Kreis Kleve. Hunderte Landwirte demonstrierten. Verkehrschaos blieb aus. Welche Strategie die Bauern verfolgen und was sie als ungerecht empfinden.

Die Landwirte haben mit ihren Treckern am Montagmorgen den Verkehr im Kreis Kleve spürbar verlangsamt, aber nicht für ein Chaos auf den Straßen gesorgt. Hunderte Bauern demonstrierten für den Erhalt der KfZ-Steuerbefreiung und für die Dieselsteuerrückvergütung. In Emmerich, Isselburg, Rees, Goch, Kleve, Uedem und Weeze fanden angekündigte Traktorfahrten und Mahnwachen statt. Größere Zwischenfälle gab es auf den Straßen laut der Kreispolizei Kleve nicht. „Es ist alles gut gegangen“, sagte Polizeisprecherin Manuela Schmickler.

Bauern-Demo rollte über die Rheinbrücke Emmerich

weitere Videos

    Bereits um 6.30 Uhr rollten die ersten zehn Trecker auf der Emmericher Rheinbrücke. Mit Tempo 15 schlichen die Bauern von Emmerich nach Kleve, begleitet wurden Sie auch von zwei Sattelschleppern, die ebenfalls Stimmung machten. Im Berufsverkehr stauten sich die Autos auf der B220 merklich. Entgegenkommende Fahrzeuge hupten ein ums andere Mal und drückten ihre Solidarität mit den Bauernprotesten aus.

    Nahe der A3-Autobahnauffahrt Emmerich-Ost hielten einige Landwirte am Montagmorgen eine Mahnwache ab.
    Nahe der A3-Autobahnauffahrt Emmerich-Ost hielten einige Landwirte am Montagmorgen eine Mahnwache ab. © Kleve | Andreas Gebbink

    An der Autobahnauffahrt zur A3 vor ´s-Heerenberg blieb es ruhig, dafür standen an der Abfahrt Emmerich-Ost mehrere Landwirte, die eine Mahnwache hielten. Auch hier wurde kein Verkehr behindert.

    Großer Andrang beim Demostart in Isselburg

    Rund 200 Traktoren und Lkw starteten ihre Demonstration in Isselburg.
    Rund 200 Traktoren und Lkw starteten ihre Demonstration in Isselburg. © NRZ | mavi

    100 Teilnehmer wurden für die Bauerndemonstration ab Isselburg gemeldet. Tatsächlich fanden sich am Montagmorgen allein an der Anholter Schweiz in Vehlingen zum Auftakt rund 200 Traktoren und Lkw ein. Auch in Bocholt, wo sich weitere Teilnehmer auf der Fahrt bis nach Rhede anschließen sollten, waren mehr als die 150 gemeldeten Protestler eingetroffen. Die Fahrzeuge zogen durch Vehlingen bis zur B67, dann am Münsterlandtor über Werth Richtung Bocholt. Mit Parolen wie „Der Hof brennt, die Politik pennt“ oder „Stirbt der Bauer, stirbt das Land“ machten sie auf ihren Schildern an den Traktoren auf sich aufmerksam.

    Isselburgs Bürgermeister Michael Carbanje sah sich den Auftakt an und unterstützt die Landwirte: „Sie brauchen Planungssicherheit und mussten durch EU-Regelungen bereits viele Einschnitte hinnehmen.“ Die Bevölkerung müsse sich überlegen, was sie wolle: Fleisch aus Argentinien und Eier aus der Ukraine oder lokale Produkte.

    Von der Anholter Schweiz aus ging es Richtung Bocholt.
    Von der Anholter Schweiz aus ging es Richtung Bocholt. © Emmerich | mavi

    Stören, aber nicht frustrieren

    Auch an der Auffahrt zur Autobahn 57 bei Goch war der Bauernprotest deutlich zu vernehmen. „Wir machen hier ein gutes Maß zwischen ein bisschen stören und viel Aufmerksamkeit erwecken, ohne dabei die Menschen zu frustrieren. Das ist wichtig, damit wir nicht mit den Klimaklebern in einen Topf geworfen werden, die nachher nur noch genervt haben“, erklärte am Montagmorgen Josef Tümmers für die Gocher Landwirte.

    Die hatten sich zu einem eindrucksvollen Protestzug mit 50 angemeldeten Zugwagen/Traktoren zusammengeschlossen. Am frühen Morgen waren auch zahlreiche Bauern mit ihren Traktoren in Uedem an der Auffahrt der A 57 aktiv, ebenso wie im Laufe des Morgens auf der Straße Steinbergen und auf der Straße Alte Bahn zu unterschiedlichen Zeiten in beiden Fahrtrichtungen. Den Demonstrationen schlossen sich außerdem Spediteure und viele Handwerker an.

