Kreis Kleve. Die Supermarkt-Preise klettern stetig höher. Da kommt die Frage auf: Soll ich Gemüse selbst anbauen? Doch wie macht man das? Ein Gärtner erzählt.

Wer zu Hause einen kleinen Garten besitzt, dem dürfte vielleicht dieser Gedanke schon in den Sinn gekommen sein: Lohnt es sich langsam selbst Obst und Gemüse im Garten anzubauen? Treiben die Preise für gesundes Essen derart in die Höhe, dass wir uns wieder mit dem heimischen Anbau von Erbsen, Bohnen, Kohlrabi und Blumenkohl auseinandersetzen müssen? Doch wie geht das überhaupt, sich selbst ernähren?

Die Kultur des Gemüsegartens ist fast verschwunden

Ein stolzer Wirsing wächst heran.
Ein stolzer Wirsing wächst heran. © NRZ | Andreas Gebbink

Für Manfred Lucenz und Klaus Bender ist das ganz selbstverständlich. Die beiden Hobby-Gärtner aus Bedburg-Hau bestellen seit Jahrzehnten ihren eigenen Garten in Schneppenbaum, in dem nicht nur tausende Tulpen und Narzissen blühen, sondern auf 400 Quadratmeter auch prächtige Kohlköpfe, Kartoffeln und Tomaten wachsen. Wenn Manfred Lucenz morgens das Haus verlässt, dann gilt sein erster Blick dem Gemüsebeet. Wächst die Rote Beete wie gewünscht? Ist der Blumenkohl schon reif? Und wie steht es um die Kartoffeln - hat sich schon der berüchtigte Kartoffelkäfer eingenistet?

Die beiden Gärtner aus Schneppenbaum wissen, dass die Kultur des Gemüsegartens fast verschwunden ist. Es gibt kaum noch Menschen, die einen Gemüsegarten bearbeiten: Vielen ist es zu aufwendig, zu zeitintensiv, es ist oft mit zu viel Frustrationen verbunden und nicht zuletzt sind Obst und Gemüse ganz einfach im Supermarkt zu haben – bislang zu Spotpreisen. Warum sich also monatelang abmühen, wenn es bei Aldi und Edeka in der Gemüsetheke griffbereit liegt?

Der Geschmack des eigenen Gemüses ist unübertroffen

Satte Ernte: Blumenkohl und Brokkoli. 
Satte Ernte: Blumenkohl und Brokkoli.  © NRZ | Andreas Gebbink

Nun, Manfred Lucenz hätte da ein paar Argumente: Für ihn ist in erster Linie der Geschmack des eigenen Gemüses unübertrefflich. Man solle nicht unterschätzen mit wie vielen Spritzmitteln das Gemüse aus dem Supermarkt behandelt wird. Sobald sich die ersten Anzeichen von Pilzen und Insektenbefall zeigen, wird die Giftspritze ausgepackt – euphemistisch mit „Pflanzenschutz“ umschrieben.

Manfred Lucenz stellt fest, dass in den vergangenen 15 Jahren fast alle bäuerlichen Gemüsegärten in seiner Nachbarschaft verschwunden sind. Ohne Ausnahme seien die Gemüsebeete verschwunden und durch Rasenflächen - oder noch schlimmer durch Schotterschmutz – ersetzt worden. Die Kenntnisse zur Führung eines Gemüsegartens, die früher von Generation zu Generation weitergegeben wurden, seien nicht mehr vorhanden: „Ich habe noch von meinem Vater gelernt, wie man den Boden bestellt“, sagt Lucenz.

Oft fehlt das einfachste Wissen

Die Strauchtomate Phantasia lässt sich auch ohne Gewächshaus anbauen.
Die Strauchtomate Phantasia lässt sich auch ohne Gewächshaus anbauen. © NRZ | Andreas Gebbink

Es fehle an Wissen zur richtigen Bodenbearbeitung, die Zeiten der Aussaat sind nicht mehr bekannt und auch bei der Verarbeitung der unterschiedlichen Gemüsesorten herrsche große Unkenntnis. Wer setzt sich schon einen Abend lang auf die Bank und „döppt“ eine Schale Erbsen? „Das hat etwas kontemplatives“, sagt er. „Dafür verbringe ich meine Zeit nicht bei Facebook.“ Man muss eben andere Prioritäten setzen.

Wer einmal beginnt mit dem Gemüseanbau, der lerne viele Dinge. Das Umgraben erfolgt im März, die Düngung erfolgt mit abgelagertem Kuhmist. Aber wie viel Düngung darf es sein? Welche Bestandteile sollte der Mist haben? Dieses Detailwissen lernt man bei der Ausführung. Wie viele Möhrenpflanzen setzt man? Wann werden die Erbsen und Bohnen geerntet? Es gilt zig Fragen zu beantworten – und es gibt immer weniger Menschen, die es einem erzählen können.

Herrlich! Eine leckere Kartoffel!

Die schönen Stauden am Beetrand sorgen unter anderem dafür, dass genug Insekten da sind. Diese fressen auch mögliche Schädlinge. 
Die schönen Stauden am Beetrand sorgen unter anderem dafür, dass genug Insekten da sind. Diese fressen auch mögliche Schädlinge.  © NRZ | Andreas Gebbink

Im Gemüsegarten von Klaus Bender und Manfred Lucenz wachsen sechs verschiedene Kartoffelsorten, unter anderem die klassische Annabelle, die französische Charlotte und die Linda. Im Geschmack seien sie alle sehr schön - denn darauf komme es am Ende an: Eine leckere Kartoffel auf dem Teller zu haben.

Dass es in Kleve nun eine neue Initiative gibt, die mehr Gartengrün in der Innenstadt etablieren will, begrüßen die beiden Gärtner. Allerdings fehle auch hier oft der Sachverstand. Mit drei Sorten Minze im Hochbeet komme man nicht weit. Kleve müsse das Rad auch nicht gänzlich neu erfinden. In Ahrensburg gebe es bereits tolle Konzepte, wie man einen öffentlichen Gemüsegarten führt. Es sei ermutigend, dass junge Menschen wieder mehr Wert auf gesunde Ernährung legen.

>> Verlorenes Gartenwissen

Manfred Lucenz hat für die Gartenzeitschrift „Gartenpraxis“ einen Artikel zum „Vergessenen Gemüsegarten“ geschrieben. Zu finden ist er in der Ausgabe 03-2022.