Kreis Wesel. Um gut zu verdienen, scheint der Kreis Wesel kein günstiges Pflaster zu sein, wie eine Studie belegt. Vor allem Frauen sind davon betroffen.

Sie arbeiten hart, doch am Ende des Monats bleibt nichts übrig: 20,3 Prozent der Vollzeitbeschäftigten im Kreis Wesel sind Niedriglöhner, heißt: Sie haben weniger als 2284 Euro brutto zur Verfügung. Das ist die bundeseinheitliche Schwelle - Urlaubs- und Weihnachtsgeld inklusive. Damit steht der Kreis Wesel nach einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung auf Platz vier in der Region. Mehr Niedriglöhner zählen demnach nur die Kreise Kleve, Recklinghausen und Unna. Und: Es sind vor allem Frauen betroffen. Die Untersuchung ergibt Zahlen, die man im ländlich geprägten Kreis Wesel eigentlich kaum erwartet hätte. Woran liegt das?

85.128 Menschen waren, Stand Ende 2020, im Kreis Wesel sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigt. 17.306 von ihnen als Niedriglöhner. 16 Prozent aller vollzeitbeschäftigten Männer fallen darunter, aber 29,5 Prozent aller vollzeitbeschäftigten Frauen. Betroffen sind etliche Branchen. Trauriger Spitzenreiter aber ist das Gastgewerbe: Von den 1538 gezählten Vollzeitkräften haben 1139 laut dieser Studie am Ende des Monats weniger als 2184 Euro auf dem Konto.

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Viele Hoffnungen liegen auf der Anhebung des Mindestlohns

„Vollzeit arbeiten und dann zum Amt, Aufstockung beantragen, weil der Lohn nicht zum Leben reicht – das ist bittere Realität für viele Beschäftigte“, kommentiert Angelika Wagner, Geschäftsführerin der DGB-Region Niederrhein die aktuelle Studie des WSI. „Der gesetzliche Mindestlohn ist jetzt im Januar auf 9,82 Euro gestiegen. Er muss nun dringend auf 12 Euro angehoben werden, wie es die neue Bundesregierung angekündigt hat. Das ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Um hier weiter zu kommen, ist darüber hinaus eine Stärkung der Tarifbindung erforderlich.“

Karim Peters, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Nordrhein bezeichnet die versprochene Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro in einer Mitteilung als Meilenstein, besonders für die Beschäftigten in Hotels, Gaststätten, Bäckereien oder Fleischereien.

Zwei Faktoren sprechen grundsätzlich dafür, dass Großstädte Vorteile gegenüber ländlichen Gebieten haben. Entscheidend sei die Produktivität. Und die sei vor allem dort hoch, wo internationale Konzerne und DAX-Konzerne sich ansiedeln, so wie in Großstädten. Und der zweite Punkt: Da die Wohnkosten in Großstädten höher liegen, bekommt man Personal nur, wenn man es entsprechend bezahlt. Das zeigt auch, dass das Bild insgesamt verzerrt ist: Mit einem höheren Lohn bleibt nach Abzug der Kosten in einer Großstadt nicht automatisch mehr übrig in der Geldbörse als etwa in den ländlichen Kreisen Wesel und Kleve.

Zahlreiche kleine Betriebe im Kreis Wesel

Laut Agentur für Arbeit gibt es im Kreis Wesel überwiegend kleine Betriebe, knapp zwei Drittel haben lediglich ein bis fünf Beschäftigte. Von den 10.550 Firmen sind das 6835, weitere 1346 beschäftigen unter zehn Angestellte. Nur 25 Firmen im Kreis Wesel haben demnach 500 und mehr Mitarbeiter, 40 weitere zwischen 250 und 499.

Die Forscher haben die Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit 2020 ausgewertet. Hierbei werden Arbeitsstunden allerdings nicht berücksichtigt. Deshalb werden ausschließlich die Daten der Vollzeitbeschäftigten ausgewertet. Der Medianwert, also ein Mittelwert, lag für sie 2020 bei 3427 Euro brutto im Monat. Nach einer internationalen Definition gilt als Niedriglöhner, wer weniger als zwei Drittel des Medians verdient. Das sind dann 2285 Euro, was bundesweit auf 18,7 Prozent der Vollzeitbeschäftigten zutreffe.