Kreis Wesel. Im Kreis Wesel sind die Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe zuletzt stark gestiegen. Und daran dürfte sich so schnell nichts ändern.

Höherer Bedarf, gestiegene Anforderungen und Kosten: Entsprechend dem Landestrend geben auch die Jugendämter im Kreis Wesel mehr Geld für die Kinder- und Jugendhilfe aus. Laut dem statistischem Landesamt sind die Ausgaben in diesem Bereich im Jahr 2021 um mehr als 25 Millionen Euro gestiegen – auf 322.528.000 Euro Das macht ein Plus von 8,4 Prozent aus. Der Kreis Wesel liegt damit über dem Landestrend mit 7 Prozent und verzeichnet im Vergleich zu den anderen Kreisen in diesem Regierungsbezirk den höchsten Anstieg. Im Kreis Kleve stiegen die Ausgaben den Angaben zufolge beispielsweise um 7,1 Prozent, im Kreis Viersen um 7,8 Prozent.

Der Landkreistag NRW hat sich in einer Mitteilung angesichts der hohen Kinder- und Jugendhilfeausgaben alarmiert gezeigt: „Die aktuelle Statistik zeigt, dass sich die Kostenspirale bei den Sozialausgaben ungebremst fortsetzt. Die Schere zwischen den kommunalen Einnahmen und Ausgaben geht immer weiter auseinander“, wird der Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Klein zitiert. Schon vor der Corona-Krise seien die Kinder- und Jugendhilfeausgaben stark angestiegen. Diese Entwicklung nehme seitdem an Dynamik dramatisch zu. Und die zusätzlichen Auswirkungen durch die Energiekrise seien noch nicht absehbar. „Die Krisen beschleunigen die Entwicklung: Die Ausgaben im Sozialbereich steigen immer weiter und immer schneller. Das trifft in NRW die Kreise als Träger der Soziallasten in besonderem Maße.“

Wie die Jugendämter im Kreis Wesel organisiert sind

Im Kreis Wesel haben Städte wie Moers, Dinslaken, Rheinberg, Voerde, Kamp-Lintfort und Wesel ein eigenes Jugendamt, das Kreisjugendamt ist für Xanten, Neukirchen-Vluyn, Hamminkeln, Hünxe, Schermbeck, Alpen und Sonsbeck zuständig. Diese Kommunen zahlen eine Umlage an den Kreis. Unter die Kinder- und Jugendhilfe fallen etwa die Kindertagesbetreuung, Hilfen zur Erziehung, die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfen für junge Volljährige sowie vorläufige Schutzmaßnahmen.

Ralf Berensmeier, Kreisdirektor.
Ralf Berensmeier, Kreisdirektor. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

In die oben genannten Zahlen fließen alle Jugendämter mit ein, Zahlen für das Kreisjugendamt allein gibt es nicht, ordnet Dezernent Ralf Berensmeier vom Kreis die Daten des statistischen Landesamts ein. Dennoch lasse sich eine allgemeiner Tendenz beschreiben, die aus seiner Sicht zu einem Anstieg der Ausgaben führe. Berensmeier nennt hier höherer Pflege- und Tagessätze, damit auch steigende Personalkosten sowie zunehmende Fallzahlen bei den ambulanten Hilfen zur Erziehung.

Größter Kostenfaktor bei den Ausgaben: Kindertageseinrichtungen

Der größte Kostenfaktor 2021 entfiel bei den Kinder- und Jugendhilfen laut statistischem Landesamt kreisweit auf den Bereich der Kindertagesbetreuung. Hier gab es mit einem Plus von 10,4 Prozent auch den größten Anstieg. Berensmeier führt das auf eine gesetzliche Änderung zurück: „Zum August 2020 ist das neue KiBiz-Gesetz in Kraft getreten.“ Damit einher ging etwa das zweite beitragsfreie Kita-Jahr, längere Betreuungszeiten und somit steigende Personalkosten oder auch eine Senkung der Trägeranteile und somit weniger Entlastung für die Kommunen, erläutert er. Und auch die Corona-Pandemie dürfte ihren Beitrag geleistet haben. Berensmeier erinnert an die beitragsfreien Monate während der harten Lockdowns unter anderem zu Beginn 2021.

Lassen sich anhand der gestiegenen Kosten auch bereits die Folgen auf Psyche von Kindern und Jugendlichen durch die Pandemie erkennen? An den Kosten in der Vergangenheit lässt sich das wohl nicht ablesen. Aber: „Das ist jetzt deutlich spürbar. Familien und Betroffene melden sich und benötigen Hilfe“, so der Dezernent. Das mache sich daran bemerkbar, dass das Jugendamt mehr Hilfen zur Erziehung oder Eingliederungshilfe leiste, so Tanja Witthaus, Leiterin des Kreisjugendamts. Auch die Zahl der Kindeswohlgefährdungen ist zuletzt deutlich gestiegen. Mehr Fälle würden gemeldet, die Menschen seien wachsamer, eher bereit, Hinweise zu geben, so Berensmeier. Eine wichtige Entwicklung.

Fachkräftemangel zeigt sich deutlich - Kosten werden kaum sinken

Und es kommen weitere Belastungen hinzu, etwa bei den Kindertageseinrichtungen: „Neben den hohen Energiepreisen ist auch das Bauen sehr teuer geworden“, so Berensmeier. Zudem schwebe über allem der Fachkräftemangel: „Wir sind mittendrin“, sagt der Dezernent. „Viele Stellen bleiben offen oder werden erst mit starkem zeitlichen Versatz nachbesetzt.“ Das betreffe den Aufsuchenden Dienst sowie die Einrichtungen der Kindertagespflege, weil etwa Erzieher und Erzieherinnen fehlten. „Mit dem geplanten und beschlossenen Haushalt kommen wir für 2022 aus“, so Berensmeier. Wie es dann weiter gehe, sei offen. Man müsse von Jahr zu Jahr bewerten. Nachdem die Kosten zuletzt aber immer steigend waren, ist kaum davon auszugehen, dass die Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe so schnell sinken: „Die Fälle werden komplexer und teurer.“ Positiv aber auch: Dort könne Hilfe geleistet werden.