren kann. Noch sei man da aber gerade in der Anfangsphase, heißt es beim Kreis.

>>> Menschen mit Handicap im Kreis Wesel <<<

Wie wichtig die Barrierefreiheit in allen Belangen im Kreis Wesel ist, beweist ein Blick auf die Zahlen. Laut Kreisverwaltung lebten 2022 insgesamt 107.257 Menschen mit einer Behinderung in allen Kreiskommunen. „Somit gehören 23,1 Prozent der Kreisbevölkerung (Stand 30.06.22 = 463.871) diesem Personenkreis an“, schreibt die Verwaltung auf Nachfrage.

Bei einem Grad von zehn bis 50 spricht man von einer Behinderung, bei einem Grad von 50 bis 100 unterdessen von einer Schwerbehinderung. Der Anteil der Menschen mit einem Grad der Behinderung zwischen 50 und 100 Prozent lag laut Kreis im Jahr 2022 bei 14,6 Prozent der Kreisbevölkerung. Demnach waren 67.626 Menschen mit Schwerbehinderung gemeldet.