Kreis Wesel. Der schlechteste Radweg im Kreis Wesel ist gefunden – er steht für klassische Hindernisse auf dem Weg zur Mobilitätswende. Der zähe Lösungsweg.
Warum ist es so schwierig, die Menschen zum Wechsel vom Auto aufs Fahrrad zu bewegen? Die Antwort liegt auf der Hand: Die Verkehrsinfrastruktur im Kreis Wesel ist nach wie vor auf das Auto ausgerichtet, miserable Radwege sorgen für Gefahren und schrecken ab. Die Grünen im Kreis Wesel haben das Problem erkannt, Abhilfe zu schaffen ist indes nicht ganz so einfach: Alle paar Kilometer ändert sich die Zuständigkeit.
Jetzt hat die Kreistagsfraktion der Grünen einen Wettbewerb gestartet: Gesucht war der schlechteste Radweg im Kreis Wesel. Getroffen hat es den an der Rheinberger Straße zwischen Trotzburg-Kreuzung und Verbandsstraße in Moers, und zwar in beiden Fahrtrichtungen. Nicht, weil es im Kreis nicht weitere beklagenswerte Verbindungen gäbe, sondern schlicht, weil die Moerser Grünen reagiert und dokumentiert haben. Dabei, das betonen sie ausdrücklich, tue ihre Stadt viel für die Radinfrastruktur. Mehr als andere sogar, doch auch sie stößt an Grenzen.
Das RVR-Radwegekonzept setzt die Maßstäbe
Den Maßstab, der für die Grünen einen guten Radweg ausmacht, hat der RVR mit seinem Radwegekonzept bereits 2018 gesetzt: Standards für Radhauptverbindungen sind da beispielsweise zwei Meter Breite plus 2,50 Meter für Fußgänger, im Begegnungsverkehr drei Meter Radweg. Gemeinsame Geh- und Radwege im Gegenverkehr müssten demnach mindestens vier Meter breit sein. Werte, von denen die meisten Radler im Kreis Wesel nur träumen können.
Dabei geht es darum, das Fahrrad im Alltagsverkehr zu einem gut genutzten Verkehrsmittel zu machen – nicht nur auf touristischen Routen. Weitere Grundlage zur Beurteilung der Qualität: das Mobilitätskonzept des Kreises. Ideen und Realität klaffen weit auseinander. Die Grünen suchen Lösungen.
„Was wir mit diesem Radweg dokumentieren wollten, ist, dass es riesige Altlasten gibt aus der Zeit der Wirtschaftswunderjahre“, sagt Christian Hommel, Grünen-Ratsherr in Moers. Der Versuch, gleichwertige Verkehrsverhältnisse für Radfahrer und Autoverkehr zu schaffen, scheitere an vielen Stellen. Weil ein Betonklotz im Weg steht, weil die Kommunen zu wenig Planer haben, die Zuständigkeiten am Ortsausgangsschild enden, die Finanzierung aus den unterschiedlichsten Baulastträgern nicht funktioniert, Grundstückseigentümer pokern. Inzwischen habe sich gezeigt, dass der Landesbetrieb Straßen NRW dankbar vorgefertigte Planungen der Kommunen aufgreift – so geschehen beim Radschnellweg 1 Richtung Neukirchen-Vluyn. Ein Weg also, die Dinge zu beschleunigen.
Alles dauert viele Jahre – Geduld und Ausdauer sind gefragt
Ach ja, beschleunigen: In Deutschland dauern Planungen Jahre, kritisieren die Grünen. Dagegen kommt offensichtlich auch die schwarz-grüne Landesregierung nicht von jetzt auf gleich an.
Betroffen ist nicht nur Moers, das zumindest zunächst in der „Wir-Vier-Region“ gute Verbindungen schaffen will. „Es gibt riesige Lücken. Versuchen Sie mal, von Sterkrade nach Dinslaken zu fahren“, sagt Andreas Blanke, Fraktionsgeschäftsführer. Auch die Verbindung nach Voerde und weiter nach Wesel sei lückenhaft – irgendwie scheinen gute Ansätze nach wenigen Kilometern im Radwege-Nichts zu enden.
Der Kreis soll zwischen den Baulastträgern koordinieren
Einen Lösungsansatz sieht die Grünen-Kreistagsfraktion darin, dass der Kreis Wesel die Koordinierung der verschiedenen Baulastträger übernimmt, den Kommunen mit ihren begrenzten Möglichkeiten also ein vernetztes Handeln einfacher macht, sie mit dem Landesbetrieb Straßen.NRW und weiteren Akteuren besser vernetzt. Das, so der Grüne Kreistagsabgeordnete Jürgen Bartsch, müsse Vorrang haben vor Projekten wie einem kreisweiten Fahrradverleihsystem. „Die Verwaltung muss handeln. Wir wollen nicht, dass ein Vorzeigeprojekt umgesetzt wird und man sich darauf ausruht.“ Erste Priorität müsse die Fahrradinfrastruktur haben.