Kreis Wesel. Wie steht die neue Landesregierung zum Kiesabbau? Die Politik im Kreis Wesel möchte Einfluss nehmen. Rückenwind bekommen sie jetzt aus Münster.
Die Weseler Kreispolitik nutzt derzeit alle Möglichkeiten, um Einfluss auf die zukünftige Rohstoffpolitik der neuen NRW-Landesregierung zu nehmen. Landrat Ingo Brohl hat Briefe an Hendrik Wüst und Mona Neubaur geschickt, in denen er auf eine komplette Neujustierung des Kiesabbaus im Kreis Wesel drängt, die auch die Belange der Landwirtschaft, des Grundwassers sowie der Flora und Fauna in den Blick nimmt. Eine weitreichende Resolution, die der Kreistag am Donnerstag einstimmig beschlossen hat, soll außerdem am Montag nach Düsseldorf geschickt werden.
Dort haben Schwarz und Grün am Freitag die Koalitionsbildung beschlossen. Wie der Koalitionsvertrag ausgestaltet ist, ist noch nicht bekannt. Dass der zukünftige Umgang mit dem Abbau von Rohstoffen, insbesondere Kies und Sand, bei den Verhandlungen wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle spielte, zeigte aber bereits das Sondierungspapier.
Sowohl CDU als auch Grüne wollten sich auf Nachfrage noch nicht dazu äußern. Die Grünen bestätigten immerhin, dass Ingo Brohls Brief vorliegt.
Angesichts dieser unklaren Lage wollen Kreis und Fraktionen den Druck hochhalten und durchsetzen, dass die Interessen des Kreises Wesel und seiner Bevölkerung nicht wieder kategorisch hinter politisch begünstigten Unternehmensinteressen stehen.
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster (OVG) vom 3. Mai wirkt in dem Zusammenhang wie ein Durchlauferhitzer für die betroffenen Kiesabbaugebiete. Das Gericht hatte damals bekanntlich die Ausweitung des Versorgungszeitraums für Kies und Sand im Landesentwicklungsplan auf 25 Jahre als unzulässig gewertet und damit auch die Festlegung zusätzlicher Kiesabbaugebiete am Niederrhein im neuen Regionalplan Ruhr verhindert.
Das Gericht warf dem Land vor, nicht ausreichend zwischen wirtschaftlichen und regionalen Belangen abgewogen zu haben. Mittlerweile liegt die umfangreiche Urteilsbegründung vor. Und darin stellt das OVG dem Land und seinen Planungsbehörden ein vernichtendes Zeugnis aus.
„Der festgestellte Abwägungsmangel ist beachtlich“, schreibt das OVG und kommt zu dem Schluss, dass ausschließlich wirtschaftliche Belange und die Interessen der Kiesindustrie berücksichtig wurden. Entgegenstehende Argumente wie Flächenfraß oder Umweltbeeinträchtigungen seien in keiner Weise angemessen in die Abwägung einbezogen worden.
Festlegen möchte sich das Gericht zwar nicht, allerdings dränge sich der Eindruck auf, dass mit der Verlängerung des Versorgungszeitraums auf 25 Jahre „lediglich ein politisch gewünschtes und insoweit verbindlich vorgegebenes Ergebnis planerisch legitimiert werden sollte“.
In der Tat legt das OVG umfangreich dar, wie sehr sich Land und Planungsbehörden ausschließlich am vermeintlichen Rohstoffbedarf und der damit einhergehenden Planungssicherheit für die Kiesunternehmen orientiert und sämtliche Bedenken ignoriert haben.
Mit dem Argument des großen Rohstoffbedarfs hatte das alte Wirtschaftsministerium unter Andreas Pinkwart (FDP) zum Beispiel auch ein Moratorium auf weitere Kiesflächen-Ausweisungen abgelehnt, das Landrat Ingo Brohl Anfang Oktober gefordert hatte. Diese Forderung stellt Brohl im Gespräch mit der Redaktion nun erneut. Für ihn sei klar, dass die Ausweisung von Kies- und Sandabbauflächen vom Regionalplanentwurf getrennt betrachtet werden müsse. Damit könne der Regionalplan weiter auf den Weg gebracht werden. Außerdem sei der Weg frei für eine Neujustierung der Rohstoffpolitik auf Landesebene. „Vielleicht ist man da ja jetzt klüger“, so der Landrat.