Kleve. . Für den Mord an ihrem Ex-Schwager müssen zwei Brüder lebenslang in Haft. Landgericht korrigierte damit eine Verurteilung wegen Totschlags.
Die beiden Angeklagten Adil und Mekin O. suchen noch Blickkontakt zu ihren Angehörigen auf den Zuschauerbänken im Gerichtssaal und winken ihnen zu, bevor für sehr lange Zeit die Handschellen klicken: In einem viel beachteten Revisionsprozess hatte die 5. Kammer des Landgerichts Kleve unter Vorsitz von Richter Gerhard van Gemmeren die beiden türkisch-stämmigen Männer im Alter von 32 und 23 Jahren gestern wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Am 31. März 2014 hatten sie im Zuge einer Familienfehde den 43-jährigen Ex-Mann ihrer Schwester mitten in einem Lidl-Markt an der Materborner Straße erstochen.
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44 Messerstiche zeugten von der Brutalität des Verbrechens – im darauffolgenden Prozess wurden beide zunächst wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt, bevor der Fall schließlich auf die Revision eines Nebenklägers hin vor dem Bundesgerichtshof landete. Denn strittig war aus Sicht der Richter in Karlsruhe, ob die Täter bei dem Überfall auf ihren früheren Schwager heimtückisch handelten – der erste Urteilsspruch nämlich hatte dieses Mordmerkmal verneint.
Staatsanwaltschaft sieht Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt
Nach zehn Verhandlungstagen ergibt sich jetzt für die Kammer in diesem Punkt ein klareres Bild: Das Opfer wurde systematisch in die Enge getrieben, der Supermarkt war zur unausweichlichen Todesfalle geworden. In diesem Punkt folgte das Gericht den Ausführungen von Staatsanwalt Daniel Klocke: „Die Angeklagten sind zunächst langsam an dem Gebäude vorbei gefahren und haben dann durch die Fenster nach dem Opfer Ausschau gehalten“, führte er aus.
Der verfolgte Mann habe an diesem öffentlichen Ort nicht mit einem Angriff gerechnet – nach Auffassung des Gerichts hatten die angreifenden Männer sich zunächst links und rechts des Ausgangs postiert, um ihrem Kontrahenten den Weg abzuschneiden. Bereits im engen Bereich der Schleuse hätten sie nach einem kurzen Wortgefecht das Messer gezückt. Nach der ersten Attacke taumelte der 43-Jährige in Richtung Kasse. Selbst als Kunden geistesgegenwärtig versuchten, das Täter-Duo mit Gegenständen – unter anderem gar mit einem Kassenstuhl – zu bewerfen, ließen die Männer von ihrem Vorhaben nicht ab, sie seien arbeitsteilig in ihrem Plan vorgegangen. Das Ganze war eine Sache von Sekunden. Zeugen sprachen später von einer „regelrechten Hinrichtung“. Mit den Worten „Er hat es verdient“ hatte einer der Männer die Tat anschließend kommentiert.
Gericht sieht keine strafmildernden Umstände
Wie berichtet, war das Opfer der Bluttat selbst sicherlich kein Unschuldslamm. Für seinen Versuch, einen der Brüder mit einem Pflasterstein zu töten, war der 43-Jährige wegen versuchten Totschlags einst zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Auch soll er seine Ex-Frau (die Schwester der Angeklagten) mehrfach geschlagen und bedroht haben. Nach der Scheidung war ein erbitterter Streit um die gemeinsamen Kinder sowie um deren Sparbücher losgebrochen.
Der Darstellung der Angeklagten, dass sie den 43-Jährigen nur wegen seiner anhaltenden Drohungen zur Rede stellen wollten und die Situation dann eskaliert sei, schenkte die Kammer keinen Glauben. Für eine zielgerichtete Vorgehensweise sprach gleichsam, dass einer der Angeklagten ein Klappmesser benutzte, das er für die Ausübung der Tat zunächst einsatzbereit machen musste – von Affekt könne somit keine Rede sein, befand van Gemmeren. „Grundsätzlich sind die meisten Tötungsdelikte affektiv gefärbt. Strafmildernde Umstände sind in diesem Fall allerdings nicht gegeben.“
Ganz anders sah dies erwartungsgemäß die Verteidigung. Rechtsanwalt Dr. Deckers konnte die Kammer nicht überzeugen, dass eine Tötungsabsicht allein schon wegen des lautstarken Wortwechsels zwischen Opfer und Angeklagten nicht vorliegen könne. Aus seiner Sicht handelte es sich um „einen „minderschweren Fall von Totschlag“, der lediglich mit einer Freiheitsstrafe von unter fünf Jahren zu ahnden sei.
Fronten bleiben verhärtet
„Wenn ich jemanden umbringen will, fange ich doch nicht vorher mit ihm einen Streit an“, argumentierte Deckers und beharrte auf der Version seines Mandanten, dass dieser zunächst nur ein klärendes Gespräch gesucht habe. Gegen das Urteil wollen beide Verteidiger in Revision gehen. Die beiden Angeklagten entschuldigten sich in ihren Schlussworten abermals bei der Opfer-Familie und bekundeten ihre Reue. Vergeblich. Der Bruder des Verstorbenen schmetterte die versöhnliche Geste entschieden ab: „Das war Rache.“