Kreis Wesel. 2022 war ein Jahr der Klima-Extreme. Im Kreis Wesel zeigte sich das im Sommer. Die extreme Trockenheit könnte sich in Zukunft noch verschärfen.

Ganz zum Schluss hatte das Jahr noch einen Wetterrekord in der Hinterhand, zumindest einen gefühlten, denn eine offizielle Messstelle gibt es im Kreis Wesel nicht. Knapp 18 Grad waren es am Silvestertag, für Hartgesottene war in der Nacht zum Neujahrstag sogar Böllern im T-Shirt drin. Weil dazu kräftiger Wind wehte, konnte man mit etwas Fantasie meinen, dass der Wettergott eine Botschaft zum Jahresende rüberbringen wollte: Irgendetwas läuft gehörig schief.

Natürlich ist Wetter kein Klima – und an Wettergötter glauben Wissenschaftler ohnehin nicht. Doch die Experten sind sich ziemlich einig: Das Jahr 2022 war (mal wieder) ein Jahr der klimatischen Extreme – der Deutsche Wetterdienst (DWD) nannte es „außergewöhnlich“.

Nach vorläufigen Zahlen betrug die Durchschnittstemperatur in NRW 11,2 Grad und lag damit deutlich über dem Vorjahr 2021 (9,7 Grad) und dem langjährigen Mittel von 9,0 Grad. Der DWD spricht deshalb von Rekordwärme.

Die Folgen haben sich im Kreis Wesel im vergangenen Sommer deutlich gezeigt: Der Rhein führte so wenig Wasser wie noch nie, zahlreiche kleinere Gewässer trockneten komplett aus, unzählige Fische verendeten, die Böden waren knochentrocken, zwischenzeitlich wurde die Wasserentnahme aus Gewässern behördlich verboten.

Im August konnte man die gefallenen Regentropfen sprichwörtlich an einer Hand abzählen, gerade mal an drei Tagen regnete es überhaupt – und das, was da an Wasser vom Himmel kam, war nicht wirklich der Rede wert: So registrierte die Lineg in ihren Messstellen auf der linken Rheinseite gerade mal fünf Millimeter Niederschlag über den gesamten Monat, so wenig wie seit gut 90 Jahren nicht. Auf der rechten Rheinseite sah es nicht anders aus. Der Sommer war insgesamt noch trockener als der im Jahr 2018.

Starkregen und Dürren nehmen in Zukunft zu

„Es gab 2022 eigentlich nur zwei normale Monate“, sagt Matthias Kleinke, Professor für Umwelttechnik an der Hochschule Rhein-Waal. Das seien der April und der Dezember gewesen. Allerdings gilt für den letzten Monat des Jahres: Nach den frostigen Wochen bis kurz vor Weihnachten hat sich das mit der Normalität zum Ende hin durch die extrem warmen Tage noch mal ein gutes Stück relativiert. Für Kleinke ist jedenfalls klar, dass das vergangene Jahr den Trend für die Zukunft erneut verfestigt hat: „Die Extreme werden weiterhin zunehmen.“ Das gelte für lange Trockenphasen bis hin zu Dürren genauso, wie für Starkregenereignisse und Unwetter.

Für Kommunen und den Kreis wird es in den nächsten Jahren weiterhin zu den wichtigsten Aufgaben gehören, sich auf die Folgen des Klimawandels einzustellen, das betrifft ebenso die Landwirtschaft.

Zwar kann jeder und jede im Kleinen etwas dazu beitragen, dass die Klimakrise sich nicht noch weiter verschärft, aber letztlich fallen diese Entscheidungen in der Weltpolitik. So ist Kleinke etwa enttäuscht gewesen von der Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm El-Scheich im vergangenen Herbst. „Da ist quasi nichts bei rausgekommen“, findet er. Der Wissenschaftler fordert von der Politik zudem, dass die Energieeinsparungen, die wegen des Krieges in der Ukraine nötig wurden, stärker auch mit dem Blick aufs Klima verknüpft werden. Es sollten mehr Anreize geschaffen werden, die Menschen dauerhaft dazu bewegen, weniger Energie zu verbrauchen. „Denn das Bewusstsein ist gestiegen“, sagt Kleinke.