Essen. Laut AfD ist der Bundesparteitag in Essen nicht gefährdet. Mehrere Organisationen rufen darum zur Demonstration auf. Die ersten Infos.
Über 600 Gäste in der Stadt – und der OB nennt sie „nicht willkommen“. Ein geschlossener Pachtvertrag mit der Grugahalle – und der unverhohlene Versuch, sich dort herauszuwinden: Das ist nach wie vor die Lage, knapp zehn Wochen vor dem letzten Juni-Wochenende, an dem die „Alternative für Deutschland“ (AfD) ihren Bundesparteitag im Schmetterlingsbau neben der Messe abhalten will. Am Dienstag haben mehrere Essener Organisationen und Initiativen erstmals signalisiert, wie sie sich den Protest vorstellen, wenn man womöglich nicht verhindern kann, was man so gern verhindern möchte. Gerechnet wird mit 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern und mehr.
Die AfD triumphiert: „Es bestehen keine Sorgen, dass der Parteitag abgesagt werden müsste“
Dass die AfD sich noch auf irgendeine Weise ausbooten lässt und der Bundesparteitag nicht wie geplant in der Grugahalle über die Bühne geht – zumindest für die Partei ist dies derzeit undenkbar, wie ein Sprecher dieser Redaktion erklärte: So etwas wie ein Plan B? Nicht nötig: „Die Polizei hat uns signalisiert: Es bestehen keine Sorgen, dass der Parteitag abgesagt werden müsste“, heißt es auf Anfrage selbstbewusst aus der Berliner Parteizentrale.
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Die Polizei bestätigt dies grundsätzlich. Und gibt dennoch zu bedenken, dass sich das Demo-Szenario am nämlichen Wochenende noch einigermaßen unübersichtlich darstellt. Bislang stehen nicht weniger als zehn angemeldete Versammlungen mit geschätzten 66.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Raum, wie Polizeisprecher Thomas Weise erklärt: zwei am Freitag, 28. Juni, sieben am darauffolgenden Samstag, eine am Sonntag. Und noch habe es für kein einziges Treffen das übliche Kooperationsgespräch im Vorfeld gegeben. Diese sollen in den nächsten Tagen beginnen, und dann lichtet sich womöglich der Nebel über Doppelanmeldungen und Gegendemos, die hier und da zusammengelegt werden könnten.
Die „Gegenseite“ jedenfalls rüstet sich mit allerlei Vorbereitungen: Für Freitag plant etwa das Anti-Rechts-Bündnis „Essen stellt sich quer“ von 19 bis 22 Uhr eine „Rave-Demo“, also eine Art Anti-AfD-Parade mit ein oder zwei Musik-Trucks, die vom Hauptbahnhof durchs Südviertel bis nach Rüttenscheid fahren sollen. Mit verschiedenen Club-Kollektiven sei man im Gespräch, die „Mini-Loveparade“ allein könnte Tausende anziehen. Dabei hat die AfD nach eigenem Bekunden den Freitag als Tagungs-Tag gestrichen und das Treffen mit seinen rund 600 Delegierten auf Samstag und Sonntag verkürzt. Grund: Für die anstehenden Neuwahlen zum Bundesvorstand sei eine elektronische Abstimmung zugelassen worden, das verkürze die Tagungsdauer erheblich.
AfD-Parteitag in Essen: Delegierte und Demonstranten kommen sich vermutlich nicht in die Quere
Aber ohnehin ist der Samstag für das Treffen, bei dem die AfD auch ihren Bundesvorstand turnusgemäß neu wählen will, der zentrale Veranstaltungstag. Eine Tagesordnung liegt noch nicht vor, aber es sieht ganz so aus, als kämen sich Delegierte und Demonstranten dabei eher nicht in die Quere.
Denn die große Gegegn-Demo, zu der gleich mehrerer zivilgesellschaftliche Initiativen und Oberbürgermeister Thomas Kufen einladen, sie geht im Wesentlichen am Samstagnachmittag über die Bühne. Getragen wird sie von der „Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat“, der 16 Mitgliedsorganisationen angehören, von der Kreishandwerkerschaft über die Uni bis zum Unternehmensverband. Dazu vom Deutschen Gewerkschaftsbund, dem von 26 Initiativen gebildeten Anti-Rechts-Bündnis „Essen stellt sich quer“ und von der Initiative „Aufstehen gegen Rassismus Essen“, die sich einst als Antwort auf die AfD zusammenschloss.
