Essen. Die explosionsartig gestiegenen Energiepreise bekommen die Essener Mieter nun zu spüren. Eine Überprüfung der Abrechnung kann sich lohnen.
Lange Zeit herrschte offenbar trügerische Ruhe: Doch nun schlagen die explosionsartig gestiegenen Energiekosten wegen des Ukrainekrieges bei den Mieterhaushalten in Essen voll durch. In den letzten Wochen 2023 haben viele Vermieter die Nebenkostenabrechnungen für das Jahr 2022 verschickt. Bei den Mieterverbänden melden sich seither scharenweise betroffene Mieter, die ihre Abrechnungen mit teils immensen Nachzahlungen überprüfen lassen wollen. „Wir können den hohen Zulauf kaum bewältigen“, sagte Siw Mammitzsch, Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen. Die Folge: Die Mitglieder müssen derzeit in der Rechtsberatung mit Wartezeiten rechnen. Auch der Mieterverein Essen (MVE) spricht von einem Ansturm.
Dass die Zahl der Hilfesuchenden derzeit durch die Decke schießt, zeigt laut Mammitzsch, dass es den Leuten angesichts allgemein gestiegener Kosten immer empfindlicher ans Portemonnaie gehe. „Viele wollen daher wissen, ob die Abrechnung ihres Vermieters korrekt ist“, so die Mietervertreterin. Bei der Mietergemeinschaft tauchen derzeit Abrechnungen auf, bei denen Mieter 700, 1000 und sogar bis zu 2000 Euro für das Jahr 2022 nachzahlen sollen. „Die Leute wissen zum Teil nicht, wie sie das bezahlen sollen. Manche haben Angst, ihre Wohnung zu verlieren“, bestätigt Anke Eymann-Kapser, Anwältin für Mietrecht und gleichzeitig Vorsitzende beim Essener Mieterverein.
Heizkosten teils doppelt bis dreifach gestiegen
Obwohl viele Haushalte beim Heizen gespart hätten, was man an den allgemein gesunkenen Verbräuchen ablesen könne, seien für viele Haushalte die Heizkosten enorm gestiegen. Eymann-Kapser spricht von doppelten bis dreifachen Kosten. Der Heizkostenschock blieb nur für diejenigen aus, die ihre Vorauszahlungen schon frühzeitig angepasst hatten.
Doch viele Mieter sehen sich nicht nur deutlich höheren Heizkosten ausgesetzt. Auch bei den Betriebskosten gab es teils enorme Sprünge. Zu den Betriebskosten zählen unter anderem Grundsteuer, Wasser/Abwasser, Müllbeseitigung, Pflege- und Reinigungsarbeiten. Dass die Stadt Essen bei den kommunalen Gebühren zu den teuren Städten in NRW zählt, macht es für Mieter in Zeiten hoher Energiepreise daher nicht leichter, kritisiert Mammitzsch.
Mieterschützer erwarten 2023 noch höhere Belastungen für Mieter
In einem extremen Fall, der der Mietergemeinschaft vorliegt, soll eine Familie nun 4,55 Euro pro Quadratmeter an Betriebskosten zahlen. Der Schnitt in NRW liegt aktuell bei 2,50 bis 2,80 Euro. „Auffällig ist, dass in dem Fall der Abwasserverbrauch nicht zu dem für Frischwasser passt. Auch die Kosten für die Hausreinigung sind hier ungewöhnlich hoch“, meint Mammitzsch in einer ersten Einschätzung. Auch ein Großvermieter fiel der Mietergemeinschaft mit hohen Betriebskosten auf. So rechne dieser Kosten für Personal ab, das für Müllvermeidung eingesetzt wird. Allerdings sei die Zahl der Mülltonnen und damit die Müllgebühren für die Mieter nicht gesunken.
