Essen. Zahl der möglichen Demo-Teilnehmer wächst rasant, was Sicherheitsprobleme aufwirft. Stadt schließt Grugapark, große Straßen werden abgeriegelt.
Noch sind die Zahlen Prognose, doch die Anzeichen verdichten sich, dass der Protest gegen den AfD-Bundesparteitag vom 29. bis 30. Juni zur größten Demonstration wird, die Essen je gesehen hat. Auf Basis der Anmeldungen ist bei Stadtverwaltung und Polizei mittlerweile von 78.000 Teilnehmern die Rede, und auch eine sechsstellige Zahl erscheint ohne weiteres denkbar - erheblich mehr als noch Ende April erwartet. Abhängig ist die letztendliche Teilnehmerzahl auch von Faktoren, die noch nicht alle absehbar sind, etwa dem Wetter, der Rednerliste oder dem Spielplan der Fußball-EM. Klar ist: Der Großraum Rüttenscheid mit der Grugahalle als Fixpunkt wird aus Sicherheitsgründen in den Ausnahmezustand versetzt, was empfindliche Einschränkungen für viele Essener zur Folge hat, egal ob sie nun Beteiligte sind oder nicht.
„Grugapark, Grugabad und Kur vor Ort“ müssen für drei Tage schließen“, kündigt der städtische Ordnungsdezernent Christian Kromberg an. Anders lasse sich die Abschirmung der Grugahalle, in der die AfD-Parteitag stattfinden soll, nicht zuverlässig bewerkstelligen. Zu groß sei die Gefahr, dass sich quasi „von hinten“, durch den Park, Störer nähern, die im schlimmsten Falle versuchen könnten, die Halle zu stürmen.
Norbertstraße wird geschlossen und dient nur als Zufahrt zur Grugahalle für AfD-Delegierte und andere Berechtigte
Auch die Norbertstraße zwischen Alfredstraße und der A 52-Auffahrt soll komplett geschlossen werden, schon deshalb wäre das Grugabad für Gäste schwer erreichbar. Die Norbertstraße soll ausschließlich als Transitstrecke für AfD-Delegierte und Parteitagsmitarbeiter sowie Journalisten, Behördenvertreter und Messe-Mitarbeiter dienen - also denen, die aus parteipolitischen oder beruflichen Gründen in der Grugahalle zu tun haben. Mindestens stundenweise werden auch die Rüttenscheider Straße und die Alfredstraße geschlossen, weil sie von Demo-Zügen belegt werden oder als Standort für Kundgebungen dienen müssen. Für die Rüttenscheider Geschäftswelt hat das Folgen.
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All diese Maßnahmen müssen in allen Details organisiert und abgesichert werden, weshalb Christian Kromberg im Zusammenhang mit dem AfD-Parteitag von der „schwierigsten Aufgabe“ spricht, die er in seiner nun schon langen Amtszeit zu bewältigen habe. Eine Sitzung folge derzeit der Nächsten. „Sicherheit hat oberste Priorität“, betont Oberbürgermeister Thomas Kufen. Dass die Stadt den ungeliebten Parteitag noch juristisch verhindern kann, gilt als unwahrscheinlich.
Alle Hände voll zu tun hat selbstredend auch die Polizei, der es zusätzlich obliegt, die Demonstrationen verschiedener Veranstalter unter einen Hut zu bekommen. Stand jetzt, sind nach Angaben von Polizeisprecher Thomas Weise elf Veranstaltungen angemeldet.
Das sind noch Wünsche - was sich zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort genau realisieren lässt, sei derzeit noch in der Abstimmung, betont Weise. Neben Platz-Veranstaltungen stehen auch Märsche durch die Stadt auf dem Wunschzettel, was die Dinge zusätzlich verkompliziert, denn diese müssen von Polizei begleitet werden. „Essen stellt sich quer“, „Aufstehen gegen Rassismus“ und die „Essener Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat“ sind die großen Anmelder, die teilweise mehrere Veranstaltungen planen, einige weitere kleinere Anmelder kommen noch hinzu.