Drei Bündnisse wollen beim AfD-Parteitag ein „gemeinsames Zeichen gegen Hass und Hetze“ setzen
Ihnen geht es darum, „einen Kontrapunkt zu setzen“, wie OB Kufen formuliert, „damit der AfD-Parteitag „nicht das einzige Bild ist, das an diesem Wochenende von Essen ausgeht“. Vor allem friedlich soll es zugehen, ein deutliches gemeinsames Zeichen „für Demokratie, Vielfalt und Toleranz“ und „gegen Hass und Hetze“. Ein Signal, „gegen Ausgrenzung und jede Form von Herabwürdigung“, betont Marion Greve, Superintendentin für den Evangelischen Kirchenkreis Essen, und „dass Menschen- und Grundrechte für alle gelten, die hier leben“. Es gehe aber auch „nicht nur darum zu zeigen, wogegen wir sind, sondern auch wofür“, erinnert DGB-Regionalchef Dieter Hillebrand.
Und dies bei einem Protest-Spektrum, mit dem mancher durchaus seine Schwierigkeiten hat. Doch trotz mancher Berührungsängste sei es gelungen, eine gemeinsame Linie zu finden: „Ich finde das klasse, dass wir das gemeinsam tun“, freut sich der katholische Stadtdechant Jürgen Schmidt. Wie breit das Spektrum des Protests gegen die AfD ist, soll sich dabei nicht nur im Vorfeld, sondern auch am 29. Juni zeigen: Bereits um 10 Uhr will man sich zu einem Demonstrationszug an der Freiheit treffen, über Huyssenallee und Alfredstraße soll es dann zum Parkplatz P2 der Messe gehen.
Dort beginnt um 13 Uhr zunächst ein „Markt der Möglichkeiten“, für den in Höhe des Girardet-Hauses Infostände von Vereinen und Initiativen aufgebaut sind, dazu Buden für Essen und Trinken und nicht zu vergessen: Toiletten. Um 14.30 Uhr beginnt in lockerer Abfolge ein buntes Bühnenprogramm mit Reden und Gesprächen zu sechs verschiedenen Themenbereichen, unterbrochen von musikalischen Einlagen und moderiert von WDR-Journalist Tobias Häusler. Oberbürgermeister Thomas Kufen wird ein Grußwort an die Teilnehmer richten, und auf dem Podium ergreifen unter anderem der Vorstandschef des Essener Chemie-Unternehmens Evonik Industries Christian Kullmann und die NRW-Vorsitzende des DGB Anja Weber das Wort, die Leiterin der Alten Synagoge in Essen Diana Matut und die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland Anna-Nicole Heinrich.
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Gegen 17 Uhr schließt sich dann ein Konzert mit prominenten Künstlern an. Wer da auf der am Rüttenscheider Heizkraftwerk platzierten Bühne steht, ist noch nicht abschließend geklärt. Einige Zusagen habe man aber schon in der Tasche, sagt Florian Mamat von der Initiative „Aufstehen gegen Rassismus“. Wie groß der Zuspruch zum Ausklang wird, hängt wohl nicht zuletzt an der Frage, ob die deutsche Nationalmannschaft es bei der Fußball-Europameisterschaft ins Achtelfinale schafft – und wenn ja, mit welcher Gruppen-Platzierung: Möglich ist, dass die deutsche Elf (als Gruppen-Zweiter) an jenem Samstag um 18 Uhr in Berlin spielt, (als Gruppen-Erster) um 21 Uhr in Dortmund oder (als Gruppen-Dritter) am Sonntag um 21 Uhr in Köln.
Der Protest gegen die AfD soll am Sonntag mit einer Mahnwache vor der Grugahalle enden. Für Polizei-Sprecher Weise ist schon jetzt klar: Dieses letzte Juni-Wochenende bedeutet für die Polizeikräfte einen Aufwand, „wie wir ihn in den letzten Jahrzehnten nicht hatten“.
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