    Demonstrierende Landwirte in Goch.
    Demonstrierende Landwirte in Goch. © NRZ | Anke Gellert-Helpenstein

    Pfalzdorfer Landwirt: Bürokratie nimmt überhand

    „Klar wissen wir, dass Deutschland in Finanznot ist, aber Sparmaßnahmen müssen alle gleichermaßen treffen und nicht uns Bauern in dem Übermaß“, betonte der Pfalzdorfer Ortslandwirt Josef Tümmers als Sprecher der teilnehmenden Gocher Bauern im Gespräch mit der NRZ. „Da geht es ja nicht nur um die Diesel- oder Versicherungssteuer.“ Vielmehr belasten auch höhere Energiekosten, extreme Verwaltungsauflagen und mehr die Betriebe enorm. „Was mich und die Kollegen aufbringt, ist, dass die Landwirte als einzige Berufsgruppe in dem Maße so belastet werden. Das ist die größte Ungerechtigkeit.“

    Und er sprach vielen aus dem Herzen, als er sagte: „Wenn uns seitens der Regierung der Vorschlag gemacht worden wäre, ‚wir entlasten euch im Gegenzug zur steuerlichen Mehrbelastung in Sachen Bürokratie‘, dann hätten wir uns wahrscheinlich drauf eingelassen.“ Denn die reinen Büro-gebundenen Verwaltungsarbeiten belasten die Betriebe ebenfalls extrem und nehmen mehr und mehr überhand.

    Alltagsbegleiterin verteilte Kaffee und Essen

    Erfrischungen gab es für die Teilnehmenden der Demonstration in Goch.
    Erfrischungen gab es für die Teilnehmenden der Demonstration in Goch. © NRZ | Anke Gellert-Helpenstein

    Unterstützung fanden die Landwirte auch aus anderen Berufsgruppen. So durch Alltagsbegleiterin Alex aus Nierswalde: „Ich bin viel auf den Höfen beruflich unterwegs und helfe den Senioren. Als ich von den Protesten erfuhr, habe ich mir freigenommen, und jetzt ziehe ich hier mit meiner Freundin und dem Handkarren herum und verteile Kaffee und etwas zu essen.“ Sehr zur Freude auch des Organisationsteams mit Bauer Mathias Flaswinkel als Initiator an der Spitze und Nicole Feldbusch von der kunterbunten Alpakawelt in Goch-Hassum, die ebenfalls auch für die Versorgung der Protestler seit 6 Uhr auf den Beinen war.

    „Nicht vergessen, wir sorgen für euer Essen“, „Stirbt der Bauer, stirbt das Land“, „Der Hof brennt, die Politik pennt“, „Bauern ruiniert – Essen importiert“ – das und vieles mehr stand in großen Lettern an den teilnehmenden Traktoren. Aber auch: „Zieht der Ampel den Stecker“.

    „Zieht der Ampel den Stecker“, fordert dieser Landwirt.
    „Zieht der Ampel den Stecker“, fordert dieser Landwirt. © NRZ | Anke Gellert-Helpenstein

    Jens Bodden spricht sich für Protest ohne Hass und Hetze aus

    Da wiederum mahnten ebenfalls Landwirte, so wie auch Jens Bodden vom Bioland-Geflügelhof in Goch-Hommersum: „Das Brüllen von ‚Ampel weg‘ nutzt niemandem, ebenso wenig Neuwahlen, die ja auch nicht morgen stattfinden könnten.“ Sein Sohn und Mitarbeiter waren ebenfalls in Goch an der Demo beteiligt.

    Jens Bodden selbst teilt die Meinung eines bäuerlichen Freundes aus Ostfriesland, der selbst ein Plakat entworfen hat: „Wenn die Ampel ausfällt, gilt wieder rechts vor links. Deswegen lasst uns Ja sagen zum bäuerlichen Protest ohne Hass und Hetze.“ Eine Forderung, die zumindest am Montagmorgen in und um Goch und Uedem aufging: nämlich deutliche Proteste und Störungen mit Augenmaß.

    Die Polizei begleitete mit zahlreichen Einsatzkräften die Demonstrationen.
    Die Polizei begleitete mit zahlreichen Einsatzkräften die Demonstrationen. © NRZ | Anke Gellert-Helpenstein

    Polizei zieht ein positives Fazit

    Deshalb zog Polizeisprecherin Manuela Schmickler ein positives Fazit des ersten Protesttages: „Alles ist so eingetreten wie erwartet. Der Verkehr wurde zwar beeinträchtigt, aber er kam nicht zum Erliegen. Die Landwirte haben sich an das gehalten, was in den Kooperationsgesprächen vorab besprochen wurde.“ Alle seien vorsichtig gefahren – beim einsetzenden Schneefall am Vormittag war dies besonders wichtig. Wegen der Demos und des Wetters gab es im Kreis Kleve keine Unfälle.

    Für den Dienstag, 9. Januar, zwischen 6 und 9 Uhr ist eine weitere Demonstration angekündigt. Die Trecker sollen dann von Bedburg-Hau nach Kleve ziehen.