Kreis Wesel. Längst hat der Fachkräftemangel die kommunalen Verwaltungen erreicht. Sie kämpfen als Abeitgeber gegen große Konkurrenz. Was geschehen müsste.

IT-Fachleute, Ingenieure, Sozialarbeiter, Feuerwehrleute, Kindergärtnerinnen, sogar Verwaltungsfachleute: Die Wunschliste der Kommunen im Kreis Wesel ist groß, die Zahl geeigneter Bewerber überschaubar.

Neben der Konkurrenz zur Privatwirtschaft steht die „Kannibalisierung der Kommunen“ untereinander: Große Städte bieten mehr Geld als kleine Gemeinden – das hat zur Folge, dass beispielsweise ausgebildete Feuerwehrleute ins Ruhrgebiet abwandern. Da wären noch die Baby-Boomer, die in den Ruhestand gehen und nicht selten ein Drittel der Belegschaft ausmachen – in Hünxe beispielsweise sind 40 von gut 100 Mitarbeitenden aktuell älter als 55 Jahre. Gegen diese Entwicklung ausbilden zu wollen, ist nahezu aussichtslos.

FDie Feuerwehren kleinerer Kommunen bilden aus – weil große Städte aber besser bezahlen, wandern etliche Feuerwehrleute ab.
FDie Feuerwehren kleinerer Kommunen bilden aus – weil große Städte aber besser bezahlen, wandern etliche Feuerwehrleute ab. © picture-alliance/ dpa / ZB | Arno Burgi

Dinslaken sucht auf seiner Internetpräsentation Feuerwehrleute, Informatiker, Notfallsanitäter, Rettungsassistenten, aber auch Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen, Bauleiter Hochbau, Digitalisierungsfachleute. Begehrte Fachkräfte, die gerade nicht beim öffentlichen Dienst Schlange stehen. „Auch wir suchen Ingenieure, im sozialen Bereich für die Kinder- und Jugendhilfe fehlen Leute“, sagt Swen Coralic, Sprecher der Stadt Wesel. Die Konkurrenz um die Köpfe ist riesig. Der öffentliche Dienst hat es als Arbeitgeber schwer, weil die Privatwirtschaft insbesondere im technischen Bereich höhere Gehälter zahlt, sagt Klaus Janczyk, Sprecher in Moers. Auch er verweist auf die Konkurrenz zu großen Städten.

Bewerber haben die Wahl unter den Arbeitgebern

Heute ist der Arbeitsmarkt ein Arbeitnehmermarkt, sagt Barbara Ossyra, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Wesel, die für die Kreise Wesel und Kleve zuständig ist. Heißt für die kommunalen Verwaltungen: Sie müssen sich bei potenziellen künftigen Mitarbeitern bewerben, um ihre Personallücken füllen zu können. Für die geburtenstarken Jahrgänge, vom Konkurrenzkampf um Stellen geprägt, ist das eine auf den Kopf gestellte Arbeitswelt.

Die Stadt Voerde hat festgestellt, dass die Menschen aus dieser starken Position heraus weniger bereit sind als früher, lange Anfahrtswege zur Arbeit in Kauf zu nehmen. Die Rekrutierung von Arbeitskräften werde „zusätzlich dadurch erschwert, dass die Reichweite der Stellenausschreibungen deutlich abnimmt“, sagt Sprecherin Miriam Gruschka. Vakante Stellen sind mitunter lange unbesetzt, zwischen drei Monaten und eineinhalb Jahren meldet beispielsweise die Stadt Rheinberg. Kamp-Lintfort hat im Kita-Bereich eine Dauerausschreibung geschaltet. Entscheidend für eine Wiederbesetzung ist auch, ob die Stellen erwartbar frei werden oder plötzlich. Da sich aber das Personalkarussell immer schneller dreht, gibt es häufig auch kurzfristig freiwerdende Stellen. Diese zeitnah zu besetzen, fällt selbst dem Kreis Wesel häufig schwer.

Nicht nur in Rheinberg und Neukirchen-Vluyn wünscht man sich, in der Entlohnung flexibler sein zu dürfen, um konkurrenzfähiger zu werden. Zudem müsste der Gesetzgeber die Standards senken, die für die Bewerber gelten, heißt es aus Rheinberg. Neukirchen-Vluyn wünscht sich „mehr interkommunale Kooperation im Bereich Qualifizierung und Recruiting“. Xanten schlägt vor, um den Nachwuchs im technischen Bereich für den öffentlichen Dienst zu begeistern, an den Hochschulen zu werben. Weitere Lösungsansätze sind die schnelle Digitalisierung, eine Verschlankung der Gesetzesvorgaben und ein Stopp des ständigen Aufgabenzuwachses. Nahezu alle Kommunen versuchen in dieser Situation mit weichen Faktoren zu punkten, weil sie Einkommensargumente kaum ins Feld führen können: Krisensicherheit, flexible Arbeitszeiten, Qualifizierungs- und Fortbildungsmöglichkeiten, betriebliches Gesundheitsmanagement, Teilzeitarbeit, Jobsharing, Homeoffice und Aufstiegschancen nennt Alpen beispielsweise.

Service beginnt zu leiden

Bürgerinnen und Bürger bekommen das Problem zunehmend zu spüren, obschon sich die Verwaltungen Mühe geben, Engpässe auszugleichen. Öffnungszeiten der Rathäuser wurden teils reduziert, Bearbeitungszeiten verlängern sich, in Sachen Wohngeld gibt es hier und dort Bearbeitungsstau, Bauanträge und gutachterliche Stellungnahmen dauern, die telefonische Erreichbarkeit ist eingeschränkt, Projekte mussten verschoben werden, heißt es in Stellungnahmen aus Kreis und Kommunen.

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