Kleve. Wer ein falsch parkendes Auto in der Stadt sieht, kann dies online zur Anzeige bringen. Immer häufiger machen Bürger davon Gebrauch.

Nanu, was liegt denn da im Briefkasten? Ein Schreiben von der Stadt Kleve: „Schriftliche Verwarnung mit Verwarnungsgeld / Anhörung“ steht drauf. Habe ich mich falsch verhalten? Die Stadt Kleve teilt mir mit, dass ich am 2. März auf der Merowingerstraße vor einer Hauseinfahrt geparkt haben soll. 10 Euro soll ich dafür bezahlen.

2. März, Merowingerstraße? Moment mal, da war doch diese wütende Frau, die am Samstagmorgen auf mein Auto zugelaufen ist und mich anfauchte, ich solle sofort weiterfahren, weil ich vor ihrer Hauseinfahrt stehe. Wir hatten uns sogar kurz unterhalten und ich habe sofort mein Auto vorgesetzt. Und jetzt eine Anzeige wegen Falschparkens? So sieht es aus. Als Beweismittel dient ein Foto, vermutlich aus dem Küchenfenster der guten Dame aufgenommen. Geht‘s noch?

Das Resultat der Bürgeranzeige: ein Verwarnungsgeld.
Das Resultat der Bürgeranzeige: ein Verwarnungsgeld. © NRZ | Andreas Gebbink

Anzeige aufgrund von Bürger-Fotos

Tatsächlich werden diese „Fremdanzeigen“ von Bürgern immer häufiger gestellt, bestätigt Christian Seißer, Fachbereichsleiter Ordnung und Sicherheit in Kleve. Fast jede Stadt im Kreisgebiet biete inzwischen die Möglichkeit, Falschparker beim Ordnungsamt zu melden. Sind die Hinweise begründet und mit einem Foto versehen, kann die Stadt einen entsprechenden Bußgeldbescheid verschicken.

Und da liegt er nun auf meinem Küchentisch, der DIN-A4-Zettel mit dem schwarz-weißen Bildchen. Mein Auto ist darauf zu sehen, mit Nummernschild und vor einer Hauseinfahrt stehend. Klare Kiste für das Klever Ordnungsamt: Hier hat jemand falsch geparkt!

Christian Seißer leitet den Fachbereich Ordnung und Sicherheit der Stadt Kleve.
Christian Seißer leitet den Fachbereich Ordnung und Sicherheit der Stadt Kleve. © NRZ | Andreas Gebbink

Spiegelbild der Gesellschaft

Oder etwa nicht? Was das Foto nicht zeigt: Ich sitze noch im Auto, weil mein Sohn ausgestiegen ist, um gegenüber einen Blumenstrauß zu kaufen. Man sieht auch nicht, dass ich mit der Frau gesprochen und das Auto sofort weggefahren habe. Ich habe also nicht geparkt, sondern nur angehalten. Und das ist in Deutschland auch vor Hauseinfahrten erlaubt - bis zu drei Minuten.

Christian Seißer erklärt, dass Fremdanzeigen grundsätzlich immer geprüft werden und auch nicht in allen Fällen Bußgelder verhängt werden. Bei mir wurde das Verfahren eingestellt. Doch was sagt es über unser Zusammenleben aus, wenn Nachbarn und Anwohner immer öfter zum Amt gehen, um andere anzuzeigen: „Willkommen in der Realität“, sagt Seißer. „Das ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft.“

Falschparken hat enorm zugenommen

Natürlich wolle die Stadt Kleve kein Denunziantentum fördern, aber die Auswüchse des Falschparkens hätten so zugenommen, dass man den Bürgern vor gut drei Jahren diese Möglichkeit eröffnet habe. „Wir können nicht überall kontrollieren“, sagt Seißer.

Und gerade in den Außenbezirken habe das Parken vor Hauseinfahrten, in Kreuzungsbereichen, in Naturschutzgebieten oder auf Grünstreifen stark zugenommen. Mittlerweile ärgern sich Anwohner schon, wenn in verkehrsberuhigten Zonen nicht genau auf den markierten Parkflächen geparkt wird.

Wer
Wer "nette" Nachbarn hat, der kann deswegen Stress bekommen: Der Wagen parkt nicht in den vorgesehenen Parkflächen. © NRZ | Andreas Gebbink

Weniger Rücksicht auf Mitmenschen

Galt früher die Devise, dass in den Dörfern nicht kontrolliert wird, weil man auch auf gegenseitige Rücksichtnahme setzt, ist das heute immer seltener möglich: Statt den Nachbarn auf sein Fehlverhalten anzusprechen, wird die Stadt direkt hinzugezogen.

„Man muss auch ehrlich sein: Wer sich falsch verhält, ist nicht selten auch aggressiv, wenn er darauf angesprochen wird“, sagt Seißer. Eine Erfahrung, die nicht jeder machen möchte.

Kleve hat keinen Anzeigenhauptmeister

Die Dame, die mich in der Merowinger Straße angezeigt hat, hat sehr oft mit Falschparkern zu tun, sagt Seißer. Verständlich, dass man da auf Dauer auf die Palme kommt.

Wir können nicht überall kontrollieren.
Christian Seißer - Leiter des Fachbereichs Ordnung und Sicherheit.

Wurden im vergangenen Jahr 233 Fremdanzeigen von Bürgern verfolgt, waren es im ersten Quartal 2024 bereits 90. Seißer geht davon aus, dass es bis zum Jahresende weit über 500 Fremdanzeigen sein werden.

Einen „Anzeigenhauptmeister“, wie er im Internet kursiert, gibt es in Kleve noch nicht. In der Kreisstadt gibt es noch niemanden, der wie ein Wilder Anzeigen schaltet, wer nicht bei Drei sein Auto richtig geparkt hat.

Zwei Autos pro Haushalt sind Standard

Dass parkende Autos immer öfter zum Ärgernis werden, hängt auch damit zusammen, dass es immer mehr Autos gibt, so Seißer. Vor allem in den Wohngebieten. Zwei Autos pro Haushalt sind Standard, wenn die Kinder groß sind, sind es schnell drei oder vier Autos, die irgendwo untergebracht werden müssen. Dazu kommt, dass die Baugebiete immer dichter bebaut werden, jeder Quadratmeter wird vermarktet, Parkplätze werden nach Möglichkeit reduziert.

Eine Arbeitserleichterung für die Verwaltung seien die Anzeigen von Bürgern übrigens nicht, so Seißer. Denn die Fälle werden mehr und die Stadt muss die Anzeigen auch auf Plausibilität prüfen. Zwei Mitarbeiter im Innendienst sind damit beschäftigt.

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