Kreis Kleve. Der Rheinpegel hat einen weiteren Rekord gebrochen. Am Dienstagmorgen lag der Pegel bei Null. Wasser- und Schifffahrtsamt blickt in die Historie.

Der Rheinpegel in Emmerich hat am Dienstagmorgen die Marke 0,0 erreicht. Um weitere vier Zentimeter ist der Pegel im Vergleich zu Montagmorgen gesunken. Ein historischer Tiefstand erneut.

Wegen der Trockenheit hat der Pegelstand des Rheins in Emmerich kurz vor der niederländischen Grenze einen historischen Tiefststand von null Zentimetern erreicht. Der Wert 0,0 sei am Dienstagmorgen ermittelt worden, sagte ein Mitarbeiter der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung in Emmerich der dpa. Das sei ein Rückgang von vier Zentimetern zur Messung von Montagmorgen. Bereits am Montagmittag waren nur noch zwei Zentimeter gemessen worden.

Der bisherige Tiefstand war am 30. Oktober 2018

Der bisherige Tiefstand war nach Angaben des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes am 30. Oktober 2018 mit sieben Zentimetern im Tagesmittel. Als Tagestiefstwert seien damals vier Zentimetern gemessen worden. Auch wenn der eigentliche Pegelmesser durch Niedrigwasser trocken falle, könnten selbst Minuswerte mit einem zweiten Datensammler in Emmerich erfasst werden.

Die Pegelstände sind nicht zu verwechseln mit dem tiefsten Punkt im Fluss. Die Fahrrinnen für die Berufsschifffahrt sind deutlich tiefer als der Wasserstand laut Pegel. Dieser zeigt lediglich die Differenz zwischen der Wasseroberfläche und dem sogenannten Pegelnullpunkt, der nicht am tiefsten Punkt der Flusssohle liegt. Unter Null gibt es noch eine Fahrrinne von etwa zwei Metern.

+++ Das hatte die NRZ am Montag berichtet +++

Der Rheinpegel ist weiter gesunken. Am Montagmorgen sank er nochmal um fünf Zentimeter im Vergleich zu Sonntag, 5 Uhr. Er steht bei 4 Zentimeter über der Fahrrinne von zwei Metern. Das ist ein historischer Tiefstwert. Neuer Rekord.

+++ Das hatte die NRZ am Samstag berichtet +++

Klaus Markgraf-Maué blickt mit Sorge auf die Wasserstände des Rheins. Der Wasserexperte der Nabu-Naturschutzstation in Kleve sieht seit Wochen und Monaten sinkende Pegelstände – und am kommenden Dienstag wird der Rhein so wenig Wasser führen wie noch nie. Das Vorhersagesystem Elwis der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung sagt dann einen Emmericher Rheinpegel von nur noch einem Zentimeter voraus. Der bisherige Tiefststand lag bei 7 Zentimeter am 23. Oktober 2018.

Es gab noch nie ein so große Wasserknappheit im Rhein

Wie bedeuten die Pegelstände eigentlich?

Ein Pegelstand von einem Zentimeter in Emmerich – was bedeutet das? Ist dann nur noch ein Zentimeter Wasser im Rhein?

Natürlich nicht. Der Pegelstand gibt den Abstand zwischen Wasserspiegel und Pegelnullpunkt (PNP) der Pegellatte an. Das heißt: Der Wasserstand am Pegel sagt weder etwas über die lokale Wassertiefe aus noch über den Höhenbezug zum umgebenden Terrain.

Die Pegellatte wurde als Fixpunkt festgelegt und ist absolut. Der Pegelpunkt wird auf das amtliche Höhensystem bezogen angegeben. Dieser Pegelnullpunkt liegt in Emmerich bei 8 Meter über Normalhöhennull.

Heißt das jetzt, dass der Wasserstand in Emmerich dann noch 8,01 Meter für die Schiffe beträgt? Also die 8 Meter Normalhöhennull und der Zentimeter Wasserstand? Nein, auch das nicht. Die Wassertiefe in der Fahrrinnen liegt am Niederrhein zwischen 2 Meter und 2,20 Meter unterhalb des Pegels. Diese Wassertiefe kann variieren, da die Rheinsohle nicht statisch ist, sondern stetig Sande und Kiese mitführt, die sich je nach Strömung ablagern können.

Die Niederländer sind von den Pegelmesswerten bei der Beurteilung ganz abgerückt. Für sie sind die Angaben der Abflussmengen entscheidend. Bei Emmerich lag diese Abflussmenge am Freitag bei 750 Kubikmeter Wasser je Sekunde – ein extrem niedriger Wert. Zum Vergleich: Bei einem extremen Hochwasser fließen 11.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde den Rhein bei Lobith hinunter.

Was soll nur werden? Klaus Markgraf-Maué weiß, dass die Wasserstände statistisch gesehen meistens erst im Herbst ihre Tiefststände erreichen. So früh im Jahr gab es noch nie eine so große Wasserknappheit im Rhein. Die Folgen sind für Pflanzen, Tiere – und auch für uns Menschen – enorm. Der Biologe aus Kleve geht davon aus, dass langfristig einige typisch-niederrheinische Lebensräume gar nicht mehr gehalten werden können. Feuchtwiesen in der Düffel? Wie soll das gehen ohne Wasser?

Die Kühe in Düffelward kühlen sich im Griethausener Altrhein ab. 
Die Kühe in Düffelward kühlen sich im Griethausener Altrhein ab.  © NRZ | Andreas Gebbink

Der Wassermangel schlägt nicht nur im Hochsommer zu. Auch das Frühjahr sei viel zu trocken gewesen, berichtet Markgraf-Maué. Tiere und Pflanzen, die sich auf ein Feuchtgebiet spezialisiert haben, werden dies nicht überleben. Der neu geschaffene Seitenarm des Rheins in der Emmericher Ward wird seit Juni nicht mehr durchströmt. Fische und einige Vogelarten leiden darunter.

Die Situation wird in den nächsten Jahren eher schlimmer

Die Fähre zwischen Schenkenschanz und Düffelward in Kleve ist aktuell nicht in Betrieb. 
Die Fähre zwischen Schenkenschanz und Düffelward in Kleve ist aktuell nicht in Betrieb.  © NRZ | Andreas Gebbink

Der Biologe geht davon aus, dass sich die Situation noch verschlimmern wird in den nächsten Jahren. Noch werden 20 Prozent der sommerlichen Abflussmengen vom Gletschereis aus den Alpen gespeist. „Doch die Gletscher schmelzen in einem Rekordtempo“, so Markgraf-Maué, der darauf aufmerksam macht, dass das Wasser vom Oberrhein bereits über Speicherbecken zurückgehalten und kontrolliert abgegeben werde – sonst wäre der Rhein noch tiefer. „Im Moment vollziehen sich die Entwicklungen schneller als vorhergesagt.“

Von einer Vertiefung der Fahrrinne hält der Biologe nichts: „Das wäre eine Katastrophe.“ Denn je tiefer sich die Rinne eingräbt, desto mehr Wasser wird vom Ufer weggezogen. Der Prozess der landschaftlichen Austrocknung würde weiter verschärft und die Grundwasserspiegel gehen durch weiter zurück.