Kreis Kleve. In der Hochschule Rhein-Waal diskutierten Landwirte mit einem EU-Vertreter über die neue Agrarpolitik der EU. Es ist mächtig Druck auf dem Kessel

Die Herausforderungen für die Landwirtschaft sind enorm: Die enormen Stickstoffeinträge in die Landschaft, die große Abnahme der Biodiversität – von Bodenlebewesen und Insekten bis hin zu Hasen und vielen Vogelarten – werden von der Wissenschaft unmittelbar mit der Art unserer Landbewirtschaftung in Zusammenhang gebracht. Nach wie vor werden zu viel Pflanzengifte verspritzt und die Felder überdüngt. Die verheerenden Ergebnisse sind mit den Händen greifbar.

Die Europäische Union hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Situation zu verbessern und dabei den Schwarzen Peter nicht nur der Landwirten in die Schuhe zu schieben. Am Dienstagabend gab es in der Hochschule Rhein-Waal einen interessanten Gesprächsabend zur Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP)

Peter Gräßler (Landwirtschaftskammer NRW), Matthias Kleinke (Hochschule Rhein-Waal), Michael Seegers (Kreisbauernschaft), Robert Gampfer (EU, zugeschaltet) und Moderatorin Jeanette Kuhn sprachen zur Agrarpolitik der EU in der Hochschule Rhein-Waal. 
Peter Gräßler (Landwirtschaftskammer NRW), Matthias Kleinke (Hochschule Rhein-Waal), Michael Seegers (Kreisbauernschaft), Robert Gampfer (EU, zugeschaltet) und Moderatorin Jeanette Kuhn sprachen zur Agrarpolitik der EU in der Hochschule Rhein-Waal.  © NRZ | Andreas Daams

Ein Landwirt vermutete eine geheime Verschwörung

Ein Besucher aus den Niederlanden sah gar eine geheime Verschwörung mit dem Ziel, die Landwirte in Europa generell zu vernichten. Ansonsten war die Diskussion in der Hochschule Rhein-Waal sehr sachlich. Organisiert hatte sie das Europe Direct-Zentrum in Duisburg. Nach Aussage ihres Chefs Joachim Fischer bemüht sich das Zentrum darum, die Politik der EU für die Bürger zu übersetzen.

EU will die Agrarflächen in einem gesünderen Zustand versetzen

Aus Berlin zugeschaltet war Robert Gampfer, der die EU-Kommission in Berlin vertritt. Er erläuterte das Konzept der EU, das versucht, Ernährungssicherheit, Nachhaltigkeit und ein vernünftiges Auskommen für die Landwirte unter einen Hut zu bekommen. Die Mitgliedsländer legen dar, welche Schwerpunkte sie setzen wollen, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Für Deutschland stehen 20 Milliarden an Direktzahlungen für die nächsten fünf Jahre zur Verfügung. Hierbei geht es etwa um die Förderung von Blühstreifen und Brachflächen, um Dauergrünland oder Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, aber auch um die Förderung von Junglandwirten. Weitere 12 Milliarden fließen in die Entwicklung des ländlichen Raums. Ziel der Kommission: 20 Prozent aller Land- und Meeresflächen bis 2030 in einen gesünderen Zustand zu versetzen.

Blühstreifen: „Die Bevölkerung beschwert sich, weil zu viele Mücken herumschwirren“

Michael Seegers, Sprecher der Kreisbauernschaft Kleve, bemängelte die fehlende Planungssicherheit. „Keiner weiß, was auf ihn zukommt.“ Er als Milchbauer habe dank hoher Getreide- und Milchpreise ein glänzendes Jahr, während es im Schweine- und Geflügelbereich große Einbußen gebe. „Das kann nächstes Jahr schon wieder anders sein.“ Seine Erfahrung mit Blühstreifen: Die Bevölkerung beschwert sich, weil beim Grillen zu viele Mücken und Bienen herumschwirren. Ein Landwirt aus dem Publikum wies darauf hin, dass der CO2-Fußabdruck der deutschen Landwirte wesentlicher niedriger sei als derjenige in anderen Weltgegenden wie beispielsweise der Ukraine. Es sei daher unsinnig, wenn hier weniger produziert würde und die Nahrungsmittel dann importiert würden.

Viele Zuhörer kamen zur Hochschule Rhein-Waal.
Viele Zuhörer kamen zur Hochschule Rhein-Waal. © NRZ | Andreas Daams

Zahlreiche Betriebe stehen wegen Personalmangels vor dem Aus

Ein großes Problem sah Seegers im Personalmangel. Zahlreiche Betriebe ständen wegen fehlender Nachfolge und Personalmangels vor dem Aus. Peter Gräßler von der Landwirtschaftskammer NRW berät Landwirte bei Maßnahmen und Fördermöglichkeiten. Sein Fazit: Auf die Betriebe prasselt enorm viel ein, von Tierwohl über Nachhaltigkeit bis zur Düngeverordnung. Man müsse auch sehen, dass Klimaschutz und Biodiversität nicht dasselbe sei, sondern sich manchmal gar widerspreche. Die jeweiligen Maßnahmen müssten auf den Betrieb passen.

Matthias Kleinke, Professor an der Hochschule Rhein-Waal, äußerte Verständnis für die Landwirte: „Sie müssen die Möglichkeit haben zu überleben.“ Vielleicht sie die GAP nicht gut genug: „Man hätte einen Kompromiss finden können, der besser ist.“ Es gebe 1000 Ansätze für die zukunftsfähige Landwirtschaft, darunter fielen auch Faktoren wie Erosion, Bodendruck und Klima.

Verbraucher müssen bereit sein, mehr zu bezahlen

Einig waren sich alle in einem Punkt: Der Verbraucher muss sein Verhalten ändern. „Er muss bereit sein, mehr zu zahlen“, forderte Seegers. Dem stimmte Gampfer zu: „Wir werden unsere Ziele nicht erreichen können, wenn sich das Verhalten der Verbraucher nicht ändert.“ Ein wichtiger Akteur hierbei ist der Handel, worauf ein Besucher hinwies. Einen Diskussionsteilnehmer aus diesem Bereich hatte man nicht eingeladen. Wahrscheinlich, so vermutete Moderatorin Jeanette Kuhn, hätte sich aber ohnehin keiner bereitgefunden.