Kreis Wesel. Ein Spaziergänger sah sie, Kanufahrer auch: Im Rhein zwischen Wesel und Duisburg ist eine Robbe unterwegs. Was den Seehund zu uns bringt.
- Ein Seehund ist im Rhein zwischen Duisburg und Wesel unterwegs. Ihn zu entdecken ist schwierig, doch auch die Robbe zeigt großes Interesse am Menschen. Viele Fragen sind offen.
- Warum schwimmen Seehunde mehr als 250 Kilometer von der Nordsee an den Niederrhein?
- Wird die Robbe ihren Weg zurück ins Meer finden?
- Gibt es genug Nahrung für das Tier – und sind die Schiffe auf dem Rhein eine Gefahr?
Seehunde sind den Menschen sympathisch – auch denen am Niederrhein, die solche Tiere in der eigenen Region kaum zu Gesicht bekommen. Das ist dieser Tage anders: Ein neugieriges Exemplar ist derzeit im Rhein zwischen Duisburg und Wesel unterwegs. Spaziergänger Marvin Schneiders sah das Tier am Montag gegen 13.45 Uhr auf Höhe von Voerde-Götterswickerhamm.
Seehund am Niederrhein: Auf einmal guckt die Robbe die Menschen an
Stefan Vohl vom Beeckerwerther Kanuverein bekam die Robbenart bereits am Sonntag zu Gesicht: „Wir haben heute auf unserer Kajak-Tour von Duisburg nach Xanten erneut einen Seehund gesichtet: bei Rheinkilometer 803/ rechtsrheinisch bei Voerde. Ein possierliches Exemplar (kleiner als der Seehund letztes Jahr), dafür aber mit einem ausgeprägten Jagdinstinkt“, meldet er.
Possierlich – und das Interesse scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Spaziergänger Marvin Schneiders sah das Tier am Montag gegen 13.45 Uhr Höhe Voerde-Götterswickerhamm. „Auf einmal guckte uns die Robbe für bestimmt 20 Sekunden neugierig an. Dann tauchte sie ab und guckte erneut“, berichtet Marvin Schneiders. Dann verschwand der Seehund.
Alles nur ein Fake? Nein, aber sehr selten sind solche Sichtungen schon. 2014 ließ sich ein Seehund im Düsseldorfer Medienhafen blicken, 2020 in Krefeld, im Februar 2022 war ein Tier mehrere Tage lang bei Duisburg und Krefeld im Rhein unterwegs, es wurde mehrfach von Augenzeugen in Bildern und Videos dokumentiert. Nun also hat sich wieder ein vorwitziges Exemplar bis an den Niederrhein vorgewagt. Sind diese Seehunde krank? „Jedes Säugetier ist neugierig“, sagt dazu Paul Schnitzler von der Biologischen Station im Kreis Wesel. Er geht fest davon aus, dass der Seehund über die Rheinmündung aus der Nordsee kommt, über das Sperrwerk Nelterjans in Holland beispielsweise. „Die Sperrwerke sind die meiste Zeit offen, nur bei Springflut werden sie geschlossen“, erläutert Schnitzler.
Junge Robben, die die Abenteuerlust an den Niederrhein lockt
Während die zweite Robbenart der Nordsee, die Kegelrobbe, sich kaum von der Küste entfernt, sind Seehunde unternehmungslustige Zeitgenossen. In den Niederlanden ist es nicht ungewöhnlich, die Tiere im Binnenland anzutreffen, wie der „Verspreidingsatlas“ dokumentiert, von acht Naturschutzorganisationen und vielen Freiwilligen erstellt und kontinuierlich auf dem Laufenden gehalten. Rheinaufwärts hingegen sind solche Sichtungen selten. Tobias Rautenberg von der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet sagt, dass es sich in der Regel um „Jungspunde“ handelt, die noch nicht geschlechtsreif sind. Die Alten sind mit der Paarung und Familienplanung beschäftigt.
Schafft es die Robbe, zurück in die Nordsee zu schwimmen? „Das bisschen Rhein macht die locker“, ist Schnitzler zuversichtlich, der das Tier zu gern selbst mal sehen würde. Wo ihre Vorgänger hin sind, ist indes nur spärlich belegt, Kadaver seien aber nicht gefunden worden.
Tobias Rautenberg berichtet, dass der Seehund von 2022 vier Tage, nachdem er in Duisburg verschwand, kurz hinter der niederländischen Grenze fotografiert wurde. Es zog ihn zügig zurück in die Nordsee nach dem Besuch am Niederrhein. Warum auch nicht, der Tisch im Rhein ist reichlich gedeckt. „Erwachsene Seehunde ernähren sich hauptsächlich von Fisch, davon gibt es genug“, so Schnitzler. Jungtiere dagegen mögen auch Krabben und Krebse, auch davon bietet der Strom ausreichend. Die Chancen, dass er seinen Ausflug genießt, stehen also gut.
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Dass der Seehund und seine möglichen Nachfolger zurück in die Nordsee kehren, ist sicher. „Es gibt mit Ausnahme der Kaspischen Robbe und der Baikalrobbe auf der ganzen Welt keine Robben, die sich im Binnenland ansiedeln“, sagt Rautenberg. Bei ersteren haben ihre Gewässer durch eine Laune der Natur den Zugang zum Meer verloren, sie blieben dennoch.
Und die Schiffe? „Seehunde sind Schiffsverkehr gewohnt“, erläutert Rautenberg. Sie sind beispielsweise in der Elbmündung unterwegs, mitunter bis in den Hamburger Hafen. „Von angefahrenen Robben ist bislang nicht viel berichtet worden. Die Tiere hören sehr gut unter Wasser und auf dem Rhein werden ja überschaubare Geschwindigkeiten gefahren.“ Eine Gefahr gebe es für die Tiere allerdings schon: Herumschwimmende Abfälle, Angelleinen beispielsweise, können sie verletzen.