Kreis Kleve. Ludger van Bebber spricht über die Lage und die Zukunft des Airports Weeze. Für 2020 rechnet er mit einem weiteren Passagierrückgang.
Die nächsten beiden Jahre werden für den Flughafen in Weeze eine Bewährungsprobe: Die deutliche Anhebung der Luftverkehrssteuer, die noch unbekannten Auswirkungen des Coronavirus auf den Flugverkehr, die unklare Lage zur Lieferung der neuen Boing 737 Max und nicht zuletzt die veränderte, gesellschaftliche Debatte zum Thema Billigfliegen – Airport-Geschäftsführer Ludger van Bebber kann zig Gründe nennen, warum es gerade für den Flughafen in Weeze nicht rund läuft.
Welche Zukunft hat der Airport überhaupt noch? Sind der Politik nicht gerade die billigen Flugreisen in südliche Länder vor dem Hintergrund der Klimadebatte ein Dorn im Auge? Flughafen-Geschäftsführer Ludger van Bebber stellt sich im Gespräch den Fragen dieser Redaktion.
Weeze: Airport-Chef rechnet mit weiteren Passagierrückgang
Blickt er auf die vergangenen drei Jahre zurück, dann seien diese äußerst turbulent verlaufen. Aufgrund der politischen Einflüsse, sei eine längerfristige Planung unmöglich geworden: „Wir können nicht mehr richtig planen, sondern nur noch in Korridoren und Szenarien denken“, sagt van Bebber. Für das aktuelle Jahr 2020 rechnet er mit einem weiteren Rückgang der Passagierzahlen zwischen sechs und sieben Prozent: „2020 und 2021 werden eine harte Nuss“, prophezeit van Bebber. Aktuell fertigt der Airport 1,3 Millionen Passagiere im Jahr ab.
Dabei habe es Anfang 2018 noch so rosig ausgesehen: „Alle finanziellen Indikatoren waren gut.“ Die Passagierzahlen lagen bei 1,8 Millionen, „wir waren damit stabil im Markt unterwegs“. Mit der Air-Berlin-Pleite kamen dann allerdings die Probleme. In deren Folge erhielt Ryanair die Möglichkeit, über den Kauf von Laudamotion Kontingente am Airport Düsseldorf zu kaufen. Und das setzte Weeze stark zu.
Starker Einbruch im Jahr 2019
2019 waren es dann nur noch 1,2 Millionen Fluggäste, und im Rahmen der Klimadebatte wurde zudem beschlossen, die Luftverkehrssteuer deutlich anzuheben. Van Bebber rechnet mit einer Verteuerung von 75 Prozent ab April 2020. Das bedeute eine Anhebung je Ticket von 7,50 auf 13 Euro. „Da verändern sich auf einmal innerhalb von drei Monaten wichtige Basisdaten. Und gleichzeitig reden wir über die Katastrophen um die Boing 737 MAX“, so van Bebber. Ryanair habe ganz auf dieses Boing-Modell gesetzt. Jetzt müsse man hoffen, dass die verbesserten Maschinen rechtzeitig bis Jahresende geliefert werden können.
Nicht zuletzt bilde das Coronavirus ungeahnte Risiken. Ludger van Bebber rechnet damit, dass im März und April möglicherweise weniger gebucht wird, da auch die Geschäftsreisen eingeschränkt werden: „Die Unternehmen sehen zu, dass sie jetzt Risiken minimieren und Tele-Konferenzen machen.“ Insgesamt sei die Situation zurzeit nahezu unplanbar.
Und trotzdem schreibe man 2019 eine schwarze Null
Trotz der Umstände glaubt der Flughafen-Chef, dass man das Ruder noch in der Hand habe: „Trotz eines Passagierrückgangs um 26 Prozent schreiben wir für 2019 vermutlich eine schwarze Null.“ Und dies habe man nur mit allerlei Sparanstrengungen schaffen können.
