Kreis Wesel. Überlegungen zur Vier-Tage-Woche werden relevant, finden Vertreter aus Handel, Gastronomie und Handwerk im Kreis Wesel. Aber es gibt Fallstricke.
Einen Tag weniger arbeiten, mehr Zeit für private Erledigungen, Freizeit oder einfach ein langes Wochenende. In Großbritannien haben 61 Unternehmen in einer Studie die Viertagewoche bei vollem Lohn getestet – das Fazit fiel positiv aus: weniger Krankheitstage, gestiegener Umsatz, niedrigeres Stresslevel. Der Großteil der Unternehmen will das Modell dort fortsetzen. Auch in anderen Ländern laufen dazu Experimente, einzelne Betriebe in Deutschland testen ähnliche Varianten, oft verbunden mit der Hoffnung, so mehr Arbeitskräfte zu gewinnen. Grundsätzlich ist die Einführung einer Vier-Tage-Woche nicht geplant, heißt es aus dem Bundesarbeitsministerium. Je nach Modell – zum Beispiel mit Lohnabschlägen oder langen Arbeitstagen – gibt es zudem noch viele Fragezeichen bei den Überlegungen. Manche Arbeitsplätze eignen sich wohl eher als andere. Nichtsdestotrotz: Inwieweit ist die Vier-Tage-Woche für Unternehmen im Kreis Wesel ein Thema? Wo sehen einzelne Branchen Chancen, wo Fallstricke?
Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft: „Am Ende des Tages muss die Arbeit gemacht werden“
Flexible Arbeitszeitmodelle seien immer eine Möglichkeit, Mitarbeitende an Betriebe zu binden, sagt Holger Benninghoff, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Er weiß von einem Betrieb aus Alpen, der eine Viertagewoche umsetzt, andere dächten darüber nach. Ein Problem, das er aber zugleich auch betont: „Am Ende des Tages muss die Arbeit gemacht werden.“ Die Auftragslage im Handwerk sei gut, manch ein Betrieb sei bis zum Herbst ausgebucht. Aber es fehle bereits jetzt das Personal. Und Benninghoff sieht das Delta noch größer werden, weil die Baby-Boomer demnächst in Rente gehen und zu wenig Nachwuchs nachkommt. Grundsätzlich seien die Betriebe gewillt, in Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitenden auf Wünsche und Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Es sei eine Frage der Organisation.
Im Handel, vordergründlich im Möbelverkauf, sei im vergangenen Jahr die Idee zum „Green Monday“ – einem freien Montag – aufgekommen, vor allem aber vor dem Hintergrund der Energiekrise, um Strom zu sparen, sagt Doris Lewitzky, Geschäftsführerin beim Handelsverband Niederrhein. Dabei sei nicht zwangsläufig der Montag, sondern eher der Dienstag und Mittwoch schwächer frequentiert, weil die Kundinnen und Kunden am Wochenende Überlegungen zu neuen Anschaffungen anstellten – und diese dann meist montags in die Tat umsetzen wollen. Mit dem Trend zur zunehmenden Bedeutung der Work-Life-Balance sieht Doris Lewitzky die Diskussion zur Viertagewoche allerdings kommen. „Wir sind da noch am Anfang des Prozesses.“
Herausforderung für den Handel am Niederrhein ist auch die Konkurrenz zum Internet
Die Herausforderung in dieser Branche: der Spagat zwischen den Kundenwünschen und dem Online-Handel als Konkurrenz. Denn das Internet ist immer verfügbar. Der stationäre Handel könne sich insbesondere mit persönlicher Kundenberatung absetzen. Es gehe darum, die Kundenwünsche damit zu vereinbaren. „Das wird spannend und eine Herausforderung für die nächsten Jahre“, sagt Lewitzky.
Auch in Restaurants und Hotelbetrieben sind die Personalsorgen groß, flexiblere Arbeitszeiten also ein Hebel? „Es ist dringend notwendig, die Arbeitszeiten in der Gastronomie attraktiver zu gestalten, um das Berufsbild zu reformieren“, sagt Ullrich Langhoff. Da habe man über Jahrzehnte geschlafen, nun sei Fingerspitzengefühl gefragt. Wie lasse sich da ein Kompromiss zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer finden, „ich glaube, das wird immer wichtiger“. Langhoff weiß, dass beispielsweise das Landhotel Voshövel in Schermbeck bereits eine Viertagewoche umsetze, eine mögliche Umsetzung flexiblerer Arbeitszeiten sei immer auch individuell von den Voraussetzungen in den Betrieben – von Ausrichtung oder Standort zum Beispiel – abhängig. Zugleich sei erforderlich, in Kernzeiten auf das Personal zählen zu können, beispielsweise bei großen Veranstaltungen. Da müssten die Mitarbeitenden eben auch das wirtschaftliche Betriebsinteresse nachvollziehen. Es geht um ein Zusammenspiel, ein Problem sieht Langhoff da aber nicht: „Gastronomie ist ein Teamplayer-Gewerbe.“