Essen. Abwassergebühren sind im Revier hoch, in Essen am höchsten. Kritik von Haus & Grund. Stadt räumt ein, zu viel kassiert zu haben. Städtevergleich.

In keiner Großstadt des Ruhrgebiets ist der Toilettengang so teuer wie in Essen – zumindest was die Spülung angeht. Bei den Abwassergebühren zählt Essen wie andere Ruhrgebietskommunen auch zu den Städten mit den bundesweit höchsten Preisen. Im alle drei Jahre erscheinenden Ranking des Eigentümerverbands Haus und Grund ist Essen noch weiter abgerutscht und liegt nun auf Platz 96 der 100 größten Städte in Deutschland. Deren Abwassergebühren hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) für Haus und Grund ausgewertet.

Errechnet wurden die Jahresausgaben eines vierköpfigen Musterhaushaushalts, in dem jede und jeder durchschnittlich 125 Liter Wasser am Tag verbraucht, so hoch ist der bundesweite Durchschnitt. Demnach kostet das in Essen aktuell rund 828 Euro. Und damit mehr als doppelt so viel wie etwa in Köln oder Düsseldorf. In NRW ist nur noch Mönchengladbach teurer, das mit seinen 985 Euro auch bundesweit das Schlusslicht ist.

Witten hat Gebühren gesenkt

Recklinghausen, Gelsenkirchen (beide 675 Euro) und Witten (671 Euro) sind nach Essen die teuersten Städte im Ruhrgebiet, aber schon deutlich günstiger. Weil Witten die Gebühren zuletzt sogar gesenkt hat, rückte die Stadt im Bundesranking von Platz 87 auf 77 vor. Es folgen Herne (659 Euro), Oberhausen (652 Euro), Mülheim (644 Euro), Duisburg (640 Euro) und Hagen (632 Euro).

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Interessant ist, wie die Städte auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster in einem Musterverfahren aus Mai 2022 reagieren, in dem die Gebühren von Oer-Erkenschwick für überhöht erklärt wurden, weil ein zu hoher Zinssatz für das Eigenkapital zugrunde gelegt wurde. Witten hat daraufhin seinen Eigenkapital-Zinssatz von 5,5 Prozent auf 2,3 Prozent gesenkt, die Abwassergebühren wurden günstiger.

Gesunken sind die Kosten laut Abwassergebührenranking im Revier sonst nur in Mülheim, alle anderen Städte kassierten mehr. Das Land hatte mit einer leicht modifizierten Gesetzesänderung nach eigenen Angaben dafür gesorgt, dass die Städte am Ende nicht weniger Geld beim Abwasser einnehmen. Weshalb der Steuerzahlerbund dem Land und den Kommunen vorwirft, das Urteil des Gerichts zu übergehen.

Steuerzahlerbund moniert „Scheinprivatisierung“

Dass Essen und Mönchengladbach so weit hinten liegen, wundert Harald Schledorn gar nicht. Der Gebührenexperte des Steuerzahlerbundes NRW moniert seit Jahren die in beiden Städten „sehr undurchsichtige Organisationsformen“, die „auffallend anders und sehr speziell“ seien im Vergleich zu fast allen anderen Kommunen. Während die in aller Regel eigene öffentliche Unternehmen damit betrauen, hat Essen vor über 20 Jahren die Essener Entwässerungs GmbH gegründet, eine hundertprozentige Tochter der Stadtwerke, die als privatrechtliche Gesellschaft aber anders kalkulieren könne. Das treibe die Preise und erhärte den Verdacht, dass die Gebühren, die letztlich zurück an die Stadtwerke gehen, andere Löcher, etwa im Nahverkehr stopfen helfen. Deshalb spricht Schledorn auch von „Scheinprivatisierung“.

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Die Stadt Essen weist das zurück und betont, grundsätzlich nur kostendeckend zu kalkulieren. Hauptgrund für die jüngsten Steigerungen seien hohe Investitionen ins Kanalnetz gewesen. Doch für 2022 wurden die Gebühren tatsächlich zu hoch angesetzt, wie die Stadt auf Anfrage einräumt: „Für die Betriebsabrechnung des Jahres 2022 ist eine solche Kostenüberdeckung absehbar, da das tatsächlich eingetretene Investitionsvolumen zum öffentlichen Kanalnetz letztlich hinter der veranschlagten Kalkulation blieb“, erklärt eine Sprecherin. Der Ausgleich zu viel gezahlter Gebühren erfolge in den nächsten Abrechnungen.

Stadt Essen erwartet sinkende Gebühren

Kostensenkend wirke auch die jüngste Änderung der Berechnungsweise von Abschreibungen und Zinsen. Für den durchschnittlichen Vierpersonenhaushalt gebe es bereits in diesem Jahr „eine leichte Absenkung“, so die Stadtsprecherin, dieser Trend werde „auch für das Kalkulationsjahr 2024 erwartet“.

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Dass die Abwassergebühren so weit auseinander gehen, hat viel damit zu tun, wie weitläufig ein Stadtgebiet und damit ihr Leitungsnetz ist, wie der Untergrund beschaffen ist und in welchem Zustand die Kanäle und Kläranlagen sind. „Die Abwassergebühren können nicht in jeder Stadt gleich hoch sein“, räumt daher auch Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke ein. Aber: „300 Prozent Unterschied sind nicht hinnehmbar. Die häufig vorgetragenen Strukturunterschiede allein sind keine ausreichende Erklärung für die enormen Preisdifferenzen.“ Auch der Eigentümerverband beklagt eine zu große Intransparenz und Uneinheitlichkeit bei der Gebührenberechnung.