Kreis Wesel. Im Streit um weitere Kiesabbauflächen im Kreis Wesel will das Oberverwaltungsgericht am Montag ein Urteil fällen. Worum es in der Klage geht:

Mit Spannung richten sich die Blicke betroffener Kommunen, Bürgerinitiativen, Politiker und der Kiesindustrie am kommenden Montag nach Münster. Um 10.30 Uhr beginnt dort vor dem Oberverwaltungsgericht eine Verhandlung, die in der höchst umstrittenen Frage des Kiesabbaus im Kreis Wesel die Basis für den grundsätzlichen zukünftigen Umgang mit noch vorhandenen Kiesflächen am Niederrhein legen könnte. Und unter Umständen kann das gesamte Thema noch vor dem Bundesverwaltungsgericht landen.

Es geht um insgesamt mehr als 1100 Hektar potenzieller Kiesabbauflächen, die der Regionalverband Ruhr (RVR) in seinem zweiten Regionalplanentwurf zusätzlich ausgewiesen hat. So soll der Versorgungszeitraum mit Kies und Sand gesichert werden, den die Landesregierung im Landesentwicklungsplan 2019 auf 25 Jahre ausgeweitet hat. Rund 1000 Hektar davon befinden sich im Kreis Wesel, nämlich in den Kommunen Alpen, Rheinberg, Neukirchen-Vluyn, Kamp-Lintfort und Hünxe. Legt man die durchschnittliche Größe eines Fußballfeldes zugrunde, kommt man auf 1400 Spielfelder, die zusätzlich für den Kiesabbau ausgewiesen werden sollen.

Der gesamte Niederrhein ist seit mindestens 100 Jahren vom Kiesabbau betroffen. Wie viel der Fläche bis heute bereits konkret den Abgrabungen zum Opfer gefallen ist, ist nicht zu ermitteln, unter anderem, weil viele Abgrabungen bereits seit langen Jahren existieren und manche beendete Abgrabungsstellen zugeschüttet wurden und nicht mehr zu lokalisieren sind.

Der Kiesstreit im Kreis Wesel könnte ein Fall für das Bundesverwaltungsgericht werden

Auch für noch laufende und genehmigte Abgrabungen gibt es laut Kreis keine offiziellen Zahlen, „da die Zuständigkeit für die Genehmigung von Abgrabungen nach dem Wasserrecht erst 1994 auf den Kreis Wesel übergegangen ist“. Dem Kreis selbst sind von 1994 an bis heute aber laut eigener Aussage rund 250 genehmigte Abgrabungen von Kies, Sand und auch Ton bekannt, die bereits abgeschlossen sind oder noch betrieben werden. Rechne man all diese Abgrabungen zusammen, komme man auf eine Gesamtfläche von 6.800 Hektar im Kreis Wesel, so der Kreis auf Anfrage.

Diese 6800 Hektar teilen sich in 2550 Hektar Wasserfläche und 4250 Hektar Uferbereiche, Schutzstreifen und sonstige Freiflächen auf. Nicht berücksichtigt sind darin die nach Bergrecht genehmigten Abbauflächen im Kreis Wesel. Dafür ist die Bezirksregierung Arnsberg zuständig. Und die weist für den Kreis Wesel derzeit zusätzlich 270 Hektar aus, auf denen Kies abgebaut wird.

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Zusammengerechnet beläuft sich die derzeit bekannte Abbaufläche im Kreis Wesel demnach auf 7070 Hektar oder 9900 Fußballfelder, wobei der Tonabbau einbezogen ist.

Um zu verhindern, dass weitere 1000 Hektar potenzielle Abgrabungsflächen im Kreis Wesel hinzukommen und außerdem einen grundsätzlichen Gesinnungswandel im Umgang mit endlichen Ressourcen wie Kies und Sand zu erreichen, haben der Kreis Wesel und die Kommunen Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn, Alpen und Rheinberg vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Klage gegen das Land NRW eingereicht.

Die Klage richtet sich gegen den Landesentwicklungsplan und das grundsätzliche Verfahren, mit dem der Geologische Dienst NRW den Bedarf für Kies und Sand für die nächsten Jahre errechnet. Laut Kritikern wird die Bedarfsberechnung aus dem historischen Verbrauch entwickelt und fortgeschrieben und bezieht keine neuen Entwicklungen wie zum Beispiel den Einsatz von Recyclingbaustoffen mit ein. Dadurch entstehe ein dynamisches, sich selbst fütterndes System, das immer weiter wachse.

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Der Kreis und die Kommunen machen in ihrer Klage geltend, dass das Land die Verlängerung des Versorgungszeitraumes auf 25 Jahre im Rahmen seines Entfesselungspaketes für die Wirtschaft in NRW vorgenommen und dabei weder die Notwendigkeit der Verlängerung hinterfragt noch Umweltfolgen abgewogen zu haben.

Darüber wird das Oberverwaltungsgericht Münster am Montag befinden und möchte laut eigener Aussage an diesem Tag auch direkt zu einer Entscheidung kommen. Ob es das Ende der Kiesdebatte ist, ist fraglich. Letztinstanzlich wird das Münsteraner Urteil nicht sein. Damit wäre der Weg zum Bundesverwaltungsgericht noch frei.

>>> Einspruchsverfahren gegen den Regionalplanentwurf läuft weiter <<<
Parallel zu dem Verfahren läuft weiterhin die Offenlage des Regionalplanentwurfs, gegen den Bürgerinnen und Bürger im Kreis Wesel Einspruch einlegen können. Die Einspruchsfrist endet am 29. April. Bürgerinitiativen und Betroffene aus dem gesamten Kreis schicken seit Januar dieses Jahres bereits Einwendungen zum RVR in Essen. Wie viele Einsprüche dort bereits angekommen sind, wollte man dort am Mittwoch nicht sagen. Erst warte man die Frist ab, sagte RVR-Sprecher Jens Hapke auf Nachfrage.