Kalkar. In Kalkar entsteht derzeit ein großes Wandgemälde. Es soll auf die Geschichte der Hanse für die Stadt aufmerksam machen.
Der Fußgänger bleibt stehen, der Radfahrer und sogar der Autofahrer. Jeder schaut auf diese Wand. Die ist vorher niemandem aufgefallen. Denn sie war weiß oder grau verputzt. Eine ganz normale Wand eben, darunter Klinker, darüber der Dachfirst. Ein Geschoss hoch und breit nichts als helle Fläche. Die Lage: Am Graben in Kalkar, zwischen Museum und Klinik, darunter die Zufahrt zu einem kleinen Parkplatz.
Jetzt schauen also alle hoch, weil sich hier etwas tut. Ein Wandgemälde entsteht. Die Umrisse sind bereits zu sehen, zum Teil verdeckt von einer Hebebühne. So einer, auf der man manchmal Techniker sieht, die Ampellichter austauschen. Doch weil das Frühlingswetter so unstet ist, sind die eigentlich fest eingeplanten Wandmaler nicht gekommen. Die Hebebühne glitzert im Sonnenschein, bald darauf prasseln Regentropfen darauf.
Projekt der Rheinischen Hanse und der niederländischen Hansestädte an der Ijssel
Kalkar ist nicht die einzige Stadt, in der man aktuell großangelegte Wandgemälde auf geeignete fensterlose Wände aufbringt. Die Rheinische Hanse und die niederländischen Hansestädte an der Ijssel haben sich zusammengetan, um der Bevölkerung ihrer Städte die Geschichte der Hanse näherzubringen. Sie stellen sozusagen ihre Existenz ganz plakativ zur Schau. Das muss zwangsläufig ein historisches Projekt sein, denn was verbindet diese Städte heute noch außer ihrer Hanse-Geschichte? Emmerich, Wesel und Neuss werden auf dieser Seite der Grenze mit Wandgemälden folgen.
Die Hanse also, dieser Bund einstmals wohlhabender Kaufmannsstädte. Hier, am Graben, war einmal ein echter Graben – daher der Name –, ein Wassergraben, über den man Waren über Meer, Fluss und Flüsschen nach Kalkar brachte und Kalkarer Produkte wieder einlud. „Wir haben die Motive ganz professionell ausgesucht, mit echten Fotoshootings“, erzählt Harald Münzner von der Stadt Kalkar. Bei den Fotomodellen handelt es sich um zwei Kalkarer Urgesteine, Macher und Kreativköpfe. Helene Meurs ist als Stadtführerin weithin bekannt, und Hans-Hermann Bottenbruch hat als Künstler und Galerist am Markt des Öfteren für Furore gesorgt.
Anspielungen auf die moderne Zeit
Kaufmannsfrau Meurs trifft Künstler Bottenbruch im 15. oder 16. Jahrhundert (da war die Hanse schon mächtig im Niedergang begriffen) auf dem Marktplatz – das ist das Motiv. Künstler malt Kaufmannsfrau. Eine hübsche Idee: Das Wandbild zeigt einen Künstler in Aktion. Schließlich überschnitt sich die Kalkarer Hansezeit mit der großen Kunstzeit in Kalkar, als Dries Holthuis, Heinrich Douvermann, Henrik van Holt und Arnt van Tricht ihre Altäre schufen. Damals pilgerte ein Künstler wie Hans Brüggemann aus dem hohen Norden natürlich über Kalkar zur Künstlermetropole Gent, so groß war die Bedeutung der Kalkarer Meister.
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Die Gegenwart wird den staunenden Betrachtern aber nicht nur in der Gestalt von Helene Meurs und Hans-Hermann Bottenbruch im Bild begegnen, sondern auch in einer sehr spezifischen Anspielung auf unsere Zeit. Helene Meurs trägt auf dem Bild ein Buch mit sich, und dabei handelt es sich um den „Dorfroman“, das jüngste Buch des aus Kalkar stammenden Autors Christoph Peters. Kunst trifft Kunst trifft Kunst. Kultur hoch drei. „Das ist im Gesamtkonzept aller Hansestädte vorgesehen, dass ein oder zwei Accessoires der Moderne vorkommen“, erklärt Münzner. Über QR-Codes kann man demnächst dann auch weitere Infos zu Gemälde und Geschichte bekommen.
Niederländisches Malerkollektiv ist am Werk
Mit der Ausführung betraut ist das niederländische Malerkollektiv „De strakke Hand“, das schon zahlreiche große bis riesengroße Wandgemälde vor allem in ihrer Heimat geschaffen hat. Wie bei solchen grenzüberschreitenden Projekten heutzutage nicht anders zu erwarten, liegt der Ursprung in einem Interreg-Projekt. Es gibt ein Projektbüro, man hat die zu erbringenden künstlerischen Leistungen ausgeschrieben, die Aufträge vergeben.
Wer weiß, was man in 400 Jahren in einem Wandbild darstellt, das unsere Zeit widerspiegeln soll. Vielleicht ja einen Kunstkritiker, der mit seinem Smartphone eine Projektmanagerin fotografiert, die gerade eine Kunstausschreibung für ein historisches Wandgemälde ins Netz stellt. Ein Blickfang wäre es in jedem Fall.