Kreis Wesel. Im Kampf gegen steigende Fahrrad- und Pedelecunfälle im Kreis Wesel arbeitet die Polizei vor allem mit Vorbeugung. Würde eine Helmpflicht helfen?
Der sehr hohe Anteil von Fahrrad- und Pedelecfahrenden an schweren Unfällen im Kreis Wesel beschäftigt die Kreispolizei – und das nicht erst seit kurzem. Bereits seit 2018 gehört die Bekämpfung der Fahrrad- und Pedelecunfälle als ein Schwerpunkt zum Sicherheitsprogramm, das die Kreispolizei jedes Jahr aufstellt.
Um die Unfallzahlen zu senken, setzt die Polizei auf zwei Säulen: Prävention und Repression. Zum einen sind die Beamtinnen und Beamten angehalten, Fahrradverstöße konsequent zu ahnden: das Fahren auf der falschen Straßenseite, im Gegenverkehr oder das falsche Einbiegen in eine Einbahnstraße, zum Beispiel. Es gehe hier nicht darum, die Menschen zu gängeln, betont Polizeisprecher Peter Reuters, „aber wir wollen einen Lerneffekt erzielen“.
Kreisverkehrswacht Wesel zu Helmpflicht: „Die Leute wollen nicht gerne gegängelt werden.“
Zum anderen bietet die Kreispolizei seit 2017 regelmäßig in den Oster-, Sommer- und Herbstferien die bekannten Pedelec-Trainings an, oftmals mit Unterstützung der Kreisverkehrswacht. Und mit stetig steigenden Teilnehmendenzahlen. Vor allem an den Hauptstandorten in Moers, Kamp-Lintfort, Wesel und Dinslaken seien die Kurse restlos ausgebucht, sagt Peter Reuters. Allein in diesem Jahr wird es nach den Herbstferien 34 Kurse gegeben haben. Im kommenden Jahr sollen es noch mehr werden. Auch, weil mittlerweile Unternehmen auf die Kreispolizei zukommen und nach Kursen für die Belegschaft fragen.
Mit Fahrradhändlern im Kreis hat die Polizei zudem eine Kooperation auf die Beine gestellt: Teilnehmende eines Pedelec-Kurses bekommen bei einigen Fahrradhändlern Rabatt, zum Beispiel beim Kauf eines Helmes. Sechs Händler hätten den Kooperationsvertrag bereits unterschrieben, mit einem siebten führe man Verhandlungen, so Reuters weiter. Bilder-Kampagnen, wie die Postkarten-Aktion „Pass auf deinen Kürbis auf“ sollen ergänzend den Nutzen und die Notwendigkeit des Kopfschutzes unterstreichen.
Zu der Möglichkeit einer allgemeinen Helmpflicht möchte sich die Kreispolizei nicht äußern, gleichwohl wurde die Frage im vergangenen Mai aus den Reihen der Polizei bei der Jahreshauptversammlung der Kreisverkehrswacht dem Präsidenten der Bundesverkehrswacht, Kurt Bodewig, gestellt. Auch da waren die steigenden Unfälle mit Rad- und Pedelecfahrenden das beherrschende Thema. Bodewig zeigte durchaus Sympathie für eine Helmpflicht, bezweifelte aber, dass sich dafür in der Bundespolitik derzeit eine Mehrheit finden lässt. Auch wisse er nicht, ob der gesellschaftliche Konsens hergestellt werden könne, sagte Bodewig.
Ähnlich sieht es auch der Sprecher der Kreisverkehrswacht, Bernd Störmer. „Die Leute wollen ja nicht gerne gegängelt werden“, sagt der pensionierte Polizeibeamte, der das elektronisch unterstützende Radfahren gewissermaßen für einige als letzte Art der Freiheit beschreibt: „Viele empfinden den Umstieg vom Auto aufs Pedelec immer noch als Abstieg.“
Störmer setzt auf Sensibilisierung, auch wenn er persönlich für eine Helmpflicht wäre, und er spart nicht an Drastik: Man müsse deutlich machen, „dass man ein Todeskandidat ist, wenn man auf so ein Ding steigt“. Darum müsse man schon aus Eigeninteresse die größte Sicherheit erreichen wollen. Häufig werde die Geschwindigkeit unterschätzt. „Pedelecs haben eine wahnsinnige Beschleunigung“, so Störmer, der auch an die Autofahrerinnen und Autofahrer appelliert: „Wenn du Fahrräder im Straßenverkehr siehst, musst du davon ausgehen, dass es ein Pedelec ist.“
Die Kooperation mit Fahrradhändlern im Kreis bewertet Störmer als Pfund, das man noch ausbauen müsse, um noch mehr Menschen zu erreichen. Grundsätzlich aber merke er, „wie zugänglich die Leute bei diesem Thema sind“. Auch das sei ein gutes Zeichen.
>>>Wo bereits Helmpflicht besteht<<<
Eine Helmpflicht für Fahrräder ohne Motorunterstützung gibt es in Deutschland nicht. Anders bei elektronisch unterstützten Fahrrädern. Dort wird zwischen Pedelecs, S-Pedelecs und E-Bikes unterschieden. Ein Pedelec bietet eine Tretunterstützung bis 25 km/h. Es besteht keine Kennzeichen- und keine Helmpflicht. Pedelecs aber, die eine Tretunterstützung bis 45 km/h bieten, sind verkehrsrechtlich als Kleinkrafträder eingestuft. Neben einem Versicherungskennzeichen braucht man einen Führerschein der Klasse AM. Außerdem besteht die Helmpflicht. E-Bikes funktionieren ohne Tretunterstützung. Bei einer Geschwindigkeit bis 25 km/h gelten sie als Mofas. Diese dürfen erst ab 15 Jahren gefahren werden. Je nach Alter ist eine Prüfbescheinigung notwendig. Auch hier greift die Helmpflicht. Das Bundesverkehrsministerium hat einen Flyer rund um Pedelecs und E-Bikes erstellt: bmdv.bund.de. Als Suchbegriff reicht „Pedelec“. Das Faltblatt ist am Ende der Liste zu finden.