Essen. Kommunalaufsicht wird erneut eingeschaltet. „Alternative für Deutschland“ ließ Ultimatum für strafbewehrte Selbstverpflichtung verstreichen.

Es sollte ein Rauswurf mit Ansage werden, und dieser 5. Juni war dafür als Zeitpunkt ausgeguckt. Doch der Plan, den Pachtvertrag der Messe Essen mit der AfD zu kündigen, er ist am Mittwoch erst einmal ins Stocken geraten. Dabei hatte sich die „Alternative für Deutschland“ tatsächlich wie erwartet geweigert, jene strafbewehrte Selbstverpflichtung zu unterzeichnen, mit der die Stadt Essen die Äußerung strafbarer NS-Parolen beim anstehenden Bundesparteitag Ende Juni verhindern wollte.

Für den Fall, dass dieses Einverständnis bis zum Ablauf des 4. Juni nicht vorliegt, sah ein Beschluss des Essener Stadtrates eine automatische Kündigung des Pachtvertrages mit der AfD vor. Erfolgt ist diese Kündigung an diesem Mittwoch gleichwohl noch nicht, wie es aus dem Rathaus heißt. Eine Absprache zwischen Rechtsdezernent Christian Kromberg, Messe-Chef Oliver P. Kuhrt und den beteiligten Rechtsanwälten aufseiten der Stadt ergab, dass man zunächst wohl eine weitere Antwort der Bezirksregierung Düsseldorf abwarten will.

Formell muss am Ende er der AfD den Vertrag über die Grugahalle kündigen: Messe-Chef Oliver P. Kuhrt.
Formell muss am Ende er der AfD den Vertrag über die Grugahalle kündigen: Messe-Chef Oliver P. Kuhrt. © FUNKE Foto Services | Knut Vahlensieck

Zwar hatte die dortige Kommunalaufsicht bereits am Dienstag signalisiert, dass sie den Ratsbeschluss – anders als von der AfD gefordert – eben nicht für „offensichtlich rechtswidrig“ hält und deshalb auch nicht beanstanden wird. Allerdings stehen noch Antworten auf vier weitere Fragen aus, die die von der AfD beauftragte Kölner Anwaltskanzlei Höcker in den Raum gestellt hatte.

So beklagt die Partei, die Stadt Essen habe die Tagesordnung des Rates am Mittwoch der vergangenen Woche um den vermeintlich dringlichen Punkt der Vertragsergänzung „unzulässig erweitert“. Zudem habe sie eine Haftungszusage gegenüber der Messe und ihrem Geschäftsführer ausgesprochen, die sie so ohne eine vorherige Anzeige bei der Kommunalaufsicht nicht hätte aussprechen dürfen. Drittens widerspreche eine Übernahme der Haftungszusage in unbegrenzter Höhe dem städtischen Gebot einer wirtschaftlichen Haushaltsführung, und schließlich fehle ein Finanzierungsvorschlag für den Fall berechtigter Schadenersatzansprüche gegen Stadt oder Messe.

Bislang ging seine Taktik auf, aber Fehler mag man sich im Streit mit der AfD nicht erlauben: Christian Kromberg, Rechtsdezernent der Stadt.
Bislang ging seine Taktik auf, aber Fehler mag man sich im Streit mit der AfD nicht erlauben: Christian Kromberg, Rechtsdezernent der Stadt. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Alles Formalien, glaubt die Stadt, will aber gleichwohl die weitere Antwort der Bezirksregierung abwarten, bevor die städtische Messe die außerordentliche fristlose Kündigung des Grugahallen-Vertrages aus wichtigem Grund auf den Weg bringt. Gut möglich, dass diese Antwort aus der Landeshauptstadt erst am Donnerstag eintrifft.

Sollte die Aufsicht auch diese Bedenken der AfD beiseite wischen, dürfte die Partei versuchen, sich auf dem Rechtsweg die Grugahalle als Tagungsort am 29. und 30. Juni zu sichern – beim Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen, beim Landgericht Essen oder bei beiden Gerichten parallel. Spannung verspricht dabei die Frage, inwieweit sich die Einschätzung der Richter von jener der Kommunalaufsicht unterscheidet.

Der Kommunalaufsicht erscheint die Gefahren-Prognose „durchaus plausibel“

Als Dreh- und Angelpunkt könnte sich dabei die Expertise des Soziologen und Publizisten Andreas Kemper erweisen, auf deren Grundlage der Essener Stadrat die Selbstverpflichtung der AfD gefordert hatte – Kündigungsdrohung inklusive: „Ihre Auffassung, die Expertise sei eine offensichtlich untaugliche Grundlage für eine Gefährdungsprognose zur Begehung von Straftaten anlässlich des Parteitags, mache ich mir nicht zu eigen“, schrieb Carsten Kießling, Leiter der Kommunalaufsicht bei der Bezirksregierung, den Anwälten der AfD: „Aus hiesiger Sicht erschöpft sich die Expertise nicht in spekulativen Annahmen.“ Sie enthalte vielmehr Ausführungen, die „als plausible Prognose angesehen werden können“.

Dass im Streit Stadt kontra AfD alle Register gezogen werden, zeigt auch eine andere Nachricht: Im Zusammenhang mit den städtischen Hürden für den geplanten Bundesparteitag liegen, so bestätigte ein Sprecher der Essener Staatsanwaltschaft, mehrere Strafanzeigen gegen Oberbürgermeister Thomas Kufen vor. Ob die Behörde überhaupt Ermittlungen aufnimmt, klärt sich frühestens Anfang der kommenden Woche.