Essen-Werden. Die Feuerwehr wirbt in der Bezirksvertretung für den Standort in Essen-Werden. Anwohner sammeln Unterschriften gegen die Pläne.
Zu fünft waren sie ausgerückt, ins alte Kettwiger Rathaus. Ordnungsdezernent Christian Kromberg hatte zur Unterstützung Jörg Wackerhahn mitgebracht, designierter Chef der Essener Feuerwehr. Der wurde von zwei Fachleuten begleitet. Zudem unterbrach Stefan Scheffel eigens seinen Urlaub. Der Leiter der „Stabsstelle Projektkoordination“ und seine Leute suchen mögliche Baugrundstücke für städtische Vorhaben wie Schul- oder Kita-Neubauten oder eben neue Feuerwachen.
Warum der Aufwand? Die Bezirksvertretung 9 tagte und ein „Zwischenbericht über das weitere Vorgehen im Bereich Feuer- und Rettungswache Süd“ zog das Interesse auf sich. Lange nicht mehr waren die Zuschauerplätze derart gut gefüllt im Kettwiger Ratssaal. Anwohner der betroffenen Ruhrtalstraße in Werden wollten wissen, was sie zu erwarten haben. Ihre Grundhaltung ist kritisch, wie einer Onlinepetition zu entnehmen ist, die „Für den Erhalt der Grünflächen“ kämpft.
Die neue Feuerwache für den Essener Süden könnte an der Ruhrtalstraße gebaut werden
Durch das Bauvorhaben werde ein artenreiches Landschaftsschutzgebiet zerstört. Zudem sei das laut Starkregenkarte der Stadt Essen überflutungsgefährdete Gebiet bereits durch die S-Bahnlinie, die viel befahrene Straße und die Einflugschneise des Düsseldorfer Flughafens überstrapaziert. Das alles weiß der für die Feuerwehr zuständige Dezernent Christian Kromberg ganz genau: „Wir gehen jetzt mit einem Grundstück ins Rennen, das nicht unumstritten ist.“
Und doch: „Wir leben in Zeiten der Multikrisen. Das Thema Waldbandschutz wird immer wichtiger, das spielte früher so gut wie keine Rolle. Die Alterskohorte wächst, folglich steigen die Einsatzzahlen der Rettungsdienste signifikant an. Die Welt ändert sich und wir müssen nahe bei den Menschen sein. Wir planen eine Wache für mindestens die nächsten 50 Jahre, also für mehrere Generationen. Und denen gilt unsere Verantwortung.“
So wurde Ortspolitikern und Gästen verdeutlicht, warum es aus städtischer Sicht zunächst einen hohen Favoriten für den Standort einer neuen „Feuerwache Süd“ gibt. Sascha Keil leitet die Liegenschaftsabteilung der Feuerwehr: „Essen hat keine Struktur wie viele andere Städte, mit einem dicht besiedelten Kern und immer dünner werdenden Bevölkerungszahlen in den Außenbereichen. Wir haben Ballungszentren wie Kettwig oder Werden weit außerhalb des Stadtzentrums.“
Im Umfeld der Ruhrtalstraße in Essen liegen einige Krankenhäuser
Da werde das erste Schutzziel, nämlich eine Eintreffzeit von weniger als acht Minuten nach Alarmierung, von der Berufsfeuerwehr nicht immer eingehalten: „Diese Zeiten wurden im Kettwiger Norden und in Werden ganz oft nicht erreicht. Da haben wir eine Lücke.“ Zudem gebe es einige Krankenhäuser im Gebiet und in Heidhausen die abgelegene Ruhrlandklinik. Als Konsequenz habe die Feuerwehr ihm „Suchkreise“ definiert, erklärte Stefan Scheffel.
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Vier mögliche Flächen wurden identifiziert: ein Acker am Schuirweg, dort sei auch Landschaftsschutzgebiet und schwierige Anfahrt, eine Fläche am Kanonenberg, die aber nur durch schmale Anliegerstraßen erreichen sei. Dazu das Grundstück „Industriedruck AG“ an der Ruhrtalstraße 52 und besagte Fläche gute 700 Meter weiter in Richtung Kettwig. Vorschläge aus Bevölkerung wie Im Teelbruch, Meisenburgstraße oder Frielingsdorfweg lägen alle nicht im vorgegeben „Zielradius“.
Zunächst werde geprüft, ob eine Feuerwache an der Ruhrtalstraße 118 möglich sei: „Die Starkregenkarte weist maximale Wasserstände von 50 Zentimeter auf. Damit müssen wir umgehen. Geht das überhaupt? Kann man da bauen? Wir wissen es noch nicht, da muss erst eine Machbarkeitsstudie her.“
Auch die Freiwilligen Feuerwehren im Essener Süden sollen Neubauten erhalten
Der Schritt, im Süden eine Berufsfeuerwehr installieren zu wollen, war auch als unterschwellige Kritik an den Freiwilligen Feuerwehren interpretiert worden. Das sei nicht so, betonte Sascha Keil. Die Ehrenamtler würden nicht „zurückgestuft“, sondern blieben weiterhin Bestandteil der Strategie: „Wir brauchen die Kollegen für das zweite Schutzziel, für das die Kräfte spätestens nach 13 Minuten eintreffen sollen.“ Aber die Einsatzzahlen der Freiwilligen Feuerwehren Kettwig und Werden lägen mit 338 und 259 Alarmierungen im Jahr definitiv viel zu hoch: „Laut Gutachten liegt die Belastungsgrenze für Ehrenamtliche bei maximal hundert Einsätzen im Jahr.“
Ein weiterer Beweis der Wertschätzung sei der Umstand, dass sowohl für die FF Kettwig als auch die FF Werden Neubauten angestrebt würden. In Heidhausen am Brakeler Wald soll das Bestandsgebäude noch in diesem Jahr abgerissen und dann neugebaut werden. Das Kettwiger Gebäude an der Schulstraße sei ebenfalls „in die Jahre gekommen“ und zu beengt. Deshalb sei dort die Grundstückssuche für einen Neubau eingeleitet worden.
An der Ruhrtalstraße in Essen-Werden soll eine Grundschutzeinheit stationiert werden
Die Berufsfeuerwehr möchte an der Ruhrtalstraße mit einer „Grundschutzeinheit“ vertreten sein. Die umfasst ein Löschfahrzeug, eine Drehleiter und ein Einsatzleitfahrzeug. Zehn Einsatzkräfte und ein Rettungswagen mit zwei Mann Besatzung würden im Süden stationiert. Dazu noch Sonderbedarfe wie ein geländegängiges Tanklöschfahrzeug für Waldbrände und Rettungsboote für Einsätze auf der nahen Ruhr. Intelligente Ampelschaltungen „auf Anfrage“ könnten zumindest Ausfahrten mit Martinshorneinsatz vermeiden.
Die Ortspolitiker diskutierten über die Frage, ob die anderen im engen Fokus liegenden Standorte nicht doch auch jetzt schon geprüft werden sollten, besonders das Gelände Industriedruck AG. Dazu antwortete Stefan Scheffel: „Es ist auch eine personelle und Kostenfrage, solch einen Standort zu prüfen. Unsere Ressourcen geben es nur her, ein Grundstück nach dem anderen zu prüfen.“
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