Kreis Wesel. Vergütung? Frühe Arbeitszeiten? Bäckereien im Kreis Wesel müssen sich anstrengen, um Nachwuchs zu bekommen. Wo es Chancen und Hürden gibt.

Die deutsche Brotkultur ist UNESCO-Weltkulturerbe, doch die Bäckereien kämpfen – wie viele Handwerksbetriebe – mit Nachwuchssorgen. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat deshalb kürzlich vor einem „Azubi-Vakuum“ gewarnt. Auf Fülle und Sortiment der Sonntagsbrötchen der Zukunft wolle sie nicht mehr wetten. Großer Knackpunkt laut Gewerkschaft? Die Bezahlung. Zuletzt seien bundesweite Tarifverhandlungen gescheitert. „Die Azubis in Bäckereien rangieren bei der Vergütung im unteren Drittel aller Ausbildungsberufe“, wird Karim Peters, Geschäftsführer der NGG Nordrhein, zitiert. Im ersten Ausbildungsjahr gibt es 680 Euro monatlich brutto, 755 Euro im zweiten und 885 im dritten Jahr.

Der für die Kreise Wesel und Kleve zuständige Innungsmeister Johannes Gerhards teilt diese Ansicht so nicht. Es habe quasi eine Einigung zwischen Gewerkschaft und Zentralverband gegeben, doch dann habe die NGG eine neue Forderung gestellt, die der Zentralverband nicht habe akzeptieren können, kommentiert er die Verhandlungen. Sein Eindruck aus Informationsveranstaltungen: „Wenn Jugendliche sich für den Beruf entschieden haben, weil er ihnen Spaß macht, ist die Vergütung nicht das oberste Kriterium.“ Er halte die Ausbildungsvergütung zudem nicht für so schlecht und betont, dass es sich dabei nur um einen Mindestverdienst handele. Im Kreis Wesel gebe es Betriebe, die Azubis mit Sonderleistungen lockten oder eben mehr zahlten als die Tarifvorgaben.

Bäckereien im Kreis Wesel setzen auf Ausbildungskampagnen und Werbung

„Ich muss denen schon etwas bieten, das fängt beim Geld an“, sagt Uwe Bienemann, Geschäftsführer der gleichnamigen Bäckereifachfilialen und Backshops in Dinslaken. „Bei uns sieht es ganz gut aus“, beschreibt er die aktuelle Nachwuchssituation. „Natürlich würde sich die Handwerksbäckerei noch mehr Azubis wünschen, aber die aktuelle Anzahl ist etwa gleichbleibend mit dem Vorjahr. Es gibt also kein Vakuum“, heißt es auf Nachfrage zur Ausbildungssituation von Büsch.

Deutlich wird aber auch: Dies scheint nur möglich, indem die Unternehmen offensiv auf junge Menschen zugehen und für sich werben. Von selbst flattert die Bewerbung nicht ins Postfach. Büsch verweist auf ein eigenes Ausbildungsprogramm, eine ganze Reihe junger Menschen hätte sich so zuletzt für eine Ausbildung im Unternehmen entschieden, etwa als Fachverkäufer, Bäcker oder Konditor. Uwe Bienemann führt eine Mitarbeiterin an, die sich vordergründlich um die Organisation von Informationsveranstaltungen in Schulen und bei Ausbildungsmessen kümmere. Auch die Agentur für Arbeit im Kreis Wesel kann bestätigen, dass Jugendliche auf diese Weise auf die Betriebe aufmerksam werden und vorheriger Kontakt sowie Praktika in ein Ausbildungsverhältnis führen.

Agentur für Arbeit: ÖPNV und frühe Arbeitszeiten sind Hürden für junge Menschen

„Im Rahmen der Berufsberatung ist die Resonanz der Jugendlichen eher schwach ausgeprägt“, heißt es von der Agentur für Arbeit. „Wenn aber Interesse vorhanden ist, sind häufig die Arbeitszeiten problematisch. Für Jugendliche, die auf ÖPNV angewiesen sind, ist die Tätigkeit damit meistens nicht realisierbar, wenn der Ausbildungsbetrieb nicht flexibel ist.“ Diese Hürde kann Johannes Gerhards bestätigen. „Da sind die Betriebe auf dem Land dann schlechter dran.“

Gibt es in Zukunft weiter die gewohnte Fülle und das gewohnte Sortiment an Sonntagsbrötchen? Die Gewerkschaft NGG bezweifelt das.
Gibt es in Zukunft weiter die gewohnte Fülle und das gewohnte Sortiment an Sonntagsbrötchen? Die Gewerkschaft NGG bezweifelt das. © dpa | Jan Woitas

Die frühen Arbeitszeiten? Jedes Handwerk habe seine Vor- und Nachteile, „immerhin ist es ein warmer Arbeitsplatz“. Und das Handwerk habe sich gewandelt: „Die körperliche Anstrengung ist weniger geworden“, so der Innungsmeister. Es sei ein schöner und kreativer Beruf, bei dem man das Ergebnis der am Morgen begonnenen Arbeit sehen könne, also interessant „für junge Leute, die nicht nur am Schreibtisch sitzen wollen“. Zudem sei Teamarbeit gefordert, schulische Voraussetzung sei mindestens ein Hauptschulabschluss. Damit junge Menschen wissen, was sie erwartet, empfiehlt Gerhards ein vorheriges Praktikum. Und nach der Ausbildung? In der Regel gebe es einen zu hundert Prozent sicheren Arbeitsplatz – wenn nicht beim Ausbildungsbetrieb, dann woanders – und einen auskömmlichen Verdienst.

Ausbildung im Kreis Wesel: Hier gibt es Infos

  • Bis Ende Juni wurden bei der Agentur für Arbeit insgesamt 28 Ausbildungsstellen gemeldet (Bäcker und für Konditoren). Davon sind aktuell noch 14 unbesetzt. 60 Stellen waren es für den Verkauf von Back- und Konditoreiwaren, hier sind 39 noch frei.
  • Laut Agentur für Arbeit beginnt die Lehre in der Regel am 1. August oder am 1. September. Aber: „Auch danach gibt es noch gute Chancen, eine Ausbildung zu beginnen.“ Wenn die Handwerkskammer einverstanden sei, könne eine Ausbildung bis etwa Ende des Jahres begonnen werden. Der versäumte Stoff müsse dann nachgeholt werden, gegebenen falls kann die Agentur für Arbeit hier unterstützen. Infos: https://www.arbeitsagentur.de/k/ausbildungklarmachen