Viele Nebenkostenabrechnungen seien für Mieter kaum noch nachvollziehbar, kritisieren die Mietervertreterinnen. Eine Überprüfung lohne sich aus ihren Erfahrungen immer. „Es gibt viele Fehler“, sagt Eymann-Kapser.
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Eine Entlastung der Mieter ist derweil so schnell nicht in Sicht. Der Deutsche Mieterbund (DMB) erklärte erst jüngst: „Noch stärker zu Buche schlagen werden die immensen Energiekostenerhöhungen voraussichtlich mit der Abrechnung für das Jahr 2023, die den Mieterinnen und Mietern bis Ende des laufenden Jahres zugehen muss. Denn trotz der Energiepreisbremsen im Jahr 2023 sind die Energiepreise hoch.“ Mammitzsch blickt außerdem schon ins Jahr 2025, wenn die Neuberechnung der Grundsteuer in Kraft treten wird. Dann dräuen Mietern in Essen neue Belastungen.
Nebenkostenabrechnung erhalten? Das raten Mieterschützer
Eine Nebenkostenabrechnung sollte immer überprüft werden, egal ob sie eine Nachforderung enthält oder ein Guthaben in Aussicht steht. Letzteres könnte schließlich nach einer Prüfung auch noch höher ausfallen. Erste Fragen sollten sein:
- Stimmt die Höhe der angegebenen Vorauszahlungen?
- Wurde in der Abrechnung 2022 die Dezemberhilfe vom Vermieter weitergegeben?
- Gibt es Auffälligkeiten zu bisherigen Abrechnungen?
- Wurden Betriebskosten abgerechnet, die nicht im Mietvertrag vereinbart sind?
Weiterhin geben Mietervereine folgende Tipps:
- Eine Nebenkostenabrechnung muss spätestens nach zwölf Monaten übermittelt werden. Das heißt: Eine Abrechnung für das Jahr 2022 muss bis zum 31.12.2023 im Briefkasten liegen. Geht die Abrechnung verspätet ein, müssen auch grundsätzlich berechtigte Nachforderungen nicht mehr gezahlt werden.
- Vermieter müssen sich an das Gebot der Wirtschaftlichkeit halten. Sie sind zwar nicht verpflichtet, das günstigste Angebot für eine Dienstleistung zu wählen. Fallen allerdings zu hohe Kosten an, müssen diese vom Mieter nicht getragen werden. Eine erste Orientierung können Betriebs- und Heizkostenspiegel bieten.
- Wer eine Nebenkostenabrechnung anfechten will, muss dieser qualifiziert widersprechen. Mieter müssen in ihrem Widerspruch darlegen, warum Kosten aus ihrer Sicht zu hoch sind. Geht die Abrechnung fristgerecht ein, haben Mieterinnen und Mieter ein Prüfungsrecht von zwölf Monaten ab Eingang der Abrechnung.
- Die Abrechnung des Vermieters muss verständlich und nachvollziehbar aufgebaut sein. Es muss also klar ersichtlich sein, welche Kosten angefallen sind und wie diese auf die Wohnung verteilt wurden. Zudem ist jeder Vermieter verpflichtet, die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen.
- Die Nachzahlung kann dann solange zurückbehalten werden, bis die Richtigkeit der Abrechnung zum Beispiel durch Belege nachgewiesen wurde. Wer dennoch zahlen will, vielleicht aus Angst vor juristischen Drohungen des Vermieters, sollte dies nur unter dem Verweis tun, dass die Zahlung unter Vorbehalt geschieht. Das gilt auch für automatische Abbuchungen vom Konto.*
- Wer seine Nachzahlungen nicht in einer Summe leisten kann, sollte versuchen, mit dem Vermieter Ratenzahlungen zu vereinbaren. Denn Nachzahlungen gehören mit zur Miete. Ist der Mieter jedoch mit mehr als zwei Monatsmieten in Verzug, haben Vermieter das Recht, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen.
*Der Absatz wurde im Punkt Zahlungspflicht geändert
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