Kreis Kleve. Bei den Flüchtlingen im Kreis Kleve macht sich leichter Unmut breit. Die Rede ist von einem „strukturellen Rassismus“ gegenüber Afrikanern.

Auf einmal sei es ganz ruhig geworden. Die Emmericher Flüchtlingsbetreuerin Andrea Schaffeld wartete bereits eine ganze Weile mit einer Mutter aus Guinea bei der Ausländerbehörde des Kreises Kleve, als ein Mann mit drei weiteren Flüchtlingen eintrat.

Er habe gesagt, dass die Personen aus der Ukraine stammen würden und sie seien daraufhin vom Sicherheitsdienst sofort weitergeleitet worden – ganz ohne Wartezeit. Das Bild hat sich offenbar vielen Anwesenden eingeprägt: „Deutlicher kann man die aktuelle Ungleichbehandlung von Flüchtlingen nicht mehr machen“, findet Andrea Schaffeld.

Ukrainer werden faktisch bevorzugt

Haben wir in Deutschland Asylbewerber erster und zweiter Klasse? Werden die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bevorzugt behandelt? Ist unsere Solidarität mit Europäern größer als mit Schwarzafrikanern? Für Thomas Ruffmann ist das keine Frage mehr: „Eindeutig ja. Wir reden hier von einem strukturellen Rassismus in unserer Gesellschaft“, sagt der Flüchtlingshelfer aus Kleve. Und dieser zeige sich jetzt nicht nur auf dem Amt, sondern auch auf dem Wohnungsmarkt, auf dem Arbeitsmarkt oder in anderen Lebenslagen.

Die Ausländerbehörde des Kreises Kleve.
Die Ausländerbehörde des Kreises Kleve. © NRZ | AG

Der Auftrag: Schnell erfassen

Die Klever Kreisverwaltung sieht dies natürlich anders. „Es gibt bei der Ausländerbehörde des Kreises Kleve keine Vorzugsbehandlung von ukrainischen Geflüchteten“, schreibt die Verwaltung der NRZ auf Nachfrage. Gleichwohl ist die Ausländerbehörde von Bund und Land darum gebeten worden, die ukrainischen Flüchtlinge, die einen Aufenthaltstitel beantragen wollen, so schnell und umfassend wie möglich zu erfassen und zu registrieren.

Um das Aufkommen bewältigen zu können, habe der Kreis Kleve in einer Anfangsphase zusätzliche Terminkontingente für Ukrainer eingerichtet, damit möglichst viele ankommende Personen schnellstmöglich erfasst werden „und den Hilfesystemen zugeführt werden“, so der Kreis. Es gebe nun einen zusätzlichen „Ukraine-Schalter“.

Besuchersteuerung habe sich nicht geändert

Die gesamte sonstige Besuchersteuerung der Ausländerbehörde erfolge weiterhin unverändert. Die Wartezeit für einen Termin betrage 3 bis 4 Wochen, in dringenden Fällen gehe es schneller. Die durchschnittliche Wartezeit würde 8,5 Minuten betragen. Dies kann allerdings Andrea Schaffeld aus eigener Erfahrung nicht bestätigen: „Wenn man um 8 Uhr einen Termin hat, kommt man um 8.15 Uhr an die Reihe, ja. Aber wenn man um 10 Uhr einen Termin hat, wartet man auch schon mal eine Stunde und länger.“ Sie betont aber auch: „Die Terminvergabe nach drei bis vier Wochen ist schon sehr gut. In Essen wartet man auch sechs bis 12 Monate.“

Grundsätzlich sind die Asylverfahren für Ukrainer vereinfacht worden. Die Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung vom 7. März sieht eine Befreiung der Ukrainer von der Erfordernis eines Aufenthaltstitels vor, wenn sie sich bis zum 24. Februar in der Ukraine aufgehalten haben und danach in Deutschland eingereist sind. „Geflüchtete aus der Ukraine müssen demnach kein Asylverfahren durchlaufen“, stellt der Kreis Kleve klar.

„Diese Ungleichbehandlung ist eine politische Frage“, sagt Tim Terhorst, Sprecher der Stadt Emmerich und Mitglied des Runden Tisches in Emmerich. Als Verwaltung könne man sich nur an Recht und Gesetz halten und diese Verordnung auch ausführen.

Andrea Schaffeld.
Andrea Schaffeld. © WAZ FotoPool | DIANA ROOS

Keine Chance auf dem Wohnungsmarkt

Flüchtlingsbetreuerin Andrea Schaffeld weiß, dass andere Personengruppen zum Teil sehr lange auf einen Aufenthaltstitel warten und die ganze Mühle der Bürokratie durchlaufen müssen. „Mir geht es darum, dass alle Menschen gleich behandelt werden. Aber dem ist leider nicht so. Ja klar, das ist ein struktureller Rassismus.“ Menschen aus Afrika hätten keine Chance in Emmerich eine Wohnung zu bekommen: „Ich habe schon so viele Gespräche geführt. Die sind auch immer alle ganz nett, nur die Wohnung, die bekommt am Ende ein anderer.“

Thomas Ruffmann.
Thomas Ruffmann. © FUNKE Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Thomas Ruffmann, Vorsitzender der Klever Begegnungsinitiative Haus Mifgash und Mitglied des Runden Tisches in Kleve, berichtet, dass man in der jüngsten Sitzung explizit über dieses Problem gesprochen habe. „Wir wollen alle diesen Eindruck unbedingt vermeiden. Aber de facto ist es einfach so. Etliche meiner Flüchtlingsfreunde sagen mir, dass es ja toll sei, wie wir den Ukrainern jetzt helfen. Aber warum läuft das nicht auch bei uns so?“

Schnellerer Zugang zum Arbeitsmarkt

Durch die Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung steht den Ukrainer nicht nur ein Verbleib in Deutschland ohne Aufenthaltstitel zu, sie bekommen auch schneller Zugang zu Geld nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Sie können auch schneller auf dem Arbeitsmarkt aktiv sein. „Das wird von anderen Gruppen sehr genau registriert“, sagt Ruffmann. Seit langem versucht er für zwei Afrikaner eine Wohnung zu finden ohne Chance. „Wenn eine ukrainische Mutter mit Kind sich bewirbt und ein Mann aus Afrika, dann ist klar wer die Wohnung bekommt“, sagt Ruffmann.

Auch wenn er diese Spaltung nicht herbeireden möchte, müsse er feststellen, dass es „insoweit eine Zweiklassengesellschaft unter den Flüchtlingen gibt.“ So betreue er Syrer, die seit vielen Jahren um ihren Aufenthalt im Kreis Kleve kämpfen. „Da kann man es ihnen nicht verdenken, wenn sie kritisch auf die jetzige Situation schauen“, so Ruffmann.