Kreis Wesel. Klimafreundlich und unabhängig soll die Energieversorgung sein, daher kommen die Wind-An-Land-Gesetze. Der Kreis Wesel sieht strittige Punkte.
Unabhängige Energieversorgung ist notwendig, diese bittere Lehre hat der russische Angriffskrieg auf die Ukraine gebracht. Zudem muss sie klimafreundlich sein, NRW will bis 2045 klimaneutral wirtschaften. Wir brauchen mehr Windenergie, hat die Bundesregierung daher beschlossen. Im Juli hat der Bund das sogenannte Energiepaket verabschiedet, Windenergie an Land soll zügiger ausgebaut, Planungs- und Genehmigungshindernisse sollen abgebaut werden. Bedeutet das, dass es künftig deutlich mehr Windräder im Kreis Wesel geben wird? Und werden die Bauvorhaben demnächst schneller beschieden? Das sei seriös nicht zu beantworten, sagt die Kreisverwaltung, nennt aber die zusätzlichen Aufgaben, die durch das Gesetz auf sie zukommen. Die neuen Wind-An-Land-Gesetze treten im Februar in Kraft.
Bindende Flächenziele festlegen und bis 2024 ausweisen
Die Länder müssen sich verpflichten, bestimmte Flächenziele für Windkraft festzulegen und bis Mai 2024 diese Flächen ausweisen. Bis 31. Dezember 2027 sollen 1,1 Prozent der NRW-Landesfläche für Windkraft reserviert sein, bis 31. Dezember 2032 gar 1,89 Prozent, das sind gut 34.112 Quadratkilometer Fläche.
Um das möglich zu machen, gibt es Änderungen im Artenschutz – er wird deutlich geschwächt. Zudem liegt die Beweislast, dass eine Art widerrechtlich durch eine Windkraftanlage gefährdet wäre, künftig bei der Genehmigungsbehörde, bisher mussten die Antragsteller das Gegenteil belegen. Behördliche Kataster und behördliche Datenbanken seien heranzuziehen. Leider, erklärte Anne Seidler vom zuständigen Fachdienst dem Naturschutzbeirat, gibt es nicht genügend behördliches Material dafür. „Ich kann für all diese Tiere nichts tun, wenn ich nicht weiß wo der Horst ist.“
Aber auch andere Regelungen werden abgemildert, Anlagen der erneuerbaren Energien werden nunmehr als „überragendes öffentliches Interesse“ definiert und haben bei der Abwägung von Schutzgütern Vorrang. So ändern sich die gesetzlich pauschalen Mindestabstände für Windräder zu Wohnbebauung: Beim sogenannten Repowering, also der Modernisierung einer Windkraftanlage, entfallen sie komplett. Bedeutet: Alte kleine Windräder können deutlich höher werden und bleiben dennoch zulässig. Die Kreisverwaltung rechnet mit mehr Beschwerden über bereits bestehende Windkraftanlagen, „was gegebenenfalls schädlich für die allgemeine Akzeptanz“ sein könne.
Jahrelange juristische Auseinandersetzung stehen zu befürchten
Kommunen stehen jetzt unter Druck: Weisen sie in der genannten Frist keine ausreichenden Flächen für die Windräder aus, sind Anlagen in ihrem gesamten Außenbereich zulässig – das, so die Kreisverwaltung, widerspricht der Planungshoheit der Gemeinden. Während Städte und Gemeinden planen, ist der Kreis die zuständige Genehmigungsbehörde und für den Naturschutzaspekt verantwortlich. Und könnte künftig zwischen den Stühlen sitzen: Die Gemeinde erteilt die planungsrechtliche Zulassung oder verweigert sie. Der Kreis muss prüfen und mitunter auch die kommunale Entscheidung übergehen. Am Ende stehen im Zweifel keine schnell umgesetzten neuen Windräder, sondern zahlreiche juristische Verfahren. Zudem sind „neue, unbestimmte Rechtsbegriffe aufgenommen, die vermutlich nur durch obergerichtliche Entscheidungen geklärt werden können“, so der Kreis.
Unklar ist im Detail, vor welchen Schutzgütern die Windkraft als überragendes öffentliches Interesse Vorrang hat. Das wiederum erschwert die Genehmigungsverfahren und macht sie angreifbar. Für den Kreis Wesel stellt die Verwaltung fest, dass der Außenbereich „vielfältig strukturiert und verhältnismäßig dicht besiedelt ist“. Dadurch stoße der Ausbau der Windkraft künftig schnell an Zumutbarkeitsschwellen und Schutzvorschriften. Auch noch so gut gemeinte Gesetze können keine nennenswerten zusätzlichen geeigneten Flächen im Kreis Wesel herbeischaffen. „Eine Energieautarkie des Kreises wird mit Windkraft aller Voraussicht nach nicht annähernd erreicht“, so der Kreis. Derzeit sind weitere Windkraftanlagen auf den Halden des Kreises angedacht.
Die Wälder bieten kaum eine Standortalternative
Wären Windkraftanlagen im Wald ein Ausweg aus dem Dilemma? Julian Mauerhof, Leiter des Regionalforstamts Niederrhein, erläuterte dem Umwelt- und Planungsausschuss jüngst die Lage. Demnach sind mit 17.500 Hektar nur rund 14 Prozent der Kreisfläche Wald. Grundsatz ist, dass Kommunen mit einer Waldfläche von weniger als 20 Prozent keine Windkraftanlagen im Wald genehmigen können. Der Kreis Wesel liegt unter dieser Schwelle, einige seiner Kommunen aber unter Umständen nicht, so Mauerhof. Große Möglichkeiten bietet der heimische Wald dennoch für die Windkraft nicht.
Aktuell gibt es im Kreis Wesel 69 Windräder mit einer Leistung von rund 128 Megawatt. Drei weitere Anlagen sind genehmigt (je 4,2 MW), vier weitere Windenergieanlagen befinden sich im Genehmigungsverfahren, ebenfalls mit einer Leistung von je 4,2 Megawatt. Bezüglich mehrerer Anlagegenehmigungen befinde sich der Kreis im Rechtsstreit, bei diversen weiteren Anlagen gehe es noch um planungsrechtliche Klärungen.