Der Zuschuss in Höhe von 1,9 Millionen Euro, um den der Flughafen-Chef im vergangenen Jahr den Kreis Kleve und die Gemeinde Weeze gebeten hat, diene in erster Linie als Liquiditätsreserve für das laufende Jahr. Dass der Investor Herman Buurman nicht selbst in die Schatulle gegriffen habe, sei kein Zeichen dafür, dass er keine Zukunft in den Flughafen sehe: „Er ist absolut überzeugt von diesem Flughafen.“ Gleichwohl seien die Schwierigkeiten vor allem auf geänderte politische Rahmenbedingungen zurückzuführen, daher sei der Zuschuss für ihn auch ein politisches Thema gewesen, kein wirtschaftliches, so van Bebber.
Ungleiche Wettbewerbsbedingungen – Niederlande stärken Flugverkehr
Mit Interesse blickt er ins Nachbarland. Dort habe man 2009 die Flugverkehrssteuer abgeschafft, und der niederländische Staat tue alles dafür, die nationalen Fluggesellschaften und Flughäfen zu stärken: „In den vergangenen zehn Jahren wuchs die deutsche Flugbranche um 30 Prozent, die niederländische aber um 60 Prozent“, so van Bebber.
In der Vergangenheit habe man bereits einige schwierige Situationen gemeistert. Für ihn sei Fakt, dass man bereits große Schritte auf Geschäftsfeldern unternommen habe, die nicht primär dem Flugbetrieb zu zu ordnen sind: Es gebe auf dem 600-Hektar-Gelände keine 2000 frei verfügbaren Quadratmeter mehr. „Jedem ist klar, dass Wachstumsraten von 30, 40 Prozent nicht möglich sind. Aber wir sind bereits seit neun Jahren nicht mehr mit einem aggressiven ,Pricing’ im Markt unterwegs“, so der Flughafen-Chef.
Die Talsohle soll 2020 durchschritten werden
Für 2020 erwartet van Bebber das Durchschreiten der Talsohle. Man habe in Weeze zwar keine Flugzeuge verloren, aber Ryanair haben andere Standorte geschlossen: etwa Hamburg oder Nürnberg. Van Bebber rechnet noch einmal mit bis zu sieben Prozent weniger Passagieren. Für den Airport seien 2020 zwei Dingen sehr wichtig: „Erstens die fundamentale Frage, ob Boeing im Sommer seine Flugzeuge in die Luft bekommt und zweitens die Beseitigung der Ungleichbehandlung bei den Flugsicherungskosten.“
Bislang müsse der Airport jährlich einen Fehlbetrag von 1,2 Millionen Euro für die Flugsicherung ausgleichen, die bei älteren Flughäfen komplett von der Deutschen Flugsicherung (DFS) übernommen werden. „Für die vergangenen Jahre reden wir dann hier über 20 Millionen Euro. Hätte uns dieses Geld zur Verfügung gestanden, hätten wir uns viele Diskussionen sparen können“, meint Ludger van Bebber.
Flugscham? Es werde nicht weniger geflogen
Dass durch die Klimadebatte die Menschen weniger fliegen, kann van Bebber nicht feststellen. Eine Flugscham gebe es nicht. Das Mobilitätsbedürfnis und die Klimadiskussion müssten hierzulande versöhnt werden. Gleichwohl brauche man sich keiner Illusion hinzugeben: „Das Fliegen ist unglaublich global. Und auf globaler Ebene gibt es nur wenig Bereitschaft, der deutschen Debatte zu folgen.“
Zu den Reaktionen auf seinen Wechsel zum Flughafen Dortmund (wir berichteten) sagt Ludger van Bebber, dass solche Prozesse immer mit Vertraulichkeit einhergehen. Dies öffentlich zu machen, wäre keine Transparenz, sondern mangelhafte Professionalität, betont er. Und meint damit wohl die Äußerungen von Landratskandidatin Silke Gorißen (CDU), die öffentlich in der Presse mehr Transparenz einforderte.
Ferner teilte van Bebber im Gespräch mit der NRZ mit, dass alle relevanten Gespräche mit dem Flughafen Dortmund im Jahr 2020 geführt worden seien. Alle anderen Spekulationen seien nicht richtig.