Kreis Wesel. Ewigkeitschemikalien: Für den Kreis Wesel gibt es rund 3000 Wasserproben, 400 davon positiv. Der Kreis will jetzt die Bodenanalysen erweitern.
Sie sind nützlich, kommen in sämtlichen Lebensbereichen zum Einsatz – und sie sind ziemlich gefährlich: die Per- und Polyfluoralkylsubstanzen - kurz PFAS. Sie finden sich in Pfannenbeschichtungen, Pizzakartons, Backpapier ebenso wie in Regen- und Sportbekleidung, Löschschaum, Halbleitern und Skiwachs.
Durch ihre Vielseitigkeit und ihre extreme Langlebigkeit sind sie zu einer großen Umweltbelastung geworden. Sie gelangen ins Grundwasser und bauen sich in der Umwelt und im Körper nur langsam ab. Dazu sollen sie gesundheitsgefährdend sein und unter anderem Krebs verursachen können. All diese Eigenschaften haben den Substanzen den wenig schmeichelhaften Titel „Jahrhundert-Gift“ verschafft. In diesem Jahr hat die Debatte um die gefährlichen Chemikalien neue Fahrt aufgenommen.
Die EU arbeitet an einem Verbot zahlreicher PFAS-Formen. Eine einheitliche Linie beziehungsweise Verordnungen zur Kontrolle gibt es dagegen nicht. Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es noch keinen durchdeklinierten Weg, um die PFAS-Überwachung zu verstärken. Der Kreis Wesel möchte nun zumindest die eigene Kontrolle von PFAS in der Umwelt verbessern und auch auf Bodenproben ausweiten. Bislang werden Proben, etwa bei Füllgut für Senken, laut Kreis nach Standardparametern durchgeführt, die sich auf die gängigen Schadstoffe konzentrieren. PFAS gehörten bislang nicht dazu. Das soll sich ändern. Aus gutem Grund.
PFAS im Kreis Wesel: Wo die Schadstoffe in Boden und Grundwasser gelangten
Wie aus der Verwaltungsvorlage für den Umwelt- und Planungsausschuss am kommenden Dienstag, 9. Mai, hervorgeht, hat das Landesamt für Umwelt- und Verbraucherschutz (Lanuv) in den letzten 16 Jahren mehr als 3000 Analyseergebnisse von Gewässerproben aus dem Kreis Wesel in seiner Datenbank gesammelt. Bei 2600 Proben wurden keine PFAS nachgewiesen. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass bei mindestens 400 Proben PFAS-Rückstände gefunden wurden.
Woher die PFAS tatsächlich stammen, kann der Kreis nicht sagen, da die Proben aus fließenden Gewässern, vor allem aus Lippe, Emscher und Rhein entnommen worden seien. In einem Fall aber weiß die Kreisverwaltung, wo Boden und Grundwasser durch PFAS kontaminiert wurden. Und zwar in Kamp-Lintfort. „Hierbei handelt es sich um einen Schaden aus einem Löscheinsatz der Feuerwehr, bei dem PFAS-haltiges Löschmittel in die Umwelt gelangen konnte“, sagt der Kreis auf Anfrage.
Betroffen ist laut Stadt Kamp-Lintfort ein 9200 Quadratmeter großes Betriebsgelände am Baerlagweg in Saalhoff. Der Fall stammt aus dem Jahr 2019. Kurz danach sei die Belastung festgestellt worden, sagt Kamp-Lintforts Erster Beigeordneter, Christoph Müllmann, im Gespräch mit der Redaktion.
Der kontaminierte Bereich sei hydrogeologisch abgeschottet worden, sodass sich die PFAS nicht in die Umgebung habe ausbreiten können, „an einer langfristigen Lösung wird derzeit gearbeitet“, sagt der Kreis Wesel. „In den neuesten Analysen vom 15. Dezember 2022 konnten außerhalb des abgeschotteten Bereichs keine PFAS-Werte festgestellt werden.“ In dem Verfahren führe man aber laufend Analysen verschiedener Art durch, ergänzt Müllmann, etwa durch Bohrungen oder Spülungen.
Lineg und Emschergenossenschaft sprechen sich für stärkere Regulierungen von PFAS aus
Dass Kreis und Stadt seit vier Jahren an einer Lösung arbeiten, zeigt, wie kompliziert der Umgang mit PFAS ist. Die Entwässerungsgesellschaften im Kreis Wesel befürworten laut eigener Aussage eine stärkere Regulierung oder ein Verbot. Grundsätzlich sei ein Umgang mit dieser Stoffgruppe bei der Abwasserbehandlung unvermeidbar, sagt das Wasserwirtschaftsunternehmen Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV), das für den rechtsrheinischen Bereich des Kreises zuständig ist.
Insgesamt 60 Kläranlagen betreibt der EGLV in seinem Verbreitungsgebiet. Einige sollen möglichst schnell auf die 4. Reinigungsstufe umgestellt werden. So wie die Anlage in Hünxe, die bereits über eine sogenannte Membranfiltration verfügt. Sämtliche PFAS kann aber auch sie nicht aus dem Wasser filtern. Die Mikropartikel etwa, die sich beim Abwasch von der Pfannenbeschichtung lösten, könne man in den Kläranlagen nicht zurückhalten, sagt EGLV-Sprecher Ilias Abawi.
Aus diesem Grund befürworte man „jede Art von Verbot beziehungsweise Regulierung von PFAS“, so der EGLV. Dabei sehe man insbesondere „die Hersteller beziehungsweise Einleiter in einer besonderen Verantwortung“. So sieht das auch die Linksrheinische Entwässerungsgesellschaft (Lineg). Es sei gut, dass sich auf diesem Feld politisch etwas tue, sagt Lineg-Sprecher Ingo Plaschke. Vor allem, dass das Verursacherprinzip in den Fokus gerückt werde.
>>> Sicheres Trinkwasser<<<
Laut Kreis Weseler Verwaltungsvorlage wirkt sich die PFAS-Belastung nicht auf die Sicherheit des Trinkwassers aus. „Das Lanuv kann für das Trinkwasser bestätigen, dass dieses sicher ist“, heißt es in der Vorlage. Dies hatte im März auch das Lineg-Zentrallabor bestätigt. Man müsse sich keine Gedanken machen, hieß es damals.
Das Trinkwasser ist das am stärksten kontrollierte Lebensmittel in Deutschland. Die Qualitätsanforderungen sind entsprechend hoch.