Kleve. Erstmals darf der Verein Haus Mifgash die Gedenksteine in Eigenregie verlegen. Für die Zeremonie am 23. September ist Besonderes geplant.

In der Stadt liegen bereits 123 goldene, so genannte Stolpersteine, die an das Schicksal der verfolgten Juden in der Stadt erinnern. Am 23. September kommen weitere 13 Gedenksteine hinzu, und damit, so sagt es Edmund Verbeet vom Verein Haus Mifgash, befinden wir uns „sozusagen auf der Zielgeraden“.

Die Arbeitsgemeinschaft Geschichte des Vereins Haus Mifgash, vertreten durch Verbeet, Helga Ullrich-Scheyda und Matthias Lauks stellte die Pläne für die Zeremonie am 23. September vor und berichtete über das Leben der 13 Menschen, derer nun auch gedacht wird. Es ist die zehnte Verlegung in der Stadt Kleve.

Weitere Zeremonie im März 2023

Eine elfte Zeremonie wird es noch im März 2023 geben (für die zu verlegenden Stolpersteine werden noch Spender gesucht). Dann werden die Klever zumindest in Form der Stolpersteine ein vollständiges Bild davon haben, welche Lücken das Naziregime in der Stadt verursacht hat. Bisher liegen die Plaketten mit den kurzen biographischen Informationen zu den Betroffenen an 35 Orten in der Stadt, am 23. September kommen fünf weitere hinzu:

Der Familie Goldschmidt (Lucie Sara, Heinrich, Ernst und Berta) wird an der Straße An der Münze gedacht. Das Haus ist nicht mehr erhalten, heute befindet es sich links neben dem Klever Eistempel. Dort wird der Abiturjahrgang des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums präsentieren, was sich in einer Projektarbeit über die Familie zusammentragen ließ.

Flucht in die Schweiz

Eine Besonderheit, so Helga Ullrich-Scheyda: „Ernst Goldschmidt wurde schon 1933 von Nazis verfolgt – nicht, weil er Jude, sondern weil er Kommunist war“. Im Klever Gefängnis erlebte er mit, wie Polizeimeister Franz Peters den Häftling Franz Schneider zu Tode prügelte. Nach seiner Freilassung flüchtete er in die Illegalität und gelangte über Belgien und Frankreich in die Schweiz. Nach dem Krieg ließ er sich in Belgien nieder. Lucie Sara Goldschmidt wurde in Auschwitz ermordet.

Louis Schaap und seine Frau Elisabeth (geb. Kiesow) flüchteten aus Kleve nach Nimwegen, wo seine Frau ihn auf dem Dachboden ihres Hauses versteckte und versorgte. Sie war katholischen Glaubens. Den beiden wird an der Grenzallee 23 gedacht, wo sie wohnten. Louis Schaap verstarb 1955 in Nimwegen, seine Witwe 1971 in Bedburg-Hau.

An Folgen der Zwangsarbeit verstorben

An der Nimweger Straße wird an die Familie Stern erinnert. Karl Stern starb 1942 im Klever Krankenhaus an den Folgen der Zwangsarbeit, die er verrichten musste. Johanna Warschauer, die aus Gladbeck nach Kleve gezogen war, musste 1941 ihre Wohnung an der Materborner Allee (heute: Hoffmannallee 88) verlassen und in das „Judenhaus“ an der Klosterstraße (heute: An der Münze) ziehen. Von dort wurde sie nach Riga deportiert. Dort verliert sich ihre Spur. An der Hoffmannallee wird ein Gedenkstein für sie in den Boden eingelassen.

Dem Viehhändler Harry Kiefer und seiner Frau Jeanette gelang im letzten Augenblick im Januar 1938 die Flucht nach Brasilien. Ihr Sohn Kurt konnte vorher schon dorthin auswandern. Für die Familie wird an der Nassauerallee 82 der Stolperstein eingesetzt. Die Abiturientia des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums wird dort ebenfalls Ergebnisse ihrer Projektarbeit vorstellen – Kurt Kiefer war ein Schüler des Gymnasiums.

Erstmals in Eigenregie und mit dem Rad

Erstmals führt der Verein Haus Mifgash die Verlegung der jeweils 3,9 Kilogramm schweren Gedenksteine in Eigenregie durch. Gunter Demnig, der seit 1996 für die Herstellung verantwortlich ist, ist mittlerweile 74 Jahre alt und „zu eingespannt“, so Edmund Verbeet, um die Verlegung selbst zu begleiten.

Weil die Entfernungen zwischen den verschiedenen Gedenkorten recht groß sind, wird die Verlegung ebenfalls als Premiere im Rahmen einer kleinen Radtour durchgeführt, bei der die Teilnehmer mit dem Fahrrad die einzelnen Gedenkorte ansteuern. Es wird aber auch nach Anmeldung eine Mitfahrgelegenheit mit dem Auto angeboten.