Kreis Wesel. Nach langer Durststrecke sind die Schausteller nun unterwegs - mit Hoffnung und etwas Skepsis. Das sind die Sorgen der Branche im Kreis Wesel.
Lockdowns, exorbitante Preissteigerungen und Personalmangel: Die Schaustellerbranche im Kreis Wesel schwankt zwischen Hoffen und Bangen. Aktuell sind wieder Volksfeste erlaubt und das Volk feiert gern. So sehr, dass es gar nicht so einfach ist, die Schausteller zu sprechen, viele haben derzeit alle Hände voll zu tun. Rudolf Edling, Vorsitzender des Schaustellervereins Moers, erreichen wir auf der Cranger Kirmes. Er freut sich auf die Moerser Kirmes am ersten Septemberwochenende, „das wird genauso wie vor der Pandemie“, sagt er, „die Kommunen erlauben uns wieder, Geld zu verdienen nach zwei Jahren Berufsverbot.“ Obwohl: Für die abgespeckte Version im vergangenen September auf dem Friedrich-Ebert-Platz hat er viel Lob und im Herbst steht auch noch die Dinslakener Martinikirmes an. Anlass für etwas Optimismus.
Wie geht es der Branche? „Meine Kinder haben 2018 ein Fahrgeschäft für 1,5 Millionen Euro gekauft. Dann kam die Pandemie“, nennt er ein Beispiel, wie es Schaustellern ergehen kann. Allerdings hätten die Banken mitgespielt. Aktuelle Sorge ist ein riesiges Personalproblem, „viele Kollegen sagen Veranstaltungen ab, da geht es uns wie in der Gastronomie.“
Nach der Corona-Zwangspause droht Weseler Traditionsunternehmen das Aus
Josef Wittler, alteingesessener Weseler Schausteller, hat wenig Grund für Optimismus. „Corona hat alles kaputt gemacht“, sagt er. Sein Kinderkarussell stand zwei Jahre still, nun ist das Getriebe eingerostet, das Fahrgeschäft steht in der Werkstatt. In diesem Jahr gab es für Wittler noch keinen Einsatz. „Die Süßwaren mussten wir wegwerfen, die waren nicht mehr haltbar. Pfeilbude und einen Sprinter habe ich verkauft, von irgendetwas müssen wir ja leben.“ Eine bittere Situation für den 72-Jährigen, der seit den 70er Jahren im Geschäft ist. „Ich denke daran, das Gewerbe abzugeben, es rechnet sich überhaupt nicht mehr.“
„Wir wissen nicht, was auf uns zukommt“, sagt Kollegin Simone Böttner-Pollmann aus Wesel. „Mit dem Personalmangel, das ist eine Katastrophe. Ich weiß nicht, wo die Leute alle hin sind, die sonst arbeiten wollten...“ Seit dem Ukraine-Krieg bemerke man schon mitunter, dass die Menschen zurückhaltender ihr Geld ausgeben, aber das sei von Ort zu Ort sehr unterschiedlich. Böttner-Pollmann betreibt Imbissstände, die Preise für Fett und Wurst seien explodiert, „jede Woche kommen wieder Erhöhungen“.
Mike Bengel Vorsitzender der Schausteller Groß-Duisburg ist viel am Niederrhein unterwegs. Er freue sich, dass Dinslaken in diesem Jahr wieder eine Kirmes hat, so wie es vor der Pandemie war. „Einige Kollegen sind in Not geraten“, sagt er, es habe mit den Überbrückungshilfen nicht gut funktioniert. „Viele sind aber Familienbetriebe, da geht immer etwas.“ Er gibt sich optimistisch, was den Herbst angeht, „alle sind geimpft und geboostert und das Leben ist zu kurz, um für zwei oder drei Jahre den Spaß abzudrehen“, sagt er. Die Kirmes sei ein Ort, an dem man sich trifft, ein „Antidepressivum, hier kann man von Herzen lachen.“ Und so sei es seit Urzeiten, entstanden aus den Kirchweihfesten, so schnell nicht unterzukriegen.
Manche Kollegen haben sich umorientiert, weg vom Schaustellerdasein
Ronny Langenberg, Sektionsleiter Dinslaken des Schaustellervereins Essen, sieht auf den Volksfesten mehr Leute als sonst, sie feiern gern. Doch nicht alle Kollegen sind wieder dabei. „Wer aus Altersgründen ohnehin in zwei oder drei Jahren aufgehört hätte, fährt jetzt nicht für die kurze Zeit wieder hoch“, sagt er. Andere hätten sich umorientiert, „sie haben Biergärten eröffnet oder Minigolfanlagen und genießen jetzt einen geregelten Tagesablauf“. Den bietet der Schaustellerberuf nicht. Für die Kollegen sei neben Dinslaken und Moers auch die Honigkirmes in Hünxe interessant, die nach einigem Stillstand wieder deutlich an Attraktivität zugelegt habe, „es ist eine Kult-Kirmes“, sagt Langenberg. Hünxe, Moers und Dinslaken werden gut funktionieren, davon ist er überzeugt.
Im Grunde schaut auch Langenberg, er bietet auf den Volksfesten Churros an, optimistisch auf die Zukunft. Doch es gibt einige Fragezeichen. „Irgendwann könnte den Leuten das Geld ausgehen“, befürchtet er – dann, wenn die Nachzahlungen ins Haus flattern, die Strompreise steigen und auch die Angebote der Kirmes spürbar teurer werden. „Die Leute schimpfen, dass alles so teuer ist“, sagt er, „aber der Mindestlohn ist gestiegen, die Spritpreise schnellen hoch.“ Auch die Warenrechnung steige stetig. Trotzdem: Es gibt wieder Volksfeste, nicht nur die ganz großen, und die meisten Schausteller wollen durchstarten.