Kreis Wesel. Ukraine-Geflüchtete, das anstehende Bürgergeld, Nachwehen der Pandemie: Im Jobcenter Kreis Wesel war im vergangenen Jahr einiges los.

Für das Jobcenter Kreis Wesel war 2022 ein aufreibendes Jahr: Noch durch die Pandemie eingeschränkt, kamen die Geflüchteten aus der Ukraine, die anfangs als Asylbewerber behandelt wurden, somit von den Kommunen betreut, dann aber per Rechtskreiswechsel Sache der Jobcenter wurden. Schließlich stand der Wechsel von Hartz IV zum Bürgergeld bevor, den es vorzubereiten galt, gefolgt von Energiekrise und hoher Inflation, die gerade die Kunden des Jobcenters belasten: hohe Kosten, geringe Einnahmen. Jetzt zog die Geschäftsführung Bilanz.

Aktuell betreut das Jobcenter 3200 Menschen ukrainischer Herkunft, 2200 von ihnen sind zwischen 15 und 65 Jahre alt und gelten somit als erwerbsfähig, die übrigen sind Kinder. Nach wie vor, so Michael Müller, Geschäftsführer des Jobcenters, sind ausreichende Sprachkurse und die Betreuung kleinerer Kinder ein ungelöstes Problem. „Wir haben aktuell 1400 Menschen auf der Warteliste, das ist nahezu einmalig in NRW“, so Müller, die Wartezeit auf einen Sprachkurs liege bei bis zu neun Monaten. Als Ursache sieht er unter anderem die Struktur des Kreises Wesel, die zum Teil lange Wege nötig mache. Besserung erhofft er sich dadurch, dass zum Jahreswechsel die Anforderungen an die Kursleiter gelockert wurden, somit mehr Lehrende zur Verfügung stehen.

Inflation frisst die geplanten Vorteile des Bürgergeldes

Durch die Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar bekommen Leistungsberechtigte rund 50 Euro mehr als bislang. Allerdings, so Müller, sei der angestrebte Zweck nicht erreicht worden: Durch hohe Energiekosten und Inflation haben die Menschen nicht mehr Geld zur Verfügung. Neu ist auch, dass die Angemessenheit der Wohnung erst nach einem Jahr, statt bislang nach sechs Monaten zum Thema wird. Die Vermögensfreigrenzen im ersten Jahr sind auf 40.000 Euro für den Haushaltsvorstand und 15.000 pro weiterer Person gestiegen.

Dem geänderten Arbeitsmarkt geschuldet ist der Wegfall des sogenannten Vermittlungsvorrangs: Früher hatte in der Arbeit des Jobcenters rechtlich Priorität, die Menschen in Arbeit zu bringen, zur Not auch in Helfertätigkeiten. In Zeiten des Fachkräftemangels hat sich die Rechtslage geändert, jetzt kann das Jobcenter sich auf das Qualifizieren konzentrieren. Gelockert wurden die Sanktionen für Leistungsberechtigte, die ihren Pflichten nicht nachkommen, beispielsweise Termine nicht wahrnehmen. Müller betont allerdings, dass weniger als drei Prozent seiner Kunden so handeln, meist junge Menschen.

Jetzt fallen wieder Kosten für Klassenfahrten und Mitagessen in den Schulen an

Nach den Lockdowns steht das Thema Bildung und Teilhabe wieder höher auf der Tagesordnung: Die Leistungen sind von 3,8 Millionen im Jahr 2021 auf 5,7 Millionen im Jahr darauf gestiegen. Der Grund ist einfach – wenn die Schulen geschlossen sind, gibt es weder Mittagsverpflegung noch Klassenfahrten. 2022 hat das Jobcenter mehr als drei Millionen Euro für die Mahlzeiten zugeschossen, knapp zwei Millionen mehr als noch im Vorjahr. Im Bereich Wohngeld erwartet Müller, dass sich durch das neue Recht die Zahl der Anspruchsberechtigten verdreifachen wird – eine weitere Herausforderung für das begonnene Jahr.

Die Arbeit des Jobcenters 2022 in Zahlen

  • 15.866 Familien, im Amtsdeutsch Bedarfsgemeinschaften, waren 2022 unter der Obhut des Jobcenters, 933 weniger als zwei Jahre zuvor.
  • 21.932 erwerbsfähige Leistungsberechtigte gab es, im Vergleich zu 2020 sind das 1107 Menschen weniger.
  • Die Leistungen zum Lebensunterhalt sind gestiegen: 93,1 Million Euro zahlte das Jobcenter 2022, das waren 2,6 Prozent mehr als im Vorjahr.
  • Die Kosten der Unterkunft sind gesunken, von 64,4 Millionen im 2021 auf 62,5 Millionen 2022. Hier sind die seit 2015 angekommenen Geflüchteten nicht einberechnet.
  • Mehr als 4300 Menschen konnte das Jobcenter 2022 in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermitteln.
  • Anders als im Vorjahr als Ziel gesetzt, ist es nicht gelungen, den Anteil der Frauen daran deutlich zu steigern. Das, so Geschäftsführer Michael Müller, liegt unter anderem daran, dass mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine plötzlich 1400 Frauen mehr zu betreuen waren.