Goch. Wie befürchtet, sind mehr Leiharbeiter als gemeldet in verdeckten Sammelunterkünften in Goch „zusammengepfercht“. Viele müssen unter Quarantäne.

Alle Vorurteile erfüllt: In Goch waren 145 Leiharbeiter in Sammelunterkünften gemeldet. Es sind aber rund 50 bis 100 Personen mehr, die „zusammengepfercht“ unter „katastrophalen hygienischen, sanitären und baurechtlichen Verhältnissen“ wohnen. Das berichtete Bürgermeister Ulrich Knickrehm dem Hauptausschuss.

„Wir haben etwa 30 Sammelunterkünfte in Goch“, genauer könne er es nicht sagen. Denn unter „unglaublich großem Einsatz des Ordnungsamtes“ hat eine große Anzahl Kollegen im Stadtgebiet erst mal die Adressen suchen müssen. Teils durch Hinweise aus der Gocher Nachbarschaft, denn die Sammelunterkünfte sind als einfache Wohnungen deklariert.

Bietet Infektionsschutzgesetz „jetzt endlich eine Handhabe“?

Da liegt das rechtliche Hauptproblem. Wären sie „Beherbergungsbetriebe“, könnte die Stadt die Unterkünfte regelmäßig überprüfen. Sie gelten aber als „Wohnung“, die Leiharbeiter als „Mieter“, „da hat der Staat nix drin zu suchen“, sagte der Bürgermeister. Auch in der Vergangenheit durfte die Baukontrolle nur hinein, wenn es Hinweise auf Verstöße gab. Er zitierte Minister Laumann, dass das Infektionsschutzgesetz „jetzt endlich eine Handhabe bietet“.

Deshalb bedauert Ulrich Knickrehm nach wie vor das Verhalten des Landrates Wolfgang Spreen. 16 Bürgermeister, auch der CDU, hätten Spreen seit Wochen und Monaten gebeten, einen Krisenstab einzurichten,, „damit nicht alle 16 das Gleiche machen. Dass er das nicht tut, habe ich sehr bedauert“.

Knickrehm: Eindämmung nur mit umfassenden Testungen möglich

Der Landrat habe zuletzt ein Tätigwerden davon abhängig gemacht, „dass wir ihm Daten liefern“, erinnerte Knickrehm. Nachdem die Stadt nun aufwändig herausgefunden hatte, dass alle in Goch wohnenden ausländischen Werkvertragsbeschäftigten fast ausschließlich in der Fleischzerlegung eines einzigen niederländischen Betriebes arbeiten, konnten am Mittwoch und Donnerstag endlich Beamte von Arbeitsschutz, Bauordnung und Kreisgesundheitsamt aktiv werden.

Die Stadt Goch drängt jetzt auf eine Reihentestung. „Ich erwarte, dass das unverzüglich vorgenommen wird“, gab Knickrehm dem Landrat auch schriftlich.

Eine Eindämmung sei nur mit umfassenden Testungen und anschließender Quarantäne möglich, das sei auch die Meinung des Ministeriums. Sobald ein Corona-Infizierter in einer Sammelunterkunft in Goch wohnt, müssen alle Hausgenossen unter Quarantäne gestellt werden.

Leiharbeiter nicht ausgrenzen: „Das haben wir mit den Skifahrern auch nicht getan“

„Wir sollten jetzt aber nicht diese Bevölkerungsgruppe ausgrenzen. Das haben wir mit den Skifahrern auch nicht getan“, erinnerte Knickrehm an den Beginn der Epidemie, als deutsche Bürger aus österreichischen Skigebieten das Virus mitbrachten. Die osteuropäischen Schlachthof-Ausbeiner „sind selbst froh, dass sie getestet werden, sie haben ja auch Angst.“ Auch vor dem Arbeitsplatzverlust, vermutlich ließen sich einige zur Arbeit holen, obwohl sie Symptome haben.

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Die Stadt Goch hatte den Versender der Leiharbeiter aufgefordert, die Fahrtwege zu nennen. „Das hat er nicht getan.“ Offenbar sei das täglich unterschiedlich. „Sie vermischen sich ständig. Wir befürchten, dass da echte Hotspots entstehen.“

Ordnungsbeamte fangen Sammel-Transporter ab

Goch setze Nadelstiche, erzählte der Bürgermeister: Ordnungsbeamte fangen Sammel-Transporter ab, bestehen darauf, dass nur zwei Personen befördert werden dürfen – zwei Mann bleiben sitzen, sechs müssen aussteigen. Aber weder das noch verhängte Bußgelder beseitigen das Problem, beklagte Knickrehm.

Im Übrigen wurde am Freitag bekannt, dass ein Werk in Helmond bis zum 2. Juni geschlossen wurde, weil 130 der 1700 Mitarbeiter positiv getestet worden seien. Ein Hotel in der Region sei für die Quarantäne bereit gestellt (laut Hart van Nederland). Noch während der Sitzung bekam Knickrehm auf sein Handy die Nachricht, dass in den Niederlanden 50 der in Goch lebenden Arbeitskräfte kontrolliert worden seien, wovon sich zehn mit dem Coronavirus angesteckt hätten. Die Gocher Verwaltung prüft seit Freitag, in welchen Gebäuden sie Menschen aus überbelegten Wohnungen nun unter Quarantäne stellen kann.