Bedburg-Hau/Kleve. . Zwölf Jahre Gefängnis oder lebenslange Haft – darum geht es für zwei Brüder aus, die ihren Ex-Schwager in einem Klever Discounter erstochen hatten.

Mord oder Totschlag, das ist die schicksalsträchtige Frage, die sich für zwei türkischstämmige Brüder aus Bedburg-Hau im Alter von 23 und 32 Jahren stellt. In dunklen Anzügen und betont seriös erschienen beide Täter gestern vor Gericht. Um die „Familien-Ehre“ wiederherzustellen, hatten die beiden im März 2014 im Lidl-Markt an der Materborner Allee in Kleve einen 43-Jährigen mit 44 Messerstichen getötet. „Er hat es verdient“, soll einer der Täter nach dem Vorfall gerufen haben. Wegen Totschlags hatte die 4. Strafkammer des Landgerichts Kleve deshalb Ende 2014 zunächst beide zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Den Vorsitz hatte damals der heutige Gocher Bürgermeister Ulrich Knickrehm.

Richter müssen prüfen, ob es nicht doch Mord war

Weil die Familie des Opfers sich mit diesem aus ihrer Sicht zu milden Urteil nicht abfinden wollte, wird der Prozess nun neu aufgerollt: Der Bruder des Opfers hatte als Nebenkläger Revision eingelegt, sodass der Fall bis vor den Bundesgerichtshof ging. Entscheidend ist hierbei die Frage, ob bei der Tat das Mordmerkmal der Heimtücke vorliegt – bei der ersten Verurteilung befand die Kammer, dass dies nicht der Fall sei. Die beiden Brüder seien ihrem Opfer „ offen feindselig“ entgegen getreten, es habe ein hitziges Wortgefecht gegeben, hieß es damals in der Begründung. Von einem Überraschungsmoment des Opfers, der bei einem heimtückischen Überfall gegeben sein müsste, könne somit keine Rede sein.

Die Richter in Karlsruhe überzeugte diese Argumentation nicht. Falls die 5. Kammer um den Vorsitzenden Richter Gerhard von Gemmeren nun doch ein klares Mordmerkmal bei der Tat ausmachen kann, wandern die Täter lebenslang ins Gefängnis.

Auch interessant

Die Familie des Opfers brauchte beim Auftakt der neuerlichen Strafverhandlung am Montag starke Nerven: So wurde im Gerichtssaal ein Polizei-Video vorgeführt, das unmittelbar nach der Tat aufgezeichnet wurde. Langsam huscht die Kamera durch die Gänge, auf dem Boden liegen einige Lebensmittel wild verstreut und legen Zeugnis ab von der Bluttat, die sich wenige Minuten zuvor dort ereignet hatte. Der Fußboden ist von Blutflecken übersät. Am Ende eines Ganges liegt die Leiche des Mannes in einer Blutlache, Polizeibeamte von der Spurensicherung haben sie mit einem Tuch bedeckt.

Zwei Brüder hatten ihren Ex-Schwager in Kleve getötet

Auslöser für den Messerangriff im Supermarkt war die Tatsache, dass das spätere Opfer Jahre zuvor versucht hatte, einen Bruder der Angeklagten zu töten; dafür wurde der Mann 2008 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, die er auch verbüßt hatte. Über einen längeren Zeitraum hinweg soll der 43-Jährige die Familie der Brüder aber später weiter drangsaliert und bedroht haben.

Der ältere der beiden Brüder ließ sich über seinen Anwalt zur Sache ein, der 23-Jährige will sich erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Tat äußern. „Ich habe das nicht gewollt“, ließ der ausgebildete Gas- und Wasserinstallateur verlauten und drückte sein tiefes Bedauern über den Tod seines früheren Widersachers aus. „Ich habe seinen Hass auf mich unterschätzt.“ Er habe den 43-Jährigen nur wegen der anhaltenden Streitigkeiten zur Rede stellen wollen, während der eigentlich Tat will er „einen Filmriss“ gehabt haben.

Der 32-Jährige Täter bat die Familie des Opfers um Entschuldigung – vergeblich. Der Bruder des Opfers, der als Nebenkläger vor Gericht auftrat, wies dies mit einem lautstarken „Nein!“ zurück.

Opfer soll Schwester der Täter misshandelt haben

Dabei hätten die Männer sich anfangs gut verstanden, hieß es. Erst später kippte das Verhältnis. Der Familienzwist hat indes eine lange Vorgeschichte: So soll das spätere Mordopfer außerdem seine Ex-Frau, bei der es sich um die Schwester der Täter handelt, schwer misshandelt haben.

Der Prozess wird am Donnerstag, 24. März, fortgesetzt. Bislang sind zehn Verhandlungstermine angesetzt.