Essen. Die Stadt Essen treibt einen Neubau an der Ruhrtalstraße trotzdem voran. Welche Standorte sonst geprüft, aber wieder verworfen wurden.
Der Bau einer neuen Feuerwache im Essener Süden rückt einen Schritt näher. In seiner jüngsten Sitzung hat der Rat der Stadt die Verwaltung beauftragt, ihre Pläne für einen Neubau an der zwischen Werden und Kettwig gelegenen Ruhrtalstraße weiterzuverfolgen. Der Beschluss fiel einstimmig. Damit setzt sich der Rat über Bedenken aus der Bürgerschaft hinweg. Kurz: Es ist Feuer unterm Dach.
Wie berichtet, sucht die Essener Feuerwehr händeringend nach einem Standort für eine Feuerwache im Essener Süden. Der Grund: Rettungsdienste müssen innerhalb von acht Minuten am Einsatzort sein. Die Berufsfeuerwehr kann dies nicht einhalten und ist deshalb auf die Freiwilligen Feuerwehren in Werden und Kettwig angewiesen. Die arbeiten hochprofessionell, doch den Freiwilligen allein will die Stadt die Aufgabe nicht überlassen.
Der Essener Rat hat die Verwaltung beauftragt, Verkaufsverhandlungen aufzunehmen
Bei der Suche nach einem geeigneten Standort ist die Planungsverwaltung nahe der Ruhrtalstraße 118 fündig geworden. Das Grundstück sei optimal gelegen, der Eigentümer sei bereit, es an die Stadt zu verkaufen. Nachdem der Rat der Stadt seine Zustimmung gegeben hat, wird die Verwaltung in entsprechende Verhandlungen eintreten, um das Grundstück zu erwerben. Die Verwaltung wird derweil das nötige Planungsrecht schaffen, um eine Bebauung zu ermöglichen. Da es sich aktuell um eine landwirtschaftliche Nutzfläche handelt, muss ein Bebauungsplan aufgestellt werden.
Dass die Feuerwache mitten in einem Landschaftsschutzgebiet entstehen soll, wird als notwendiges Übel gesehen. Es gebe keine andere Fläche, die über die gleichen „optimalen Standortvoraussetzungen“ verfüge, die nicht auch im Landschaftsschutzgebiet liege, heißt es in der Stellungnahme der Verwaltung.
Die Starkregenkarte der Stadt Essen weist die Fläche an der Ruhrtalstraße als gefähret aus
Optimale Standortvoraussetzungen? Anwohner stellen dies in Zweifel. Sie weisen darauf hin, dass die Fläche unter Wasser steht, wenn es lange und ausgiebig regnet. Auf der Starkregenkarte der Stadt Essen ist das Gebiet als entsprechend gefährdet gekennzeichnet. „Nach unserer Erfahrung leidet dieser Bereich und das umliegende Gebiet, wie zum Beispiel auch die Straße, regelmäßig unter Überflutung“, berichtet Isabell Treine, die an der Ruhrtalstraße zu Hause ist und gleich gegenüber der in Rede stehenden Wiese wohnt.
Isabell Treine ist dort aufgewachsen. In all den Jahren habe es immer wieder vollgelaufene Keller und überlaufende Gullys gegeben. Auf der Straße stehe das Wasser dann knöchelhoch. Mit Fotos hat sie es im Juli 2021 dokumentiert, als dauerhafte Regen zu einem Jahrhunderthochwasser führte. Auf den Bildern gleicht die Ruhrtalstraße einer Wasserstraße.
Die Anwohnerin ist alarmiert. Die Aussicht, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft statt auf eine weitläufige Wiese auf eine Feuerwache blicken, von wo aus Rettungswagen mit Blaulicht und Sirenengeheul ausrücken, befeuert ihren Protest befeuern. Isabell Treine hat eine Online-Petition für den Erhalt der Grünfläche gestartet. „Trügt die Idylle? Landschaftsschutzgebiet erhalten! Bebauung verhindern!“, heißt es dort. 423 Petenten unterstützen bislang diese Forderung, so der Stand am Donnerstag, 25. April.
Droht die Feuerwehr an der Ruhrtalstraße bei Starkregen abzusaufen? „Das wäre natürlich ein Treppenwitz“, sagt Guntmar Kipphardt, CDU-Ratsherr aus Kettwig und Vorsitzender des städtischen Planungsausschusses. Natürlich müsse das Wasser irgendwohin, sollte das Grundstück bebaut werden. Wohin, wäre im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens zu regeln, betont Kipphardt und denkt an technische Lösungen wie den Bau von Senken oder Auffangbecken. Auch Andreas Müller, Leiter des Stadtplanungsamtes, verweist auf das anstehende Bebauungsplanverfahren. „Starkregen ist das eine, ist aber nicht zu verwechseln mit einer Gefährdung durch Hochwasser“, betont Müller. Die Hochwassergefährdungskarte des Landesumweltministeriums weist die Ruhrtalstraße nicht als gefährdet aus.
Ein Gewerbegebiet in Essen-Werden wäre geeignet, Arbeitsplätze sollen aber erhalten bleiben
Aber gibt es tatsächlich keine andere Fläche, die für den Bau einer Feuerwache infrage kommt? Wie Guntmar Kipphardt ausführt, sind drei Flächen daraufhin geprüft worden, ob sie für den gewünschten Zweck geeignet sind. Ein freies Feld, oberhalb des ehemaligen Kardinal-Hengsbach-Hauses in Werden, sei verworfen worden, weil die Feuerwehr sich im Falle eins Alarms durch enge Anwohnerstraßen winden müsse, wie es Kipphardt formuliert. Eine Fläche am Schuirweg scheide aus, weil dieser erfahrungsgemäß im Winter wegen Eis und Schnee häufig gesperrt werde.
Einzig das Gelände einer ehemaligen Industriedruckerei an der Ruhrtalstraße schien Verwaltung und Feuerwehr prinzipiell als geeignet. Aber: „In der Zwischenzeit hat sich dort Kleingewerbe mit über 200 Arbeitsplätzen angesiedelt“, weiß Guntmar Kipphardt zu berichten. „Die will man nicht verjagen.“
Zwei Grundstücke in Kettwig scheiden als Feuerwehrstandort aus, weil sie zu weit entfernt liegen
Anwohnerin Isabell Treine bringt zwei weitere Flächen ins Spiel: eine leerstehende Gärtnerei an der Meisenburgstraße und das Gewerbegebiet im Teelbruch. Beide schieden aus, weil sie für die Feuerwehr zu weit vom Schuss lägen, um innerhalb von acht Minuten am Ort des Geschehens zu sein, sagt Kipphardt. „In Werden und Heidhausen hingen sie dann am Fliegenfänger.“
Wie geht es weiter? Der Vorsitzende des Planungsausschusses betont, dass mit dem Beschluss des Stadtrates noch nichts entschieden sei. Wohin die Reise aber geht, dürfte klar sein: in Richtung Ruhrtalstraße.
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