Polizei stimmt schon jetzt auf „erhebliche Einschränkungen“ für die Bürger ein
Laut Weise muss die Polizei dreierlei bewältigen: Es gilt, den Ablauf des Parteitags zu schützen, das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit möglich zu machen und schließlich zu vermeiden, dass große Teile der Stadt und die dort lebenden Bürger unzumutbare Einschränkungen ihrer eigenen Bewegungsfreiheit erleiden müssen. Keine leichte Aufgabe, vielleicht sogar eine letztlich unlösbare. Polizeisprecher Thomas Weise stimmt die Essener für das Parteitagswochenende schon mal auf „erhebliche Einschränkungen“ ein, die vor allem den Autoverkehr beträfen. Das gelte umso mehr, je näher man an der Grugahalle wohne.
Schwierig ist die Lage anscheinend auch für das Hotel Atlantic, das sich direkt an der Grugahalle befindet. In dem Vier-Sterne-Haus logieren immer wieder Fußballmannschaften, nach Angaben von Christian Kromberg sollte das Hotel ursprünglich am Parteitags-Wochenende im Rahmen der Fußball-EM eine Nationalmannschaft beherbergen, doch sei die Reservierung wegen der Demo-Unsicherheiten storniert worden.
OB Kufen ist wegen beabsichtigter Demo-Teilnahme in der Kritik
Für viel medialen Zündstoff sorgte in den letzten Tagen die Tatsache, dass Oberbürgermeister Thomas Kufen selbst an einer der Demos teilnehmen will - nämlich an der der Essener Allianz, die von den großen Kirchen und einigen demokratischen Parteien und Verbänden getragen wird, darunter der CDU. Bei der AfD und im AfD-nahen Spektrum gibt es die mehr oder weniger offen vorgetragene Unterstellung, Kufen und andere CDU-Politiker machten sich damit gemein mit linken, teilweise auch gewaltbereiten Gruppierungen wie der Antifa.
„Ein von OB Kufen angeführter Demonstrationszug wird sich sicherlich nicht von der Teilnahme gewaltbereiter Chaoten trennen lassen“, heißt es in einer Mitteilung der Essener AfD. „Gewollt oder ungewollt wird er somit auch zum Anführer von Gewalttätern, deren zerstörerisches Potenzial bekannt ist“. Kufen verwahrt sich auf Anfrage gegen diese Sicht. Er nehme an der Veranstaltung der Essener Allianz teil, an deren Friedfertigkeit es keinerlei Zweifel gebe.
Ordnungsdezernent Christian Kromberg in einer Doppelrolle
Die Essener Allianz wird am Samstag, 13 Uhr den großen Messeparkplatz P 2 (ehemaliger Güterbahnhof) nutzen, die Bühne wird in Richtung Veronikastraße aufgebaut, also relativ weit weg von der Grugahalle, um der Polizei keine unnötigen Probleme zu bereiten, wie Kromberg betont. Teilen wird sich die Allianz den Versammlungsort mit der Initiative Aufstehen gegen Rassismus. Juristisch handelt es sich laut Ordnungsdezernt um zwei Veranstaltungen, „faktisch aber um eine“. Ein Konstrukt, das seine Risiken hat, wie im übrigen das gesamte Wochenende.
Christian Kromberg wird für die Allianz als Veranstaltungsleiter fungieren und will bewusst eine Doppelrolle einnehmen. Und er hat sich vorgenommen, im Zweifel dem Ordnungsdezernenten den Vorzug zu geben. Auf 35.000 Menschen ist die Veranstaltung auf dem Parkplatz P 2 ausgelegt. Wenn es mehr werden, müssten die Zuletztkommenden entweder draußen bleiben. „Oder ich erkläre die Veranstaltung für aufgelöst.“
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